Hamburg. Janet Carstensen und Enke Hansen entwickeln ein neuartiges Gel, das selbst für professionelle Tätowierer ein Segen sein könnte.

Der erste Eindruck täuscht. Auch wenn auf der Haut erst einmal kaum etwas zu sehen ist, wird hier in rund zwölf Stunden ein Tattoo erscheinen. Die Magie des Regenwaldes, nennt Janet Carstensen (37) dieses Phänomen. Die Jungunternehmerin hat sich gerade mit einem von ihr mitentwickelten Gel ein Muster auf die Hand gemalt. Die Formen erscheinen als blass-blaue Linien, verschwinden aber wieder, als die Hände gewaschen werden – bis die Farbe nach zwölf bis 24 Stunden ihre volle Intensität entwickelt hat und deutlich auf der Haut zu sehen ist. Rund zwei bis drei Wochen hält die Körperbemalung, dann verschwindet sie.

Mit ihren Tattoos auf Zeit will Janet Carstensen die Tattoo-Szene revolutionieren. „Auf diese Weise kann jeder testen, ob er sich dauerhaft ein Tattoo stechen lassen will – oder ob er sich nur zu besonderen Anlässen kurzfristig etwas auf die Haut malen möchte“, sagt Carstensen. Vor einem Jahr erfuhr sie über einen Mitbewohner erstmals von dem südamerikanischen Färbemittel und war von dessen Verwendung sofort dermaßen begeistert, dass sie kurzentschlossen ihre Firma Jagua for you gründete.

Das Unternehmen importiert ein von ihr mitentwickeltes Jagua Gel, das unter anderem aus dem Saft der Frucht Genipa Americana hergestellt wird. „In Südamerika nutzen die einheimischen Stämme den Jagua-Saft schon seit Hunderten von Jahren zur Körperbemalung. Jetzt ist das endlich auch bei uns möglich“, sagt Carstensen und fügt hinzu: „Lange Zeit gab es für temporäre Tattoos nur Henna. Wir haben eine Alternative dazu entwickelt, die von der Farbe her einem echten Tattoo viel ähnlicher ist, ohne Zusatzstoffe auskommt und unbedenklich für die Haut ist!". Seit Februar ist Jagua Gel auf dem Markt. Seitdem hat die 37-Jährige mehr als 4000 Flaschen verkauft. Preis pro Flasche: 16,99 Euro. Abgefüllt wird das Gel bei ihr zu Hause im Keller.

Jeder fünfte Deutsche ist tätowiert

Mit seinen temporären Tattoos trifft das Unternehmen den Nerv der Zeit. Denn Tattoos werden immer beliebter. Laut einer Studie der Uni Leipzig ist jeder fünfte Deutsche tätowiert. Tendenz steigend. Bei Frauen zwischen 25 und 34 Jahren ist es sogar die Hälfte – 19 Prozent mehr als vor zehn Jahren. Das Schmuddelimage aus Zeiten, als vorwiegend Seemänner tätowiert waren, ist abgelegt. Die Körperbemalung ist gesellschaftsfähig geworden. Kaum ein Promi, der nicht tätowiert ist, kaum ein Tag ohne Tattoo-Sendung im Fernsehen.

So sieht ein Tattoo mit Jagua Gel aus.
So sieht ein Tattoo mit Jagua Gel aus. © Jagua for You | Jagua for You / Janet Carstensen

Von dem Hype profitiert auch Jagua for you. Da die Arbeit für eine Person schnell zu viel war, ist vor einigen Monaten Enke Hansen (31) als Geschäftspartnerin in die Firma mit eingestiegen. „Gemeinsam haben wir es geschafft, nicht nur den Online-Verkauf auszubauen, sondern auch auf Festivals sowie Messen präsent zu sein und Tattoo-Partys zu veranstalten, bei denen sich Interessierte von Künstlern mit Jagua Gel anmalen lassen können“, sagt Hansen und erzählt, dass sich bei diesen Events sogar Senioren bemalen ließen – und von dem Resultat durchaus begeistert gewesen seien.

Unter dem Motto „Teste dein Tattoo“ wollen die Macherinnen von Jagua for you künftig auch mit Tätowierern kooperieren. „Viele Tattoo-Studios klagen über Kunden, die unentschlossen sind, sich ewig beraten lassen – und dann nie wiederkommen. Mit unserem Gel könnten Tätowierer ihren Kunden zur Veranschaulichung ein Probe-Abo zeichnen, an das sie sich in Ruhe gewöhnen können“, so Hansen. Sie selbst hat seit Jahren ein echtes Tattoo, doch nur Fachleute könnten den Unterschied zu einem Jagua-Tattoo erkennen.

Bald im Einzelhandel erhältlich

Im Gegensatz zu einem gestochenen Tattoo, dessen Farbe in die zweite Hautschicht gestochen wird, dringt Jagua Gel nur in die erste Hautschicht vor. „Da sich diese alle 14 bis 28 Tage erneuert, bleibt das Jagua-Tattoo nur bis zur Erneuerung der obersten Hautschicht erhalten“, sagt Carstensen, die mit ihrem Produkt den Sprung in den Einzelhandel schaffen will und hofft, im Jahr 2019 in Drogerien und Naturkosmetikläden gelistet zu werden.

Bis es so weit ist, bauen die beiden Geschäftsführerinnen das Online-Geschäft aus und entwickeln immer neue Produkte für ihre Kundinnen sowie aktuell ein Set mit Tattoo-Vorlagen, die mit Eukalyptusöl auf die Haut übertragen werden, sodass man sie mühelos nachzeichnen kann. „Damit gelingt wirklich jedem ein Tattoo“, sagen Hansen und Carstensen. Die Gründerinnen sind von ihrem Produkt überzeugt und ganz sicher, dass sie im kommenden Jahr durchstarten werden.