Hamburg . Bürgerbündnis „Altstadt für alle!“ präsentiert Ideen zur Erneuerung Hamburgs. Die Stadt soll lebenswerter werden.

Der Ort für die Pressekonferenz war mit Bedacht gewählt: Im elften Stock des früheren Commerzbank-Hochhauses am Brodschrangen, mit fantastischem Blick über die Stadt und auf etliche Kräne, präsentierte die Initiative „Altstadt für alle!“ ihre Ideen für einen Stadtumbau. „Eine mutige, zukunftsweisende Stadterneuerung der Innenstadt ist notwendig – und möglich“, sagte Frank Engelbrecht von der Gruppe „Hamburg entfesseln“. In verschiedenen Diskussionsveranstaltungen und Arbeitsgruppen hatten in den vergangenen Wochen mehr als 400 Menschen ihre Ideen für eine lebendige und vielseitige Innenstadt ersonnen, diskutiert und weitergedacht. Die Ergebnisse dieser Stadtentwicklung von unten beeindrucken.

„Hier ist die Stadt kaputt"

Allen voran der grüne Teppich am Hauptbahnhof Hamburg, den Prof. Marc-Philip Reichwald und Peter-Karsten Schultz vom Architekturbüro ReichwaldSchultz als Vision präsentierten: Über den offenen Gleise südlich des Bahnhofs, dort, wo ein gewaltiges Loch im Herzen der Stadt klafft, sehen die Architekten einen geschwungenen Park. „Das ist ein neuralgischer Punkt“, sagt Reichwald. „Hier ist die Stadt kaputt, alle schauen ins Nichts.“ Ihm schwebt eine einfache Lösung vor, die alles kann: „Dieser Park soll Bahnhof, Museum, Stadt und Bibliothek verbinden.“

Düne und Strand geplant

Die Grünanlage würde auf einem 120 mal 140 Meter großen Hallendach ruhen, die die Innenstadt mit St. Georg und dem Museum „vernähen soll“. Jede Welle soll dabei einen neuen Raum erschließen und verschiedene Nutzungen ermöglichen, etwa mit einer Düne und einem Strand, einer Hügeltribüne wie im Berliner Mauerpark und einem Bachlauf in der Senke. Die prächtigen Gebäude in der Umgebung erhielten endlich einen städtischen Vorplatz. Zudem würden die Gleise über Zugänge von der Altmannbrücke erschlossen.

Erst kürzlich hatten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Bahn-Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla den überlasteten Hamburger Hauptbahnhof besucht. Dabei waren vage Überdeckelungspläne und Erweiterungsideen präsentiert worden. Bis 2030, so die Skizze, sollte die Nordseite überdeckelt und die Südseite des Gebäudes erweitert werden. Nun haben die Visionäre von „Altstadt für alle!“ und ReichwaldSchultz eine weitere Idee aus dem Hut gezaubert, die es wert ist, diskutiert zu werden.

Kulturboulevard bis zur Kunsthalle

Der Wellenpark passt in das Konzept eines Kulturboulevards, den die Initiative vom Oberhafenquartier bis zur Kunsthalle entstehen lassen möchte. „Bislang haben wir dort mit dem Museum für Kunst und Gewerbe, der Kunsthalle oder der Zentralbibliothek nur Kulturinseln, die vom Verkehr zerschnitten werden“, sagt Florian Marten, einer der Gründer der Initiative „Hamburg entfesseln“.

„Altstadt für alle!“ versteht sich als Impulsgeber und Stimme der Zivilgesellschaft in Fragen der Stadterneuerung. Getragen wird die Initiative von der Patriotischen Gesellschaft, der Evangelischen Akademie der Nordkirche und „Hamburg entfesseln“. Schon vor einem Jahr hatte die Initiative mit der Werkstatt „Mut zur Stadt“ einige Ideen zur Wiederbelebung der Innenstadt vorgestellt.

Die Anregungen stießen auf offene Ohren – einige Vorschläge sind bereits in Planung oder Umsetzung. So verweist Wibke Kähler-Siemssen, Geschäftsführerin der Patriotischen Gesellschaft, auf die gemeinsamen Bestrebungen, das Rathausquartier zum funktionierenden Scharnier zwischen Rathaus und HafenCity weiter zu entwickeln.

Die Initiative „Altstadt für alle!“ präsentierte am Montag ihre Ideen für den Umbau der Stadt: Wibke Kähler-Siemssen, Frank Engelbrecht, Rolf Kellner, Jörg Herrmann und Florian Marten (von links)
Die Initiative „Altstadt für alle!“ präsentierte am Montag ihre Ideen für den Umbau der Stadt: Wibke Kähler-Siemssen, Frank Engelbrecht, Rolf Kellner, Jörg Herrmann und Florian Marten (von links) © Marcelo Hernandez

Dabei fällt dem Katharinenviertel eine neue Rolle zu. Der Bezirk will inzwischen auch das in die Jahre gekommene Parkhaus Neue Gröninger Straße durch einen Wohnkomplex ersetzen. Engelbrecht schlägt vor, das Parkhaus zum „Gröninger Hof“ zu transformieren, die Untergeschosse zu erhalten und dort Nachbarschaftseinrichtungen unterzubringen. „Wir setzen uns für ein bunt gemischtes soziales Pilotprojekt mit günstigen Wohnungen, Gemeinschaftsräumen und Gewerbe an diesem Standort ein“, sagt Engelbrecht, der als Hauptpastor von St. Katharinen das Quartier sehr gut kennt.

Neue Funktion der Kirchen

Auch die Kirchen sollen eine neue, erweiterte Funktion bekommen, wie Jörg Herrmann, Direktor der Evangelischen Akademie, skizzierte. Sie könnten sich zu Orten der Kunst, zu Stadthallen weiterentwickeln, in denen Kultur, demokratischer Diskurs und Alltagsthemen mehr Platz finden.

Der Initiative gehen die Ideen damit noch nicht aus, wie ein kleiner Rundgang im Anschluss zeigte. Dabei schwärmte Rolf Kellner von Hafensafari e. V. von einer Inszenierung der Fleete, einem Pontonweg oder schwimmenden Gärten in Form von begrünten Schuten.

„Der Stadtumbau ist in vollem Gang, das sehen wir schon mit den vielen Baustellen rings um das Gebäude der Patriotischen Gesellschaft“, sagt Kähler-Siemssen. Nun kommen zu den Kränen der Investoren noch die Geistesblitze ihrer Bürger. Das muss für die Zukunft der Stadt keine schlechte Nachricht sein.