Hamburg. Das Hamburger Energiesparmodell hat bundesweite Vorbildfunktion. Initiative kämpft gegen Änderungen an Prämienkatalog.
Das Modell ist genial einfach und hat an sehr vielen Schulen, bei Lehrern und Schülern zu einem Umdenken in Sachen Klimaschutz und Ressourcenschonung geführt: „fifty/fifty“ heißt das Projekt und das bedeutet, dass die Schule 50 Prozent des Betrages behalten darf, der durch Reduktion von Energie, Wasser und Abfall im Laufe eines Jahres eingespart wird. Die andere Hälfte behält die Stadt ein. Seit die Schulbehörde das Erfolgsprojekt 1994 startete, hat es bundesweit etliche Nachahmer gefunden.
Am Anfang ging es häufig nur darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die Heizungen in den Klassenräumen nachts, am Wochenende und während der Ferien ausgeschaltet werden. Später bauten Schüler im Unterricht Photovoltaikanlagen zusammen oder entwickelten Strategien zur Müllverringerung.
Finanzieller Anreiz
Neben dem pädagogischen Effekt liefert fifty/fifty einen starken finanziellen Anreiz. Rund 1,5 Millionen Euro werden pro Jahr ausgeschüttet. Große Schulen können Prämien bis zu 25.000 Euro kassieren, die dann unter anderem für Klassenfahrten oder die Verschönerung der Gebäude ausgegeben werden können. Mehr als 100 Schulen haben 2016 mehr als zehn Euro pro Schüler aus dem Programm erhalten. Insgesamt nahmen rund 340 der 440 staatlichen und privaten Schulen an fifty/fifty teil.
Doch damit soll jetzt Schluss sein. Auf Initiative der Regierungsfraktionen von SPD und Grünen hat die Schulbehörde ein neues Konzept entwickeln lassen, das fifty/fifty ersetzen soll. Das Prinzip „Je mehr Energieeinsparung, desto höher die Prämie“ wird abgeschafft. Wenn der Energieverbrauch einer Schule im Vergleich zum Vorjahr unverändert ist oder gesenkt wird, sollen pro Schüler pauschal drei Euro ausgezahlt werden. Jeweils drei Euro pro Schüler erhalten die Schulen, wenn sie Klimaschutz-Aktivitäten im Unterricht und darüber hinaus nachweisen, sowie der Verbrauch durch eine gute Abstimmung und Verzahnung zwischen Hausmeister, technischem Personal, Lehrern und Schülern gesenkt wird. Die Erfolge der letzten beiden Teile werden anhand der Antworten in standardisierten Fragebögen bewertet.
Obergrenze für die Prämien
Künftig soll eine Obergrenze für die Prämien eingeführt werden. Schulen mit 1000 und mehr Schülern sollen nicht mehr als 10.000 Euro, Standorte mit 1500 und mehr Schülern nicht mehr als 12.500 Euro pro Jahr erhalten. Nach Angaben des Heidelberger ifeu-Instituts für Energie- und Umweltforschung, das das neue Modell entwickelt hat, können 65 Prozent der Schulen, die 2015 an fifty/fifty teilgenommen hatten, mit einer höheren Prämie rechnen. 35 Prozent der Schulen müssen dagegen Einbußen hinnehmen. In wenigen Fällen sind die Einbußen sehr hoch. Der Gesamtbetrag von 1,5 Millionen Euro soll unverändert bleiben.
Die Initiative „Rettet fifty/fifty“ haben mehrere Lehrer ins Leben gerufen. „Das Leistungsprinzip soll künftig nicht mehr gelten, weil gleiche oder leicht gesenkte Verbrauche genauso prämiert werden, wie hohe Einsparungen. Mit Klimaschutz hat das nichts zu tun“, sagt Thomas von Arps-Aubert, einer der Initiatoren von „Rettet fifty/fifty“. Das neue System sei zudem unfair, weil objektiv gegebene Bedarfsänderungen an einer Schule nicht berücksichtigt würden. „Wenn eine neue Produktionsküche in Betrieb geht, erhöht sich der Stromverbrauch um bis zu 15.000 kWh pro Jahr. Entsprechend wurde der Referenzwert bei fifty/fifty bislang angehoben, künftig nicht mehr“, so von Arps-Aubert.
Aus Sicht der Schulbehörde haben sich die Rahmenbedingungen seit der Einführung von fifty/fifty verändert. Viele Schulgebäude seien saniert oder neu gebaut worden und in energetisch gutem Zustand. Zudem habe die Einführung des Mieter-/Vermieter-Modells dazu geführt, dass die Schulen eine fest vereinbarte Warmmiete zahlen. „Für das erfolgreiche Energiesparprojekt fifty/fifty blieb daher immer weniger Spielraum, denn die rechnerische Abgrenzung zwischen baulich- oder verhaltensbedingten Einsparungen ist in der Praxis schwer möglich“, sagt Behördensprecher Peter Albrecht.
Laut Koalitionsvertrag sollte fifty/fifty erhalten bleiben
Mit dem neuen Konzept wollen die Schul- und Umweltbehörde laut Albrecht Schülerinnen und Schüler motivieren, sich an ihren Schulen im Klimaschutz zu engagieren. „Einsparungen und Prämien sind nun nicht mehr vom baulichen Zustand einer einzelnen Schule abhängig, sondern verfolgen einen stärkeren pädagogischen Ansatz. Das macht das Projekt gerechter und transparenter“, sagt Albrecht.
„Das ist ein großer Irrtum“, entgegnet Thomas von Arps-Aubert, der an einer Berufsschule Politik und Holztechnik unterrichtet. Es gebe weiterhin ein großes Potenzial an verbrauchsbezogenen Einsparungen. Der Pädagoge kennt Schulen, an denen auch heute noch die Heizungen nachts und während der Ferien laufen.
„Fifty/fifty ist eine geniale Art, Schüler am Klimaschutz zu beteiligen. Jeder Schüler sieht, dass sich Energiesparen lohnt“, so von Arps-Aubert, für den das Projekt eine „Win-win-Situation“ ist. „Das Fifty/fifty-Programm wird gesichert und weitergeführt. Das Mieter-/Vermieter-Modell wird entsprechend angepasst“, steht im rot-grünen Koalitionsvertrag. „Davon kann keine Rede mehr sein. Das ist ein politischer Skandal“, sagt von Arps-Aubert. Der Schulausschuss der Bürgerschaft lädt am Donnerstag um 17 Uhr in Raum 151 des Rathauses zur öffentlichen Anhörung über das Schulprojekt ein.