Hamburg/Lübeck. Bei der Regionalkonferenz der CDU in Lübeck stellten sich die Bewerber um den Bundesvorsitz vor. Wer hat wen überzeugen können?
Der stellvertretende Hamburger CDU-Vorsitzende und Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß saß in der ersten Reihe in der Kulturwerft Gollan - direkt neben den drei Kandidaten für den Bundesvorsitz: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, Ex-Unions-Fraktionschef Friedrich Merz und CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer.
Ploß hatte als offizieller Vertreter des mit einladenden Hamburger Landesverbandes die Aufgabe, das Schlusswort zu sprechen und die Parteifreunde zum Singen der Nationalhymne aufzufordern. Mit Ploß war eine Reihe von Hamburger Christdemokraten nach Lübeck gekommen, um sich ein eigenes Bild von den drei Kandidaten zu machen. Das Abendblatt hat sich umgehört.
Rüdiger Kruse und Natalie Hochheim
„Wenn es ein Wettkampf der Rhetorik wäre, so wäre Merz klar der Sieger. Und wenn es um Empathie ginge, Kramp-Karrenbauer. Spahn wiederum ist der einzige, der den Marathon um die Nachfolge von Anfang an gelaufen ist. Aber darum geht es nicht“, sagte der Bundestagsabgeordnete Rüdiger Kruse, einer von 17 Hamburger Delegierten des Bundesparteitages, auf dem am 7. Dezember die Entscheidung über den Bundesvorsitz fällt. „Wir müssen überlegen, mit wem als Vorsitzende oder Vorsitzenden wir regierungsfähig bleiben. Denn das ist die Aufgabe einer Volkspartei: regierungs- und koalitionsfähig zu sein“, sagte Kruse und ließ seine Entscheidung offen.
Anders die stellvertretende Landesvorsitzende Natalie Hochheim, ebenfalls Delegierte, die sich schon festlegte. „Die drei Kandidaten haben ihre Ansichten sehr überzeugend dargelegt. Die Reden waren authentisch und kämpferisch. Mich überzeugte Friedrich Merz am meisten. Insbesondere wirtschafts- und ordnungspolitische Themen stellte er akzentuiert dar“, sagte Hochheim.
Marcus Weinberg und Dietrich Wersich
„Hurra, die Partei lebt und atmet“, sagte der Bundestagsabgeordnete Marcus Weinberg. „Alle Kandidaten waren gut, Annegret Kramp-Karrenbauer war für mich sehr gut. Sie war sehr authentisch, kennt Herz und Seele der Partei und hat dabei eine klare Linie. Bei ihr weiß man, wo Weg und Ziel der Partei sind. Ihr traut man auch zu, dass sie Erneuerung und Zusammenhalt der Partei gleichermaßen entwickeln kann“, so Weinberg, der bei den beiden Mitbewerbern auch Defizite sah: „Friedrich Merz hatte eine ruhige und starke Erscheinung, argumentiert engagiert und klar, doch wie genau er die Partei in die Zukunft führen will, blieb in Teilen offen. Merz‘ angekündigte Halbierung des Wähleranteils der AfD war mutig, wie dieses konkret mit welchem Kurs passieren soll, blieb offen. Jens Spahn war sehr agil und kraftvoll, das hat ihn ausgezeichnet. Einiges wirkte aber eher eingespielt. Was die Forderung nach einem echten Neustart dann tatsächlich heißt, blieb in Teilen offen“, lautete Weinbergs Einschätzung.
Dietrich Wersich, Erster Vizepräsident der Bürgerschaft und Ex-Bürgermeisterkandidat der CDU, sah eine große inhaltliche Übereinstimmung der drei Kandidaten. „Die größten Unterschiede waren eher in der persönlichen Vorstellung. Hier lagen Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz in der Publikumssympathie deutlich vor Jens Spahn“, sagte Wersich. „Für Annegret Kramp-Karrenbauer spricht eindeutig, dass sie jünger ist, Regierungserfahrung hat und mit ihrem eindrucksvollen Sieg bei der Landtagswahl im Saarland zum Höhepunkt des Schulz-Hypes bewiesen hat, dass sie bei den Menschen ankommt. Deshalb hatte sie heute für mich die Nase leicht vorn im Rennen um den Vorsitz“, legte sich Wersich fest. Merz sieht er als „sehr guten Außen- oder Finanzminister“ und Spahn als „Gesundheitsminister mit Zukunft.“
Philipp Heißner und Birgit Stöver
Spahn werden eher Außenseiterchancen eingeräumt, doch er hat auch in der Hamburger CDU Unterstützer. „Insbesondere beim Thema Wirtschaft fand ich Jens Spahn sehr stark. Dessen Plädoyer für einen echten Neuanfang in der CDU, vor allem in der Frage, wie Diskussionen in der Partei geführt werden, hat mir besonders gefallen. Jens Spahn hatte einen starken Abend, den sollte man nicht unterschätzen“, sagte der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Philipp Heißner, der betonte, dass alle drei Kandidaten viel Applaus im Saal bekamen. „Daran sieht man, dass der Umgang innerhalb der CDU von Gemeinsamkeit und Fairness geprägt bleibt.“
„In der Vorstellungsrunde hat mich Annegret Kramp-Karrenbauer am meisten überzeugt. Sie hat von allen dreien die positivste Atmosphäre geschaffen und selbst den Herbst 2015 mit der gemeinsamen Aufarbeitung positiv verbunden“, sagte die stellvertretende CDU-Bürgerschaftsfraktionschefin Birgit Stöver. „Auch in den Fragerunden hatte sie oftmals gute und sachlich fundierte Antworten und hat immer den inhaltlich besten Bogen geschlagen. Meine Überzeugung ist, mit ihr findet in der CDU das meiste Miteinander und die größte Gemeinsamkeit statt. Es wurde sehr deutlich wie sehr ihr die Partei und ihre Mitglieder am Herzen liegen“, sagte Stöver. „Ich meine, dass Annegret Kramp-Karrenbauer für einen starken dialogbasierten Prozess zur Erneuerung der Partei und ihrer inhaltlichen Positionierung steht.“
Roland Salchow und Friederike Föcking
Ex-Staatsrat Roland Salchow betonte, dass es keine Anfeindungen gegeben habe. „Das fand ich gut. Jens Spahn war eher schauspielerisch und manchmal laut. Annegret Kramp-Karrenbauer verbiegt sich nicht und ist seriös“, sagte Salchow, der die CDU-Generalsekretärin vorn sah.
„Für mich ist Annegret Kramp-Karrenbauer die stärkste. Sie ist so intelligent, kenntnisreich und führungsstark wie Friedrich Merz, hat aber darüber hinaus die Gabe, auch die Herzen anzusprechen. Damit ist sie für mich die Nummer eins“, sagte die frühere Wandsbeker Bürgerschaftsabgeordnete Friederike Föcking.
Dennis Gladiator und Christoph Ploß
„Die Regionalkonferenz hat gezeigt, dass sich drei hervorragende Kandidaten für den Parteivorsitz bewerben. Ich freue mich und es ist eine Stärke der CDU, dass sich alle drei Kandidaten mit ihren jeweiligen persönlichen und inhaltlichen Profilen bewerben. Das belebt die Partei und ermöglicht eine echte Diskussion und Entscheidung über die Zukunft der CDU. Diesen Aufbruch, diesen Neuanfang braucht die CDU“, sagte der Bürgerschaftsabgeordnete und Innenexperte Dennis Gladiator. „Ich bin der Überzeugung, dass wir das Profil der CDU als bürgerlich konservative, als wirtschaftsliberale und als christlich soziale Volkspartei stärken müssen. Nur so gelingt es uns, verloren gegangenes Vertrauen und Wähler, die sich abgewendet haben, zurückzugewinnen. Unser Anspruch muss es auch sein, dass es keine konservative Alternative rechts neben der CDU gibt.“ Gladiator legte sich fest: „Die Regionalkonferenz hat meinen Eindruck bestätigt, dass dies alles mit Friedrich Merz am besten gelingt.“
Von einem „ganz, ganz starken Start heute“ sprach Christoph Ploß in seinem Schlusswort nach der knapp dreistündigen Veranstaltung. „Wir haben erlebt, wie man einen fairen Wettbewerb führt“, sagte der Vize-CDU-Landeschef. „Die Regionalkonferenz hat gezeigt, welche herausragende Kandidaten die CDU für das Amt des Parteivorsitzenden hat. Alle anderen Parteien würden sich eine solche Auswahl wünschen. Alle Kandidaten haben hervorragende Beiträge und eine starke Performance gezeigt." Ploß hat ebenfalls bereits einen Wunschkandidaten: "Ich tendiere auch nach der Kandidatenvorstellung zu Friedrich Merz. Ihm wird es am besten gelingen, wertkonservative, (wirtschafts-)liberale und christlich-soziale Milieus gleichermaßen anzusprechen.“