Hamburg. Der perfekte Frühsommer zieht Menschen an das Elbufer – ideal für ein Picknick oder um spazieren zu gehen. Sogar Taufen sind möglich.

Segelschiffe, Barkassen und Motorboote tanzen auf dem Strom Ballett. Gelegentlich lenkt ein Ozeanriese die Blicke auf sich. Der im Sonnenlicht glitzernde Fluss ist die Bühne, der Elbstrand eine Loge. Gratis das Ganze. Wer im warmen Sand sitzt, weiß ganz genau: Dieser Sonntag ist dein Freund – geküsst von einem Frühling, der nach Sommer schmeckt.

Taufe am Elbstrand: Pastor Michael Rohde (M.) mit den Eltern Christine und Maximilian Hellmanns und deren Töchterchen
Taufe am Elbstrand: Pastor Michael Rohde (M.) mit den Eltern Christine und Maximilian Hellmanns und deren Töchterchen © Charlotte Klaus Bodig (3)

Lebenskünstler haben sich zum Picknick eingefunden, Hundebesitzer lassen ihren Rackern freien Lauf. Spaziergänger genießen früh laue Temperaturen, Radler erobern die Promenade. Wagemutige kühlen ihre Sommerlaune. Wasserratten wie Fabienne und ihr Bruder Elias tauchen nicht nur die Füße ein, sondern erfrischen sich von oben bis unten. Und kaum zu glauben: Im Windschatten der Strandperle wird das Baby Charlotte getauft. Die Götter könnten Pate gestanden haben für einen freien Tag vom Allerfeinsten.

Einziger Makel um kurz vor 10 Uhr: Das Ufer ist stark verdreckt. Eine Schande. Na klar, wurde wohl bis nachts gefeiert, und viele Leute wissen sich nicht zu benehmen, doch was sollen Gäste unserer Stadt bloß denken? Wer beispielsweise vor dem Strandkiosk Ahoi an den Holztischen Platz nimmt, wundert sich über Kippen und Kronkorken ohne Ende und über ein Meer zerfranster Servietten. Ein paar Meter weiter Richtung Findling Alter Schwede entsetzen Batterien leerer Flaschen. Unter Pfandsammlern scheint sich diese Fundgrube nicht herumgesprochen zu haben.

Elbstrand-Premierefür Natascha und Jana

Wer klug ist, wundert sich, lässt sich den Spaß aber keinesfalls verdrießen. So wie Natascha Protz aus Hoheluft und Jana Berger aus Eißendorf. Die jungen Frauen, Natascha macht gerade ihren Bachelor in Betriebswirtschaft, und Jana studiert Kommunikationsdesign, sind einer spontanen Idee gefolgt. Beide sind mit der Fähre von den Landungsbrücken gekommen, um diesen traumhaften Tag nach Herzenslust zu umarmen.

Fabienne und ihr jüngerer Bruder Elias aus Sittensen baden in der Elbe vor Övelgönne
Fabienne und ihr jüngerer Bruder Elias aus Sittensen baden in der Elbe vor Övelgönne © Klaus Bodig / HA

„Es ist unsere Premiere“, sagt Natascha Protz, eine gebürtige Schwäbin. Im Gepäck hat das fidele Duo eine Picknickdecke, Saft, hausgemachten Obstsalat in Plastikdosen und Baguette. Einziges Problem: Wie kann der Nachtisch, zwei Buddeln Beck’s, halbwegs kühl gehalten werden?

„Ab ins Wasser damit!“, rät ein nicht minder aufgeschlossener Passant. Zwischen all den gemächlichen Spazier- und Müßiggängern fällt er auf, weil er eine Angel mit sich trägt. Wohin des Weges, junger Mann? „In den Hafen, auf die andere Elbseite“, entgegnet er. Sein Versuch, vor Övelgönne Zander zu fangen, ist ins Wasser gefallen. Nun geht’s zurück in vertrautere Gefilde.

Provisorischer Altar am Strand

Andere bleiben umso lieber. Das Areal vor dem Ahoi ist das Dorado für Hunde. Offensichtlich haben auch Tiere begriffen, dass dieser letzte Sonntag im Mai ein Glückstag ist. Ein pfeilschneller Frechdachs reizt die Konkurrenz mit einem besonders schönen Ast. Welch Ärger, dass der verspielte Husky von Frauchen am Halsband festgehalten wird. Auch Bruno, ein acht Monate alter Labrador, möchte gerne runter ans Wasser. Er darf jedoch nicht. Es ist ein Hundeleben. Dagegen hat sich ein Jack Russell darauf spezialisiert, im Sand geparkte Latschen zu stibitzen.

Er hat reichlich zu tun. Richtig sauer ist niemand. Vor der Strandperle laben sich Sonnenhungrige an Rührei mit Toast oder Marmeladencroissants. Im Oberdeck, dem kleinen Partyraum oberhalb des Lokals, hat sich ein Freundeskreis versammelt. Der Anlass wird erst später klar: Charlotte Christine Käthe Hellmanns wird getauft – an ihrem ersten Geburtstag, mit Elbwasser. Pastor Michael Rohde, ein promovierter Militärdekan in Diensten der Helmut-Schmidt-Universität und des Bundeswehrkrankenhauses, organisiert eine ganz besondere Zeremonie. Gemeinsam mit Ehefrau Diana und den Söhnen Justus und Constantin errichtet der Geistliche einen provisorischen Altar am Strand: Klapptisch, weiße Stoffdecke, Kreuz, Kerze und Holzschale für das Elbwasser.

„Es ist heute meine dritte Taufe an der Elbe“, sagt Michael Rohde. „Danke für diesen Erdenbürger“, schallt es anschließend unisono über den Strand, und „Ins Wasser fällt ein Stein.“ Umstehende spenden Beifall. Auf dem Strom zieht die „Ice Star“ vorbei. Das Containerschiff unter der Flagge Antiguas befindet sich auf dem Weg nach Antwerpen. Wenig später steuert die „NYK Meteor“ elbabwärts. Wer hat sonst schon einen 294 Meter langen Taufpaten?

„Meine Eltern ließen mich 1992 auf dem Tender ,Elbe’ taufen“, berichtet Charlottes Mutter Christine Hellmanns aus Rahlstedt. „Wir wollen diese maritime Tradition aufgreifen.“ Wie auch Ehemann und Vater Maximilian ist sie Offizierin. Sie bei der Marine, er beim Heer. Charlotte hat stabile Nerven und quittiert die Feier mit einem Lächeln.

Baden in der Elbe: echt cool

Ob sie in ein paar Jahren an genau dieser Stelle in die Elbe geht? So wie die 13-jährige Fabienne und ihr sieben Jahre alter Bruder Elias. Die Geschwister sind mit ihren Eltern aus Sittensen nach Othmarschen gekommen. Mancher Erwachsene blickt ein wenig neidisch, wie die beiden unverzagt in die Elbe gehen. Nach und nach folgen immer mehr diesem Beispiel. Echt cool.

Und bitte mehr von solchen Tagen.