Die Zweite Bürgermeisterin spricht über ihr neues Leben mit den Zwillingen, ihren veränderten Fokus und die Rückkehr in die Politik.
Zum Interview bringt Katharina Fegebank ihre neugeborenen Töchter Carla und Ava mit. Die Rathausluft mache die Babys schläfrig, scherzt die Zweite Bürgermeisterin. Und tatsächlich: Während des gesamten Gesprächs schlummern die Zwillinge friedlich im Arm von Papa Mathias Wolf. Im ersten Interview während ihrer Babypause erzählt die Grünen-Politikerin vom Glück ihres neuen Lebens mit den Kindern, von schlaflosen Nächten und was sich die Grünen für die Bezirks- und die Bürgerschaftswahlen vorgenommen haben. Die 41-Jährige, die Spitzenkandidatin ihrer Partei bei der Bürgerschaftswahl ist, kündigt jetzt schon an: Gibt es das Wählervotum her, werden die Grünen dafür werben, die Koalition mit der SPD fortzusetzen.
Sie haben dieser Tage gepostet, Ihre Zwillinge seien große Fans der Sängerin Trude Herr: „Morgens bin ich immer müde, aber abends bin ich wach – und nachts erst!“ Das deutet auf einen gewissen Schlafmangel hin.
Katharina Fegebank: Ich habe das in der Tat nach einer nicht ganz so schlafreichen Nacht gepostet. Das Leben mit kleinen Kindern ist ja wie eine Wundertüte: Manchmal funktioniert es gut, tagsüber sowieso und manchmal auch nachts. Dann wieder gibt es Nächte mit Party nonstop. Ich muss ehrlich sagen: Das fordert einen und bringt einen gelegentlich an den Rand dessen, was erträglich ist. Aber das geht anderen Eltern ja auch so.
Wie viele Stunden schlafen Sie derzeit?
Drei Stunden am Stück, insgesamt dann natürlich mehr. Aber es sind die Unterbrechungen, die einen schlauchen.
Was hat Sie am Leben mit Kindern am meisten überrascht?
Es ist das absolut größte Glück und die wunderbarste Erfahrung, die es gibt – trotz des Schlafmangels und gelegentlicher Sorgen. Das haben mir vorher alle gesagt, aber es selbst zu fühlen, ist noch mal etwas ganz anderes. Tatsache ist allerdings auch: Man tanzt jetzt nach der Pfeife der Babys. Und obwohl ich ja einen Job mit einem recht fremdbestimmten Terminkalender habe, hat dies hier eine ganz andere Qualität. Jetzt regieren die Kinder meine und unsere Welt – und ich regiere gerade nicht. Das ist für mich eine Umstellung. Wie auch, 24 Stunden am Tag die Verantwortung für zwei kleine Menschen zu haben. Das habe ich mir vorher zwar versucht auszumalen, aber es packt einen ganz anders, wenn man die beiden Wesen im Arm hat und weiß, die gehören jetzt zu mir.
Ist das Leben mit Zwillingen doppelt anstrengend?
Zu sagen, ein Kind schreit immer, wäre ungerecht, weil sie vor allem tagsüber zu den pflegeleichteren Babys gehören, wahnsinnig lieb und echt gut drauf sind. Wir haben uns von vornherein gesagt: Die beiden sind in unser Leben gekommen und nicht wir in ihres. Wir wollen also nicht alles umstellen, was wir bisher getan haben. So sind wir auch weiterhin viel unterwegs und nehmen die Kinder mit, haben auch Besuch gehabt – alles in Maßen. Den Babys gefällt das bisher gut. Wir versuchen, unser Leben so normal wie möglich auch mit den Zwillingen weiterzuleben.
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Haben Sie Hilfe?
Bisher haben wir versucht, es weitestgehend allein hinzubekommen. Ich bin sehr dankbar, dass wir uns die Verantwortung wirklich zu 100 Prozent teilen, das ist eine Riesenerleichterung. Nun fangen wir an, uns für einige Stunden am Stück auch allein um die beiden zu kümmern und dabei die Grenzen auszutesten. Gerade mir als Mutter fällt es schwer zu ertragen, wenn eines der Kinder mal etwas länger schreit, während ich mich um das andere kümmere. Sobald wir wieder regelmäßig arbeiten, haben unsere beiden Eltern angekündigt, uns zu unterstützen. Sie wohnen zum Glück in erreichbarer Nähe.
Ihre Zwillinge sind eineiig. Können Sie sie immer auseinanderhalten?
Wenn beide nebeneinander sind, auf jeden Fall. Aber als sie in unterschiedlichen Räumen waren, musste ich auch schon zwei oder drei Mal hinschauen, um zu erkennen, wen ich da vor mir habe. Dabei sahen sie in den ersten Tagen noch unterschiedlicher aus; sie werden sich im Lauf der Wochen immer ähnlicher. Es scheint, als hätten die Mädchen dadurch, dass sie eineiig sind, schon jetzt eine besonders enge Bindung. Die Vorstellung ist schön, dass sie immer eine Komplizin haben werden, mit der sie durch Leben gehen.
Das erste Weihnachtsfest mit Kindern ist etwas Besonderes. Wie werden Sie es verbringen?
Ich bin schon ganz aufgeregt, weil ich mir immer gewünscht habe, Weihnachten mit der eigenen Familie zu feiern. Dazu muss man wissen, dass ich ein ziemlicher Weihnachtsmensch bin. Ich mag es sehr, mit der Familie zu sein und die Freude von Weihnachten und der Weihnachtsbotschaft zu erleben. Heiligabend sind wir bei meinen Eltern in Bargteheide. Das bedeutet mir viel. Ich habe Weihnachten noch niemals woanders gefeiert – auch als ich im Ausland gelebt habe. Am ersten Weihnachtstag sind wir dann bei Mathias Eltern.
Fehlt Ihnen die Politik?
Oh ja! Ich kann nicht ganz ohne. Schon in der zweiten Woche mit den Kindern habe ich mich dabei ertappt, wie ich Nachrichten gelesen habe oder in SMS-Gruppen mit meiner Behörde oder dem Rathaus kommuniziert habe, wenn die Babys geschlafen haben. Ich habe natürlich keine Zweifel, dass ich für einen gewissen Zeitraum zu ersetzen bin. Aber das ist bei mir einfach drin, wissen zu wollen, was passiert. Ich liebe Politik, und es kribbelt mir in den Fingern. Außerdem stand ich sonst immer in der ersten Reihe, auf der Bühne ganz vorn, und bin jetzt bewusst ein paar Schritte zurückgetreten. Das ist eine Umstellung und eine Lernerfahrung – auch anderen zu vertrauen, die für mich entscheiden oder in Gespräche gehen.
Hat sich Ihr Blick verändert?
Ich nehme Politik jetzt etwas anders wahr, mehr als Bürgerin. Und werde daran erinnert: Vieles, was wir im Rathaus ganz heiß kochen, wird draußen gar nicht so heiß gegessen. Oder vielleicht noch nicht einmal wahrgenommen. Auch mein Fokus hat sich verschoben: Mein Interesse richtet sich stärker auf bundespolitische und internationale Entwicklungen.
Wie oft haben Sie Kontakt mit Ihrer Behörde?
Wir schreiben uns schon jeden Tag. Nicht, dass ich To-do-Listen hinüberschicken würde. Aber manchmal fallen mir nachts, wenn ich die Kinder füttere, Dinge ein. Haben wir hieran gedacht? Müsste dieses nicht noch vor Weihnachten erledigt werden?
Bleibt es dabei, dass Sie im Frühjahr wieder einsteigen?
So wie es sich jetzt entwickelt, bin ich zuversichtlich, dass ich im Frühling wieder voll da bin. Vorher werde ich den ein oder anderen besonders wichtigen Termin übernehmen. Bei der Begehung der Universität durch Experten zur Begutachtung als mögliche Exzellenzuniversität beispielsweise werde ich Ende Januar dabei sein.
Wie gut sind Hamburgs Chancen?
Wir sind noch ganz euphorisch vom großen Erfolg im September, als wir alle vier Exzellenzcluster durchbekommen haben. Das schraubt die Erwartungen natürlich hoch. Aber der Wettbewerb ist sehr hart, es gibt viel mehr Bewerber als zu vergebende Plätze. Sicher ist: Wir werden als Stadt alles tun, was nötig ist, um erfolgreich zu sein.
Als frischgebackene Mutter von Zwillingen haben Sie ein besonderes Profil. Werden Sie Ihre Kinder zu Auftritten mitnehmen?
Die große Bühne bleibt für die Kinder tabu. Zu Wahlkampfständen werden ich sie sicherlich gelegentlich im Buggy mitnehmen. Aber nicht, um sie zur Schau zu stellen oder mich als wahlkämpfende Mutter zu präsentieren, sondern wenn es einen Betreuungsengpass gibt.
2019 wird ein spannendes Jahr – im Mai sind die Bezirkswahlen, in der zweiten Jahreshälfte dürfte der Bürgerschaftswahlkampf starten. Was ist das Ziel der Grünen bei der Bezirkswahl?
Bei den vorigen Wahlen haben wir in Altona, Eimsbüttel und auch im Bezirk Nord sehr stark abgeschnitten. Da wollen wir angreifen und auf unsere Ergebnisse vom vorigen Mal noch etwas drauflegen. Mir ist aber auch wichtig, dass wir außerhalb unserer Hochburgen wachsen. Das muss Anspruch einer grünen Partei sein, die Politik für die ganze Stadt macht. Und vergessen wir nicht die parallel stattfindenden Europawahlen. Sie dürften zu den spannendsten gehören, die wir je hatten. Schließlich geht es darum, Nationalismus und Rassismus ein Stoppschild zu zeigen und für Mitmenschlichkeit und Weltoffenheit einzutreten.
Hamburgs SPD-Chefin Melanie Leonhard hat im Abendblatt-Interview angekündigt, dass die SPD ohne Koalitionsaussage in die Bürgerschaftswahl Anfang 2020 gehen will. Hat Sie das überrascht?
Ich fand, das war eine ehrliche Antwort, weil es zeigt, dass die SPD in einigen Fragen größere Übereinstimmungen mit anderen Parteien hat und in anderen Fragen eine größere Nähe zu uns Grünen. Auch die Grünen werden in einen eigenständigen Wahlkampf gehen. Ich bin aber überzeugt von unserer rot-grünen Rathauskoalition, die gute Arbeit leistet. Wenn das Wählervotum es hergibt, werden wir dafür werben, diese Koalition fortzusetzen. Für mich hat Melanie Leonhards Aussage auch klargemacht: Wer möchte, dass Grün weiter mitregiert, muss auch grün wählen und seine Stimmen nicht aufteilen.
Die Grünen sind bundesweit stark wie nie. Sollten die Grünen nicht doch mit einer Bürgermeisterkandidatin antreten?
Wenn unsere Stadt eine grüne Bürgermeisterin haben möchte, kann sie die auch ohne großspurige Wahlkampftitel herbeiwählen. Von vornherein mit einer Bürgermeisterkandidatin anzutreten, wäre mir eine Umdrehung zu viel. Davon abgesehen: Wer weiß heute schon, wie die politische Stimmungslage in einem Jahr sein wird.
Was ist Ihr Ziel? Können Sie es in Prozenten benennen?
Wir wollen auf jeden Fall deutlich stärker werden als beim letzten Mal. Da kamen wir auf 12,3 Prozent der Stimmen. Unser Potenzial an Wählern ist erheblich größer. Wir werden unser Wahlprogramm bewusst Regierungsprogramm nennen, weil es unser Ziel ist, in dieser Stadt weiter mitzuregieren.
Die Stärke der Grünen ist das eine, die bundesweite Schwäche ihres Koalitionspartners SPD eine andere. Macht Ihnen das Sorgen?
Mir macht insgesamt Sorgen, wie sich CDU und SPD entwickeln, weil das nicht gut ist für die Demokratie. Wir brauchen einen Wettbewerb um die besten Ideen. Wenn man sich auf offener Bühne zerlegt, ist das Politik zum Abgewöhnen.
Aber müssen Sie nicht befürchten, dass die Grünen zwar stark abschneiden, aber ihr SPD-Partner so schwächelt, dass es nicht für die Fortsetzung der Koalition reicht?
Wir warten erstmal ab, wie die Bezirks- und Europawahlen ausgehen. Die Bezirkswahlen werden ja auch „Kleine Hamburg-Wahlen“ genannt, weil sie ein guter Stimmungstest für die Bürgerschaftswahl sein können. Auf diese Wahlauseinandersetzungen legen wir jetzt unsere ganze Kraft.
Viele Hamburger wissen noch nicht so richtig, wofür Bürgermeister Tschentscher steht. Muss er sich stärker profilieren?
Ich arbeite gern mit ihm zusammen. Ich freue mich auch, wie sehr er auf grüne Argumente eingeht und sich einlässt. Das ist ebenso wie seine Dialogorientierung eine Stärke, die nach meiner Überzeugung nicht nur im Senat, sondern auch in der Stadt gut ankommt.
In der Tat wirkt die Positionierung des Bürgermeisters in Teilen so, er wolle die Grünen ökologisch überholen. Wildert die SPD jetzt in Ihren Wählergefilden?
Die Wähler wissen sehr wohl, wer Triebwerk und wer Trittbrett ist bei diesen Themen. Klima- und Umweltschutz ist ja in allen Facetten der Gründungsauftrag der Grünen. Heute ist Ökologie Hightech und Alltag zugleich. Öko ist die Forschung am emissionsfreien E-Flugzeug ebenso wie die bewusste Entscheidung, einen Stoffbeutel mit zum Einkaufen zu nehmen, statt jedes Mal nach einer neuen Plastiktüte zu greifen. Beides gegeneinander zu stellen, das sind Denkschablonen aus den 90ern. Der Klimaschutz ist zur dringenden Menschheitsfrage geworden, und da brauchen wir Grüne viele Mitstreiter. Deshalb freue ich mich, wenn sich die SPD mit dem Bürgermeister in Hamburg auf uns zubewegen will. Ein schöneres Kompliment für grüne Politik kann es doch gar nicht geben, als wenn der Ministerpräsident eines Landes sagt: Das überzeugt mich. Da mache ich mit.