Elmshorn. Maori, Quader, Sterne: Günter Glück weiß, was geht. Er hat in seinem Studio schon manch „Arschgeweih“ verschwinden lassen.

Mit Tattoos verhält es sich wie mit der Mode: Saison für Saison setzen sich neue Trends durch. In Hamburg ist derzeit die Elbphilharmonie der Hit auf Haut. Die Vorliebe für Wahrzeichen beschränkt sich allerdings auf Metropolen. „Die Kölln-Werke in Elmshorn oder die Pinneberger Drostei wollte sich jedenfalls bei noch keiner bei mir stechen lassen“, sagt Günter Glück und lacht. Im Gegensatz zum Konzerthaus.

Einer seiner Stammkunden trägt die Hamburger Skyline auf der Haut – allerdings ohne das Bauwerk, das weltweit für Schlagzeilen sorgt. Es existierte schlichtweg noch nicht, als das Tattoo entstand. Der Elmshorner Tätowierer ist sich aber sicher, diese geschickt nachträglich noch einbauen zu können.

Maori-Tattoos lösen Tribals ab, Stile werden gemischt

In 20 Jahren, die Glück schon im Geschäft ist, hat er Trends kommen und gehen sehen. Er weiß, was gerade angesagt ist. „Klare Linien, geometrische Formen sind gefragt“, so der Tätowierer, der sich in der Branche auch einen Namen gemacht hat, weil er eigene Tätowiermaschinen baut. Stile würden gemixt. Dauerbrenner sind Tierporträts. Neu daran ist, dass eine Hälfte mit Dreiecken und Quadern verfremdet wird. „Auch Aquarelle, bei denen leichte Pastellfarben zum Einsatz kommen, werden immer beliebter“, sagt Glück. Beim Dotwork-Tattoo handele es sich um eine besondere Stechmethode. Das gewünschte Motiv entsteht aus vielen Punkten.

Komplexe Maori-Tattoos lösten die weit verbreiteten Tribals ab. Mandalas ließen sich nicht mehr nur in Malbüchern finden. Generell sind Motive aus der Seefahrt beliebt“, sagt er. Neben den traditionellen Ankern und Leuchttürmen erlebten Kompasse und nautische Sterne einen Hype. Und nach tätowierten Augenbrauen und Lidstrichen sollen auch künstliche Sommersprossen möglich sein.

Dauerbrenner sind Tierporträts, Krähen gelten darüber hinaus als Boten des Schicksals
Dauerbrenner sind Tierporträts, Krähen gelten darüber hinaus als Boten des Schicksals © HA | Günter Glück

Nicht jede Jugendsünde ist für die Ewigkeit. Unzählige „Arschgeweihe“ hat Glück schon hinter üppigen Blumenbuketts verschwinden lassen. Das Trendtattoo der 90er galt spätestens nach einem TV-Beitrag von Stefan Raab, in dem er zehn Friseurinnen mit symmetrischem Tattoo oberhalb des Steißbeins präsentierte, nur noch als peinlich. „Heute will dort keiner mehr ein Tattoo – obwohl es eine der wenigen Körperstellen ist, wo Frauen nicht zu- oder abnehmen“, so der Autodidakt, der in Elmshorn das Studio mit dem kunstvollen Namen „Frisch gehackt“ führt.

Auch so einige Namen von Ex-Lovern hat Glück schon mit einem Cover-up verschwinden lassen und damit so manche neue Beziehung gerettet. „Ich rate jedem davon ab, sich den Namen des Geliebten oder der Geliebten stechen zu lassen“, sagt Glück, der nicht an „bis in alle Ewigkeit glaubt“. Seine drei Ehen sprechen für sich.

Auch wenn sich der ein oder andere Fehler auslöschen lässt, die Motivauswahl sollte im Vorhinein schon gut durchdacht sein. Deswegen nimmt sich Glück Zeit für Beratungen. Das kann er nicht von jedem Kollegen sagen. Er ärgert sich über unseriöse Tätowierer, die beispielsweise mit mobilen Studios werben, Tattoos im Wohnzimmer stechen oder in Diskotheken Tattooabende veranstalteten. „Wie wollen die Hygienestandards einhalten?“, sagt Glück.

Ungebrochen ist der Trend zu Motiven aus der Seefahrt wie Leuchttürme und Anker
Ungebrochen ist der Trend zu Motiven aus der Seefahrt wie Leuchttürme und Anker © HA | Günter Glück

Sowieso müsste die Branche stärker reglementiert werden. Bislang brauche ein Tätowierer in Deutschland anders als in der Schweiz, in Österreich oder in Holland nicht einmal einen Eignungsschein. „Als ich anfing, gab es vielleicht 100 Tätowierer in Deutschland“, sagt der zweifache Vater. Heute seien es mehrere Tausend. Die Konkurrenz wächst. Allein in Elmshorn gibt es fünf Tattoostudios.

Glück – mit Abstand am längsten vor Ort – hat den einen oder anderen Kollegen selbst ausgebildet. Konkurrenz fürchtet er nicht. „Ich bilde mich weiter, lerne neue Techniken und Stile“, sagt er. Seinen Laden gestaltet er derzeit um. „Ein einfaches Studio reicht den Leuten nicht mehr. Es braucht schon ein besonderes Konzept oder edles Design, um sich abzuheben.“ Im Eingangsbereich steht ein schwerer Stuhl, einem Thron gleich. „Daraus mach ich noch einen elektrischen Stuhl“, so der Elmshorner.

Während früher Tattoos noch mit Seefahrern und Knackis assoziiert wurden, sind sie heute längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. „Das erste Tattoo kam vor ein paar Jahren noch versteckt auf Arm oder Rücken“, sagt Glück. Heute kämen vor allem junge Frauen mit dem Wunsch, dieses sichtbar am Hals stechen zu lassen. „Viele legen gleich mit großflächigen Tattoos los.“ Er nimmt sich Zeit, hört sich an, was sie dazu bewegt, fragt junge Menschen, was sie beruflich mal machen wollen.

Eine tätowierte Mumie kommt nach Elmshorn

Zur Wiedereröffnungs-Feier des Tattoo-Studios „Frisch gehackt“, Mühlenstraße 31, in Elmshorn am Freitag, 7. Juli, erscheint auch Ötzi. Nicht der DJ, sondern die Gletschermumie, die am 19. September 1991 entdeckt wurde. Die hat in der Tattooszene Kultstatus.

Forscher fanden 61 einfache Tätowierungen auf der 5000 Jahre alten Mumie aus den Ötztaler Alpen. Womöglich nutzte der Steinzeitmann die Stiche als eine Art Akupunktur, vermuten Wissenschaftler.

Einfache Strichmuster an Fuß- und Handgelenken sowie am unteren Rücken und den Beinen hatte er sich stechen lassen. Die Farbe wurde mit Kohlepulver in die Wunden gerieben. Nur zwei Tattoos an der Innenseite des rechten Knies und an der linken Achillesferse sind kleine Kreuze.

Ötzis Tattoos waren mit bloßem Auge zwar nicht mehr zu erkennen, konnten aber mit Hilfe von Infrarot- und ultravioletten Strahlen in den tieferen Hautschichten sichtbar gemacht werden.

Der Brite Willy Robinson, der ein Tattoo-Museum betreibt und die Geschichte der Körperkunst erforscht, hat von einem Präparator den Ötzi nachbauen lassen. Der Nachbau wird zur Eröffnung des renovierten Studios ausgestellt. „Die Leute lassen sich einfach gern mit Ötzi fotografieren“, sagt Studiobetreiber Günter Glück.

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Feingefühl muss er beweisen, wenn sich beispielsweise ein Vater einen Grabstein mit Engel auf den Unterarm tätowieren lassen möchte, in Andenken an sein verstorbenes Kind. Er fragt viel, äußert auch Bedenken, wenn er sie hat. „Wer dann immer noch überzeugt ist, dem erfülle ich seinen Wunsch.“ Tabus gibt es nicht mehr viele. Was Glück nicht macht: Einem Minderjährigen trotz „Muttischein“, also Einverständnis der Eltern, an exponierten Stellen wie Hals, Kopf oder Unterarm tätowieren. Politische Statements lehnt er ab, ebenso Schriftzüge in Sprachen, deren Schreibweise er nicht im Internet prüfen kann. Schließlich will er nicht dafür verantwortlich sein, dass jemand das chinesische Wort für Tütensuppe auf der Haut trägt.