Hamburg. Seit mehr als einem halben Jahr ruhen die Bauarbeiten auf dem Allianz-Areal. Politik spricht von Schandfleck und droht dem Investor.

Der Große Burstah in unmittelbarer Nähe des Rathauses soll zur zentralen Einkaufsmeile des aufstrebenden Nikolai-Quartiers in der Hamburger City werden. In den vergangenen Jahren wurde die Fahrbahn saniert und breitere Bürgersteige angelegt. Die Straße hat inzwischen Boulevardcharakter. Die Investitionen wurden im Rahmen des BID (Business Improvement Districts) Nikolai-Quartier getätigt. Der Große Burstah gehört zu Europas größtem BID, insgesamt beteiligen sich 60 Grundeigentümer mit 9,3 Millionen Euro.

Es könnte alles so schön sein. Doch mitten im Nikolai-Quartier liegt das Allianz-Areal. Auf dem rund 7500 Qua­dratmeter großen Filetgrundstück sollte eigentlich ein Gebäudeensemble mit Einzelhandel, Wohnen und Büros entstehen – auf insgesamt 42.000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche. In einem denkmalgeschützten Gebäude gleich nebenan war ein Designhotel geplant. Aber seit mehr als einem halben Jahr wurde die Bautätigkeit eingestellt. Das 14-geschossige Allianz-Hochhaus wurde bis zur ersten Etage abgebrochen. Seitdem herrscht Stillstand.

Der Investor hat noch keine Baugenehmigung

"Diese Ruine mitten in der Innenstadt unweit vom Rathaus ist ein Schandfleck Michael Osterburg", sagt Grünen-Fraktionschef in Mitte © HA / Klaus Bodig | Klaus Bodig

Das Grundstück gehört der Commerzbank-Tochter Commerz Real, die das Gelände für ihren Fonds Hausinvest gekauft hat. Doch für die Anleger dürfte das kein gewinnbringendes Geschäft sein. Denn immer noch ist völlig unklar, wie es weitergehen soll. Es gibt keinen Termin, wann die Bauarbeiten am Großen Burstah wieder aufgenommen werden sollen. Es liegt nach wie vor noch nicht einmal eine Baugenehmigung vor, wie die Commerz Real auf Abendblatt-Anfrage bestätigte. „Das Brandschutzkonzept für das Bauvorhaben am Großen Burstah war mangelhaft, deshalb konnte keine Baugenehmigung erteilt werden“, sagt Sorina Weiland, Sprecherin des Bezirksamts Mitte. „Inzwischen wurde ein neues Brandschutzkonzept vorgelegt, das nun zunächst einmal geprüft wird.“ Wann die Prüfung abgeschlossen ist, steht nicht fest.

Aber Grund zur Eile gibt es für das Bezirksamt auch nicht. Denn die Commerz Real hat noch keinen Generalunternehmer für das 250-Millionen-Euro-Bauvorhaben. Das bestätigt Commerz-Real-Sprecher Gerd Johannsen auf Anfrage. Allerdings hat das Unternehmen inzwischen andere Pläne: „Das Projekt soll über Einzelvergabe im Rahmen eines Construction-Management-Modells realisiert werden. Das heißt, dass wir wesentliche Aufgaben eines Generalübernehmers wie Planung und Koordination selbst übernehmen und die Gewerke dann einzeln vergeben.“

Kritik an Commerz Real

Eigentlich sollte das neue Quartier Ende 2020 fertiggestellt sein, später war von 2021 die Rede. Doch diese Termine sind inzwischen nicht mehr einzuhalten.

Eine Betonwüste mitten in der Innenstadt: Die Commerz Real hat das Gebäude bis zur ersten Etage abgerissen – seither passiert nichts.
Eine Betonwüste mitten in der Innenstadt: Die Commerz Real hat das Gebäude bis zur ersten Etage abgerissen – seither passiert nichts. © Klaus Bodig / HA

Die Politik beobachtet die Entwicklung am Großen Burstah mit großer Sorge und übt scharfe Kritik an der Commerz Real: „Diese Ruine mitten in der Innenstadt unweit vom Rathaus ist ein Schandfleck. Der Investor scheint dieses Areal als Spekulationsobjekt anzusehen und will offensichtlich so lange warten, bis ein Käufer einen hohen Preis für dieses Filetgrundstück bezahlt“, sagt Michael Osterburg. Der Grünen-Fraktionschef in der Bezirksversammlung Mitte forderte: „Auch wenn noch keine Baugenehmigung vorliegt, müsste die Commerz Real das Gebäude zumindest komplett abreißen, denn dafür liegt eine Genehmigung vor. Der Politik gegenüber haben sich die Investoren bislang nicht geäußert, wie es jetzt weitergehen soll. Das ist wenig professionell.“ Das Allianz-Areal sei sozusagen das letzte Mosaiksteinchen in dem Vorhaben, den Großen Burstah als Quartier zum Wohnen, Arbeiten und als Einkaufsstraße deutlich aufzuwerten, sagt Osterburg.

Auch Tobias Piekatz, SPD-Stadtentwicklungsexperte in der Bezirksversammlung Mitte, hat kein Verständnis mehr für die Verzögerung. „Das amateurhafte Vorgehen der Eigentümer schadet allen und verhindert vermutlich wegen reiner Gewinnmaximierung dringend benötigten Wohnraum und Arbeitsplätze auf diesem zentralen Grundstück.“ Der SPD-Bezirksabgeordnete kündigte an: „Wir fordern eine zügige Umsetzung und werden alle uns zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen.“

Eigentümerwechsel

Nach Abendblatt-Informationen könnte es jedoch durchaus sein, dass das Grundstück bald den Eigentümer wechselt. Denn dem Vernehmen nach sucht die Commerz Real nach einem Käufer für die Fläche. „Wir denken auch über Alternativen nach“, sagt Sprecher Gerd Johannsen. „Sollte ein Verkauf für das Projekt selbst, die Stadt Hamburg und die Anleger unseres Fonds Hausinvest die beste Lösung sein, werden wir uns dem nicht verschließen.“ Es soll auch bereits Verhandlungen mit Hamburger Projektentwicklern gegeben haben.

Eine positive Nachricht gibt es von dem nur wenige Hundert Meter entfernten Bauprojekt am Alten Wall. Dort baut die Art-Invest hinter den denkmalgeschützten Mauern der ehemaligen Vereins- und Westbank ein Ensemble mit einer Mischung aus Büros, Einzelhandel und Gastronomie. Auf Anfrage bestätigte eine Sprecherin, dass nun 3000 Quadratmeter an einen Global Flagship Store vermietet sind. Der Name des Mieters, der im Frühjahr eröffnet, wird noch nicht genannt. In Branchenkreisen ist von der japanischen Modekette Uniqlo die Rede.