Hamburg. Teil 3: Die Kleinen können Gefahren oft kaum abschätzen – Eltern sorgen sich vor Unfällen, Übergriffen und Betrug. Was die Polizei rät.

Die schreckliche Furcht kommt oft in einem Wimpernschlag: Das ei­gene Kind läuft plötzlich auf eine Straße, ist nicht mehr zu sehen – oder hätte längst von der Schule zu Hause sein müssen. Seinen Nachwuchs zu schützen ist eine Gratwanderung, sagt die Präventionsexpertin Martina Baumgart von der Polizei: „Natürlich haben Kinder nicht immer das nötige Bewusstsein für Gefahren. Es ist aber wichtig, sie es selbst entwickeln zu lassen.“

Ein Blick auf die nackten Zahlen lässt die großen Sorgen der Eltern dabei zuerst übertrieben erscheinen. Laut Statistikamt lebten 2017 in der Hansestadt rund 160.000 Kinder und Jugendliche, die Polizei registrierte im selben Jahr rund 4000 Straftaten gegen Kinder und Jugendliche – im Verhältnis eine geringe Quote von 2,5 Prozent.

Weniger Unfälle im Straßenverkehr

Die Statistik zeigt jedoch auch, dass etwas mehr als 350 Kinder im vergangenen Jahr zum Opfer von teils schwerem sexuellen Missbrauch geworden sind. Die Zahl der Unfälle im Straßenverkehr mit Minderjährigen hat sich im Langzeitvergleich deutlich verringert, stieg zuletzt jedoch wieder leicht an; 671 Kinder bis 14 Jahre wurden dabei im vergangenen Jahr verletzt. Und die „Generation Smartphone“ steht etwa vor der Herausforderung, Abo-Fallen bei der Handynutzung zu entgehen.

„Da Kinder sehr unterschiedlich sind, kann es keine Patentrezepte geben, um jede Gefahr auszuschließen“, sagt Martina Baumgart. Einige Tipps können Eltern aber helfen, ihre Liebsten von der Verkehrserziehung bis zur Pubertät angemessen zu unterstützen – dazu gehören Vertrauen und Ruhe.

Im Idealfall lernen die Lütten etwa schon im Kindergarten die groben Grundzüge des Straßenverkehrs. Zur Einschulung ist es nach Empfehlung der Polizei auch Zeit, grundsätzlich den Weg zur Schule zu Fuß zurückzulegen – um selbstständiger zu werden. „Wir sehen ,Eltern-Taxis‘ eher kritisch, sagt Martina Baumgart. Das Kind mit dem Auto zu bringen gaukele nur ein Plus an Sicherheit vor, schade aber langfristig, weil ein Stück Selbstständigkeit verloren gehen kann.

In Gruppen zur Schule zu gehen nicht immer gut

Am Anfang sollte der Schulweg noch gemeinsam abgegangen werden, zunächst mit vielen Erklärungen für das Kind, dann hält man sich zurück. Wenn die Sicherheit groß genug ist, können Eltern bei einem Durchgang auch schon einmal ein ganzes Stück hinter ihrem Kind laufen. „Oft kann man dann sehen, wie Kinder ihr Selbstvertrauen fassen und auf der Strecke gefühlt um das Doppelte wachsen“, sagt Martina Baumgart.

Allgemein ist es sinnvoll, wenn die Kinder danach immer mit Mitschülern zur Schule gehen – jedoch kommt es auch auf die Gruppendynamik an. „Es kann durchaus sein, dass Kinder in der Gruppe abgelenkt und demzufolge unachtsamer sind. Hier gilt es, immer wieder deutlich auf mögliche Gefahren aufmerksam zu machen“, sagt Martina Baumgart.

Eine zentrale Absprache mit dem Kind dreht sich darum, wer es von der Schule abholen darf – und dass es sich sofort meldet, wenn etwas nicht nach Plan verläuft. „Die Botschaft ist, zu sagen: Du bist mir wichtig – deshalb möchte ich wissen, wo du bist“, so Baumgart. Wenn ein Kind sich doch einmal nicht wie besprochen meldet, ist eine Standpauke der falsche Weg. Besser sei es, zu erklären, warum die Regeln wichtig sind. Zur Standortüberwachung der Kinder per Handy-App rät die Polizei nicht – wenn überhaupt, sollte sie in geringem Maß eingesetzt werden. „Man sollte dem Kind kein Bewacher, sondern ein Begleiter sein“, sagt Baumgart.

Obwohl Eltern häufig in Sorge vor „Mitschnackern“ sind, kommt es nach Erfahrung der Beamten nur sehr selten tatsächlich zu derartigen Fällen. „Kinder haben zum Glück sehr feine Antennen dafür, ob jemand vertrauenswürdig erscheint“, sagt die Expertin.

Sie brauchen aber einige Werkzeuge. Zentral ist die Erfahrung, auch Erwachsenen deutlich „Nein“ sagen zu können – genauso wie ein Verständnis davon, dass es nicht alle „Großen“ gut mit ihnen meinen. Es wird aber geraten, dem Nachwuchs nicht mit Erzählungen von „schwarzen Männern“ oder gar Beschreibung von Sexualtaten zu erschrecken. „Das richtige Maß ist gesunde Vorsicht, nicht Angst.“

Bei „Mitschnackern“ gilt, keine Angst zu machen

Wenn doch etwas Merkwürdiges vorgefallen ist, brauchen auch Eltern Besonnenheit. „Sie sind für die Kinder der große Anker. Wenn Sie in Panik geraten, kann das beim Kind so ankommen, dass es selbst etwas falsch gemacht hat“. Um sein Kind bestmöglich zu schützen, braucht es den Konsens, dass über alle Empfindungen ruhig gesprochen werden kann – dies kann auch ein Faktor sein, falls ein Familienmitglied oder Bekannter jemals versuchen sollte, sich an dem Kind zu vergehen.

Auch das engste Vertrauensverhältnis hat jedoch Grenzen – gegen die Eltern oft dann stoßen, wenn die Kinder ein Smartphone haben. Sie vor dem Anblick von Pornografie oder Gewaltvideos schützen zu wollen ist laut Baumgart nicht realistisch – weil sie leicht über Freunde damit in Kontakt kommen können. Es brauche aber ein Gespräch über gebotene Vorsicht im Internet.

Die richtigen Handyeinstellungen

Sinnvoll kann eine Einstellung im Handy sein, bei der Eltern kostenpflichtige Downloads freischalten müssen. „Das Handy der Kinder zu nehmen und durchzusehen sollte sich verbieten“, so Baumgart. „Das ist für das Vertrauen noch schlimmer, als es früher der Blick ins Tagebuch war.“

In Kooperation mit Polizei und dem Weißen Ring veranstaltet das Abendblatt am 11. November im Museum der Arbeit (Wiesendamm 3) von 11 bis 17 Uhr das „Sicherheitsforum für Hamburg“ mit vielen Experten. Tickets sind für 9 Euro (zzgl. Gebühren) im Internet unter abendblatt.de/leserservice, unter Tel. (040) 30 30 98 98 und in der Abendblatt-Geschäftsstelle (Großer Burstah 18–32) erhältlich.

Die Serie

Teil 1 Wie sicher ist Hamburg

Teil 2 Wie schütze ich mich vor Einbrüchen?

Teil 3 Wie schütze ich meine Kinder?

Teil 4 Wie schütze ich mich vor Taschendiebstahl?

Teil 5 Wie schütze ich mein Fahrrad und mein Auto?

Teil Wie schütze ich mich vor Betrug?