Hamburg. Laut einer Studie ist bereits ein Drittel der Hamburger Stadtfläche versiegelt. Experten warnen vor den Folgen bei Extremwetter.
Mehr Beton, weniger Grün: Dieser Eindruck täuscht angesichts des ambitionierten Hamburger Wohnungsbauprogramms nicht, die versiegelte Fläche der Stadt nimmt tatsächlich zu. Laut einer aktuellen Untersuchung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sind inzwischen gut 36 Prozent bebaut oder werden als Verkehrsfläche genutzt. Hamburg hat demnach einen der höchsten Anteile an versiegelter Fläche unter den 50 größten Städten des Landes. Deutschlandweit rangiert die Hansestadt auf Platz 15. Den höchsten Versiegelungsgrad hat München mit 47 Prozent, auch Berlin (39) und Frankfurt am Main (37) sind dichter bebaut. Andererseits weisen Städte wie Köln (34 Prozent) und vor allem Potsdam (13 Prozent) deutlich geringere Werte aus.
Der GDV als Auftraggeber der Studie warnt vor der zunehmenden Bebauungsdichte als Gefahr bei extremen Niederschlägen. „Je mehr Flächen bebaut sind, desto weniger Wasser kann versickern“, sagt Studienleiter Artur Kubik. Die Folge seien lokale Überflutungen und Stauwasser, die hohe Sachschäden hervorrufen können. GDV-Geschäftsführer Bernhard Gause appelliert deshalb, Konzepte wie die Schwammstadt, die Städtebau und Starkregenschutz in Einklang bringt, weiter zu verfolgen. Dazu gehören begrünte Dächer, zusätzliche Rückhaltebecken oder Spiel- und Fußballplätze als temporäre Überflutungsflächen. Auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) schlug jüngst vor, mehr Grün in die Städte zu holen.
Freiflächen mehr Bedeutung beimessen
Überraschend an den GDV-Ergebnissen sei laut Hamburger Naturschutzbund (Nabu) das schlechte Abschneiden Hamburgs – noch hinter Bremen, Dortmund oder Stuttgart. Eike Schilling, Nabu-Experte für Gewässerschutz, fordert deshalb, den verbliebenen Freiflächen mehr Bedeutung beizumessen. 23.000 Hamburger hatten zuletzt die Volksinitiative „Hamburgs Grün erhalten“ unterstützt. „Der Grünerhalt ist wegen klimatischer Funktionen und als Erholungsfläche wichtig“, sagt Schilling. Zumal auch aus Nabu-Sicht der zunehmende Versiegelungsgrad das Hochwasserrisiko steigere. 2011, 2014 und 2018 haben lokale Überschwemmungen diese Befürchtung bestätigt.
Mit Projekten wie „Risa“, der Regeninfrastrukturanpassung Hamburgs, rüste sich die Stadt zwar. Allerdings müsste die Umsetzung forciert werden, so der Nabu. Das städtische Unternehmen Hamburg Wasser, dessen Kanalisation bei Starkregen bisweilen an die Grenzen gerät, versichert aber, dass in neuen Quartieren, etwa in Oberbillwerder, schon bei der Planung darauf geachtet werde, dass Regen nicht oder technisch verzögert in die Kanalisation gelange. Insgesamt, sagt Sprecher Ole Braukmann, sei Hamburgs Klimafolgenmanagement bundesweit ausgereift. Hamburg Wasser baue derzeit in bis zu 30 Metern Tiefe neue, leistungsfähige Siele zwischen Weidenstieg und Hafenstraße sowie zwischen Alter Elbpark und Stephansplatz.
Behörde bestätigt Anstieg der versiegelten Flächen
Auch das Förderprogramm der Umweltbehörde für die Dachbegrünung und die Einführung der Niederschlagswassergebühr seien wegweisend. Seither sei die Niederschlagswasserbeseitigung „grundstücksscharf“ und gerechter, da nur tatsächlich versiegelte, an die Kanalisation angeschlossene Flächen berechnet werden. Der Anreiz, Sickerflächen zu behalten, sei damit gegeben.
Die Umweltbehörde bestätigt den leichten Anstieg der versiegelten Flächen, ihrer Berechnung nach von 38 auf 39 Prozent. Die GDV-Methodik sei nahezu deckungsgleich mit der amtlichen. Die Behörde stelle sich auf prognostizierte Extremwetterlagen ein. Neben „Risa“ und Gründachstrategie werde etw mit dem „Naturcent“ bei der Bebauung von Flächen Geld für Grün bereitgestellt. Parks, Spielplätze, aber auch Maßnahmen zur Versickerung oder Klimaanpassung würden damit finanziert. Dem Bestreben, die Stadt vor einer Zupflasterung zu schützen, steht allerdings die Nachverdichtung entgegen, die zum Alltagsbild in Hamburg gehört.
In der GDV-Studie liegen Oberhausen und Hannover mit einem Versiegelungsgrad von 44 und 43 Prozent knapp hinter München. Außer Potsdam, der am geringsten verbauten Großstadt Deutschlands, haben auch Freiburg, Hamm, Münster, Saarbrücken, Heidelberg, Hagen und Erfurt (jeweils unter 20 Prozent) viel unbebauten Raum.