Hamburg. Die Preise für Wohnungen und Häuser steigen. Ist der Markt noch gesund? Oder stecken wir in einer gefährlichen Preisblase? Die Analyse.

Das Ehepaar aus Winterhude, nach eigenem Bekunden „solvent“, sucht ein „luxuriöses Stadthaus in Harvestehude für „maximal fünf Millionen Euro“. Einem anderen Interessenten wäre eine Eigentumswohnung ab drei Zimmern mit Alsterblick drei Millionen Euro wert. Die Preise für Hamburger Immobilien kennen weiter nur eine Richtung: nach oben. Laut einer aktuellen Studie der Immobilien-Gruppe Ziegert wurden im vergangenen Jahr 278 Eigentumswohnungen zum Preis von mehr als einer Million Euro verkauft. Mehr als 50 Prozent der Immobiliengesuche lag im Segment ab 6000 Euro pro Quadratmeter. Die teuerste verkaufte Wohnung hatte einen Qua­dratmeterpreis von 28.000 Euro.

Nach Daten aus dem „LBS-Immobilienatlas“ für Hamburg sind die Preise für Eigentumswohnungen aus dem Bestand seit 2008 um rund 120 Prozent gestiegen. Die Preise für Einfamilienhäuser nahmen in dieser Zeit um 80 Prozent zu.

Ist aktuell noch der richtige Zeitpunkt, um in Hamburg eine Immobilie zu kaufen?

Auch ein Blick auf die Anzeigen im Abendblatt reicht, um zu erkennen, dass die Preise für Immobilien offenbar keine Grenzen mehr kennen. Ist das noch der richtige Zeitpunkt, um sich den Traum von den eigenen vier Wänden zu erfüllen? Oder werden sich Käufer in ein paar Jahren ärgern?

Die Expertenmeinungen gehen auseinander. „Eine Blasenbildung sehen wir nicht, die Rahmendaten für Hamburg sind nach wie vor sehr günstig“, sagt Lars Seidel, Geschäftsführer beim Makler-Unternehmen Großmann & Berger.

Anders sieht es Wirtschaftsprofessor Karl-Werner Hansmann: „Schon seit Anfang 2016 sind alle von mir entwickelten Kriterien für eine Preisblase erfüllt. Dies zeigt sich vor allem in der Relation zu den Mietpreisen. Die Kaufpreise steigen wesentlich schneller als die Mieten.“

Kaufen oder nicht kaufen? Das Abendblatt nennt die Faktoren.

Der Faktor Lage

Über Jahrzehnte war es der Standardspruch in der Immobilienbranche. Was sind die drei wichtigsten Kriterien beim Kauf einer Immobilie? Antwort: Lage, Lage, Lage. Nur: Gilt das heute noch in einem derart überhitzten Markt? Und: Ist die Lage wirklich das K.-o.-Kriterium bei der Frage, ob sich der Kauf einer Immobilie noch lohnt?

Bei der Suche nach einer Antwort kann es in Deutschland kaum einen besseren Gesprächspartner geben als Matthias Klupp, Chef von Analyse & Konzepte, einer Beratungsgesellschaft in Bahrenfeld für Wohnen, Immobilien und Stadtentwicklung. Mit seinem 20-köpfigen Team sammelt Klupp Daten aus dem gesamten Bundesgebiet.

Für jede Anschrift im gesamten Bundesgebiet kann der Experte mit einem Mausklick die Lagequalitäten einer Immobilie beurteilen – von der Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr über Schulsituation und Einkaufsmöglichkeiten bis zur Einkommenssituation der Bewohner im Quartier – entsprechend kostbar sind diese Daten für professionelle Immobilienentwickler.

Klupp beobachtet sei Jahren zunehmende „Überschwapp-Effekte“. Die Lagen in unmittelbarer City-Nähe seien inzwischen für die meisten Erwerber viel zu teuer: „Die Wellen gehen immer weiter in die äußeren Stadtgebiete und ins Umland“, analysiert Klupp. Entsprechend begehrt seien Quartiere wie Barmbek-Nord oder Stellingen, auch im Speckgürtel würden die Preise steigen. Und genau bei Käufen im Umland sieht Klupp eine Gefahr: „Viele Käufer unterschätzen die Mobilitätskosten. Sie vergleichen nur den Preis der Immobilie. Denn diese Kosten fallen auf einen Schlag an, die hohen Pendlerausgaben verteilen sich dagegen über Jahre.“

Pendeln lohnt sich nicht

Für den Haus- und Grundstückseigentümerverband hat Klupp mit seinem Team den Preis fürs Pendeln untersucht – sowohl mit dem öffentlichen Nahverkehr als auch mit dem privaten Pkw. Die Untersuchung ist zwar von 2014, die Kernaussage aber nach wie vor aktuell: Die Mobilitätskosten fressen den Kostenvorteil durch das Wohnen im Umland wieder auf, selbst unter Einrechnung der Pendlerkostenpauschale. Klupp ermittelte monatliche Kosten von über 1000 Euro im Monat für Pendler aus Stade mit einem privaten Auto der gehobenen Mittelklasse. Hinzu kommt der Zeitaufwand. Wer aus Lüneburg in die Stadt pendelt, sitzt im Vergleich zu einem Arbeitnehmer aus Niendorf drei Arbeitswochen (148 Stunden) pro Jahr länger in Auto, Bus oder Bahn.

„Wer sich für eine Immobilie weiter außerhalb der Stadt entscheidet, sollte dort am besten mehrere Wochen in ein Hotel ziehen und dabei auch prüfen, wie sehr das Pendeln nervt“, empfiehlt Alexander Krolzik, Immobilienexperte der Verbraucherzentrale.

Auch für Seidel wird die Nähe zum öffentlichen Nahverkehr „immer wichtiger“: Die Empfehlung des Geschäftsführers bei Grossmann & Berger: „Mehr als zehn Fußminuten zur nächsten Station im HVV sollten es nicht sein.“ Ahrensburg ist für ihn ein Musterbeispiel: „Da brauchen Sie mit dem Regionalexpress nur 15 Minuten.“

Quartiere wie Schnelsen, Eidelstedt, Rothenburgsort oder Heimfeld würden sich weiterentwickeln wie derzeit Barmbek-Nord. Grossmann & Berger nennen sie „Rising Stars“: aufgehende Sterne. Mit einem „besonderem Nachfrage- und Preisentwicklungspotenzial“. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass der Senat erst 2015 Quartiere in Eidelstedt mit Blick auf den Sozialstatus zu besonderen Fördergebieten erklärt hat. Wie sehr kann sich ein Stadtteil verändern? Und was passiert dann mit den Bewohnern, die auf niedrige Mieten angewiesen sind?

Der Faktor Bevölkerungszuwachs

Derzeit leben in der Hansestadt 1,82 Millionen Menschen auf einer Fläche von 755 Quadratkilometern. Laut Prognose der Behörde für Stadtentwicklung wird Hamburg bis 2030 um 100.000 Einwohner wachsen. Die Rechnung scheint klar: Mehr Bevölkerung sorgt für mehr Nachfrage nach Wohnraum – also werden Immobilien immer teurer.

Aber so einfach ist das nicht. Prognosen sind eben nur Prognosen – mehr nicht. Dass sich auch Experten irren können, zeigte sich Anfang der 1980er-Jahre, als Stadtplaner angesichts des steten Rückgangs der Bevölkerung – von 1,85 Millionen (1965) auf 1,571 Millionen (1986) – an Konzepten gegen drohenden Leerstand arbeiteten.

„Ich bin immer skeptisch, wenn lineare Prognosen einfach fortgeschrieben werden. Die Lebenserfahrung zeigt, dass es immer unerwartete Ereignisse gibt. Denken Sie nur an eine mögliche neue Euro-Krise“, warnt Thomas Krebs, Vorstandssprecher der Saga, mit 130.000 Wohnungen mit Abstand größter Vermieter der Hansestadt. Auch eine Rezession würde gerade Hamburg als Hafenstadt hart treffen.

Doch selbst wenn Hamburg wie prognostiziert wachsen sollte, bleibt ungewiss, wie sich dies auf die Immobilienpreise auswirken wird. Laut Analyse & Konzepte resultiert der Bevölkerungszuwachs vor allem aus Zuzügen aus dem Ausland. Dabei handele es sich „weitaus überwiegend um Haushalte mit geringen oder mittleren Einkommen“. Diese Klientel hat finanziell kaum eine Chance auf den Erwerb einer eigenen Immobilie. Umkämpft werden auch in der Zukunft mehr denn je preisgünstige Mietwohnungen.

Mit durchaus gemischten Gefühlen beobachtet Prof. Hansmann die Losung „Bauen, Bauen, Bauen“ der wachsenden Stadt. Grundsätzlich sei der Kurs zwar richtig: „Doch im Gegensatz zu anderen Waren können neue Immobilien nicht beliebig oft erstellt werden. Sie brauchen ja Grundstücke, deren Angebot jedoch immer knapper wird. Die Nachfrage verlagert sich auf Bestandsimmobilien, deren Preise jetzt sogar stärker steigen, was zu einem Herdentrieb führt.“ Die Leute würden denken, man müsse jetzt noch auf den fahrenden Zug aufspringen: „Und genau das ist in der Wirtschaft immer gefährlich.“

Der Faktor Zins


Wie niedrig die Hypothekenzinsen trotz eines zuletzt moderaten Anstiegs immer noch sind, zeigt ein Blick zurück: 2008 lagen die Zinsen für ein Hypothekendarlehen (zehn Jahre) mit vier Prozent rund dreimal so hoch wie heute. Das billige Geld hat maßgeblich zum Bauboom, aber auch zu einem guten Teil zu den Preissteigerungen beigetragen.

Nur: Was passiert, wenn die Zinsen steigen? „Dann kriegen wir ein Riesenproblem“, sagt Andreas Breitner, Direktor des Verbands Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW). Ein Zinsanstieg würde den Bauboom gefährden.

Für Interessenten, die jetzt bauen oder kaufen, muss dies keine schlechte Nachricht sein. Im Gegenteil. „Wenn weniger gebaut wird, weil sich etwa Investoren bei Zinssteigerungen wieder andere Anlagemöglichkeiten suchen, wird das Angebot an Neubauwohnungen knapper. Das könnte dafür sorgen, dass die eigene Immobilie eher an Wert gewinnt“, sagt Klupp.

Die Gefahr lauert woanders. Prof. Hansmann befürchtet „ein böses Erwachen für viele Immobilienbesitzer, wenn ihre Zinsbindung ausläuft“. Seit Jahren beobachtet der Ökonom, dass Käufer zu niedrige Tilgungsraten vereinbaren – entsprechend hoch sei dann noch das Restdarlehen: „Die Anschlussfinanzierung kann dann so teuer werden, dass es für manche schwierig wird.“

Der Faktor Qualität

Als Immobilien-Spezialist ist Verbraucherschützer Alexander Krolzik Kummer gewohnt. Doch die zu prüfende Wohnung in Eppendorf, mit 100 Qua­dratmeter für 300.000 Euro eigentlich ein Schnäppchen, machte selbst den erfahrenen Juristen fassungslos: „In Wahrheit bestand die Wohnung aber aus drei kaum bewohnbaren Einheiten. Eine im Souterrain mit Lehmboden, eine war der Eingang zu einem ehemaligen Bordell, die dritte wurde abgeschattet durch den Bau von Balkonen. Zudem wohnten dort noch Personen, die nicht erreichbar waren, ohne gültigen Mietvertrag.“

Für Krolzik zeigt dies die Auswüchse eines Marktes, der keine Grenzen mehr zu kennen scheint. Er rät Käufern: „Schalten Sie einen Gutachter ein, die Kosten von 500 bis 1000 Euro sind angesichts des Kaufpreises zu verkraften.“

Auch beim Neubau häufen sich Klagen über Pfusch. Nach einer Untersuchung des Bauherren-Schutzbundes müssen sich Bauherren im Schnitt auf 20 meist schwerwiegende Mängel während der Bauzeit gefasst machen. Umso mehr kann es sich lohnen, Experten zu verpflichten, die den Bau begleiten. Erfahrene Architekten der Verbraucherzen­trale prüfen dabei auch den Schallschutz und die Wärmedämmung.

Der Faktor Glück

Das kleine Wort mit nur fünf Buchstaben verschwindet schnell beim Immobilienkauf zwischen Zins, Tilgung und Kaufvertrag. Und doch ist es am Ende die wichtigste Frage: Beschert mir der Erwerb Glück, mehr Lebensqualität? Für Lars Seidel ist die Antwort klar: „Wer kauft, kann individueller leben. Kaum ein Mieter würde sich einen Jacuzzi oder eine Sauna in sein Badezimmer einbauen lassen, das lohnt nur für Käufer. Das Gleiche gilt für eine Traumküche.“

In der Tat sagen viele Käufer, dass das Gefühl, sein eigener Herr zu sein, unbezahlbar sei. Keine Angst mehr haben zu müssen vor Mietsteigerungen oder vor einer Eigenbedarfskündigung. Und zu wissen, dass man sich – wenn die Immobilie abbezahlt ist – auch als Rentner das Leben in Hamburg leisten kann. „Wer die nächsten 20, 30 Jahre dort wohnen bleiben möchte, macht mit einem Kauf auch im Hinblick auf die Altersvorsorge alles richtig“, sagt Seidel.

Aber es gibt eben auch die andere Sicht. Die Angst vor dem Leben mit einer hohen Kreditlast. Die Sorge, das falsche Objekt zu kaufen. Im „Stern“ hat ein Journalist aufgeschrieben, wie sehr er und seine Familie das quirlige Ottensen – dort waren die Preise unerschwinglich – nach dem Kauf eines Hauses im Umland vermissten. So sehr, dass sie das Haus wieder verkauft haben – und nun wieder zur Miete in Ottensen leben. Sein Fazit: „So läuft das Leben manchmal. Du hattest ein Haus. Jetzt bist du wieder: zu Hause.“

Immobilienmesse in Hamburg

Wer überlegt, eine Immobilie zu erwerben, kann sich am Wochenende auf der Hamburger Immobilienmesse bei Bauträgern, Maklern und Finanzierern im Cruise Center Altona informieren.