Hamburg. Vielen Passanten gefällt das neue Gewand des Findlings am Elbufer. Politiker sind uneins. Hafenbehörde prüft den „Überzug“.

Bislang galt er als ältester Großfindling Deutschlands. Nun ist der Alte Schwede auch noch Deutschlands goldigster Findling. Und plötzlich reden alle über den 217 Tonnen schweren Gesteinsbrocken am Elbufer, denn mit der illegalen Vergoldungsaktion vom Mittwoch stellt sich die Frage: Bleibt das jetzt so – oder muss das weg? Die Antwort muss derzeit wohl lauten: mal sehen.

Am Strand sind Spaziergänger durchaus angetan vom neuen Gewand des 1,8 Milliarden Jahre alten Steins. „Ich bin begeistert, das sollte so erhalten bleiben“, sagt Wolfgang Sarodnick. Auch Henning Kirsch, der ehemaliger Präsident des Landesarbeitsgerichts, sagt: „Für mich ist es der größte Goldklumpen der Welt. Das könnte sich zum Touristenobjekt entwickeln.“ Ingrid Karotiki war sich nicht ganz sicher. „Es sieht schön aus, aber was passiert nach dem nächsten Graffito?“

Bei den Rathausfraktionen gehen die Meinungen ausein­ander

Bei den Rathausfraktionen gehen die Meinungen deutlich weiter ausein­ander. Der CDU-Fraktionschef André Trepoll sagte: „Ich finde, der älteste große Findling Deutschlands sollte nicht zweckentfremdet werden. Als Geotop ist es schon ein erdgeschichtliches Kunstprojekt, das nicht verbessert werden muss.“

Auch Dirk Nockemann, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der AfD, ist gegen die Vergoldung: „Der Alte Schwede ist ein Naturdenkmal, das nicht zerstört, verändert oder beschädigt werden darf“, sagte er. „Wird diese Aktion für gut und richtig befunden, lockt sie höchstwahrscheinlich Nachahmer an. Haben wir dann demnächst goldfarbene Baudenkmäler in der Speicherstadt oder eine rosafarbene Rickmer Rickmers im Hafen?“

AfD-Politiker Dirk Nockemann
AfD-Politiker Dirk Nockemann © Thorsten Ahlf

Anjes Tjarks, Grünen-Fraktionschef, setzt – typisch grün – auf natürliche Prozesse. „Ich finde es eigentlich ganz witzig, dass der Alte Schwede das neue Jahr wie ein riesiger Gold-Nugget begrüßt“, sagte er. „Allerdings ist der Findling ein Naturdenkmal, deswegen kann das nicht so bleiben. Ich würde vorschlagen, das Ganze als eine vorübergehende Kunstaktion im öffentlichen Raum zu sehen – und irgendwann ist der Lack sowieso ab.“

Reinigung kostet viel Geld

FDP-Fraktionschef Michael Kruse denkt an die Wirtschaft. „Bevor die HPA viel Geld für die Reinigung des Findlings ausgibt, sollten wir beobachten, ob nicht gerade eine neue Touristenattraktion geboren wurde“, sagte er.

Norbert Hackbusch, kulturpolitischer Sprecher der Linke-Fraktion, hält die Vergoldung für eine „ganz schön clevere Aktion“. „Die hätte sich Hamburg Marketing bestimmt am liebsten selbst ausgedacht“, sagte er. „War das erlaubt? Formal vielleicht nicht.

Norbert Hackbusch, ( Die Linke ) in der Bürgerschaft.
Norbert Hackbusch, ( Die Linke ) in der Bürgerschaft. © Klaus Bodig / HA

Wenn der glänzende Brocken den Leuten so gefällt, dann lasst das Gold dran und gebt das Reinigungsgeld lieber aus für Kunst im öffentlichen Raum.“

Die SPD hält die Farbwahl für nicht vollkommen gelungen, ist zunächst aber einverstanden mit dem Schweden. Dirk Kienscherf, Vorsitzender der SPD-Bürgerschaftsfraktion, sagt: „Rot hätte mir besser gefallen. Aber mal im Ernst, der Stein sieht in Gold doch sehr gut aus und das scheinen ja auch viele Hamburgerinnen und Hamburger so zu sehen. Wenn die Farbe abnutzt oder nicht mehr so ansehnlich aussieht, sollte der Stein aber wohl gereinigt werden.“

Immerhin ein Naturdenkmal

Altonas Bezirksamtsleiterin Liane Melzer ist zwiegespalten. „Ich begrüße ,Kunst im öffentlichen Raum’ und freue mich, wenn die Menschen mit dieser Kunst leben und die Kreativität wertschätzen“, sagte sie. „Ob der ,Goldene Schwede’, immerhin ein Naturdenkmal, ein dafür geeignetes Objekt ist, darüber sollte diskutiert werden.“

Zuständig für den Stein ist die Hafenbehörde Hamburg Port Authority (HPA). Einige Mitarbeiter nahmen den Goldbrocken am Donnerstag unter die Lupe. „Derzeit prüfen wir, wie wir mit dem Goldüberzug umgehen“, sagte HPA-Sprecher Kai Gerullis. „Dazu stehen wir im Austausch mit allen beteiligten Stellen. Eine Entscheidung ist noch nicht getroffen.“

Die aktuelle Debatte erinnert an das Auffinden des Findlings. Bei Arbeiten an der Elbvertiefung war der Stein 1999 auf dem Flussgrund entdeckt worden. Im Oktober wurde er geborgen und am Elbstrand abgesetzt. Kurz darauf wurde er mit Graffiti beschmiert. Die Reaktionen waren damals eindeutig. Der Geologieprofessor Roland Vinx vom Mineralogischen Institut der Uni Hamburg sprach von einer „Sauerei“. „Der Stein wird nie mehr so sein, wie er war.“ Vinx plädierte dafür, Sprühdosen zu verbieten.

Findling auf Spielbudenplatz?

Der Sozialpsychologe Helmut Moser, ebenfalls von der Uni, diagnostizierte eine „neurotische Reaktion“ – und zitierte eine „uralte Volksweisheit“: „Narrenhände beschmieren Tisch und Wände“. Auch Dietrich von Albedyll, damaliger Chef der Tourismus-Zentrale, zeigte sich betroffen. „Es ist jammerschade, dass man vor dem Findling keine Achtung hat.“ Er müsse gesäubert und umgesetzt werden. „Man könnte ihn in die Überlegungen integrieren, den Spielbudenplatz zu beleben“, sagte er.

Dazu kam es dann nicht. Ohnehin war weder damals noch heute bekannt, dass ein Stein belebende Wirkung haben könnte. Belebend könnte er für den Haushalt der Stadt sein – allerdings nur dann, wenn der Stein aus purem Gold bestünde. Nach aktuellem Kurs wäre er dann etwa 7,9 Milliarden Euro wert – genug, um Hamburgs HSH-Nordbank-Schulden zu begleichen.