Hamburg. Alster, Rathaus, Elbphilharmonie: Wie Peter Tschentscher den Ministerpräsidenten die Stadt von ihrer besten Seite zeigt.

15 Monate nach G20 weht am Donnerstag wieder ein Hauch großer Politik durch Hamburg. Rund um die Alster ist eine Menge Polizei unterwegs, hier und da ist ein Martinshorn zu hören, vereinzelt flackert ein Blaulicht über das Wasser. Doch im Gegensatz zum ausufernden Weltereignis im Juli 2017 ist alles ein paar Nummern kleiner: Flogen damals mächtige Militärhubschrauber den US-Präsidenten samt Entourage bei schönstem Sommerwetter zum Gästehaus des Senats, fahren an diesem regnerischen Herbsttag nur ein paar dunkle Limousinen an der Schönen Aussicht vor und setzen Politiker wie Tobias Hans, Reiner Haseloff und Dietmar Woidke ab – Namen, die vermutlich vielen Hamburgern nichts sagen.

Wer dagegen Manuela Schwesig, Armin Laschet oder Winfried Kretsch­mann hört, wird schon eher ahnen, worum es geht: Es ist Ministerpräsidentenkonferenz. Hamburg hat seit dem 1. Oktober den Vorsitz in der Runde der 16 Bundesländer und darf daher das zweitägige Treffen der Regierungschefs ausrichten. Und wie bei solchen Anlässen üblich, nutzt Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) die Chance, den Kollegen einige Vorzüge „seiner“ Stadt zu präsentieren.

Familienfoto im Rathaus

Vom herrschaftlichen Gästehaus des Senats am Feenteich, in dem 2017 noch Donald Trump genächtigt hatte und in dem nun ein kurzes Mittagessen (geräucherter Lachs, rosa Rinderrücken von den Halligen, Birnen-Sauerrahm-Mousse mit Schoko-Eis) serviert wird, geht es per Schiff Richtung Rathaus. Als um 13.36 Uhr, mit mehr als einer halben Stunde Verspätung, der „Alsterschwan“ am Reesendamm anlegt, haben sich dort schon etliche Schaulustige versammelt – die meisten von ihnen wohl angelockt von den weiträumigen Absperrungen am Rathausmarkt und den vielen Fernsehteams, die auf ihren Einsatz warten.

„Wissen Sie, was hier los ist“, fragt ein Passant mit Einkaufstasche. Ministerpräsidentenkonferenz? „Ach so“, sagt der Mann und geht weiter. Lothar Firsov beobachtet das Schauspiel hingegen interessiert. Als der Tourist aus Nordrhein-Westfalen von der Konferenz hört, ist er etwas enttäuscht. „Ich dachte schon, dass Tina Turner kommt.“ Er hatte irgendwo gelesen, dass die US-Sängerin gerade in Hamburg sei. Leider ist sie schon wieder abgereist.

Aber dafür sind jetzt Armin Laschet & Co. da – und die haben Glück: Während das „Familienfoto“, das eigentlich auf dem Rathausmarkt gemacht werden sollte, wegen des Schmuddelwetters vorsorglich nach drinnen verlegt wurde, reißt der Himmel jetzt kurz auf, und die Politiker kommen trockenen Fußes ins Rathaus.

Weils Neid auf Tschentscher

Beim Fototermin im Großen Festsaal bestätigt sich, was Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) dem Abendblatt kurz vor der Konferenz im Interview sagte: Obwohl sie vier verschiedenen Parteien angehören, stimmt die Chemie unter den Länderchefs überwiegend. Dass Bayerns Markus Söder (CSU, Koalitionsverhandlungen) und Hessens Volker Bouffier (CDU, Wahlkampf) abgesagt haben, tut der guten Stimmung keinen Abbruch. Man kennt sich, es wird gescherzt, viele sind per Du, die Sozialdemokraten ohnehin.

„Es ist der Sinn dieser Ministerpräsidentenkonferenz, dass die Länder sich ihrer Position vergewissern und gemeinsam eine Position gegenüber dem Bund vertreten“, sagt Tschen­tscher vor Beginn der ersten Besprechung. Nach seiner Beobachtung sei der Funke der Hamburg-Begeisterung bereits auf die Kollegen übergesprungen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) bestätigt das und zeigt sich nach dem Alstertörn angetan: „Ich glaube, dass viele von uns den Hamburger Bürgermeister beneiden. In meinem nächsten Leben überlege ich mir, ob ich in meiner Geburtsstadt Hamburg doch bleibe.“

Zu den großen Themen der Konferenz, die abschließend am Freitagvormittag besprochen werden, zählt außer der Finanzierung der Flüchtlingshilfe vor allem die Digitalisierung. Tschen­tscher begrüßt, dass der Bund von 2019 an die Länder für fünf Jahre mit insgesamt fünf Milliarden Euro unterstützen will, um Schulen mit moderner Technik auszustatten. Dass einige Länder die stärkere Einmischung des Bundes in die Bildungshoheit der Länder kritisch sehen, sei ihm bewusst. „Aber wir leben ja in einer praktischen Welt und müssen die Probleme lösen.“

Zum Ausklang in die Elbphilharmonie

Auch für eine mögliche Grundgesetzänderung zeigte sich der Bürgermeister offen: „Wenn es die finanzielle Unterstützung des Bundes geben soll, muss es auch einen klaren rechtlichen Rahmen geben.“ Sachsens Ministerpräsident Kretschmer plädiert im Abendblatt-Gespräch hingegen dafür, die Verantwortung der Länder bei Bildungsthemen nicht zu beschneiden.

Nach der Vorbesprechung zieht der Tross weiter zum Fischmarkt – und von dort per Schiff zum Airbus-Werk auf Finkenwerder. „Wir müssen auch darauf hinweisen, dass Hamburg einen großen Teil der Wirtschaftskraft Deutschlands ausmacht“, begründet Tschentscher den Abstecher zur drittgrößten Flugzeugschmiede der Welt.

Zum Ausklang des Tages schippern die Regierungschefs – wohin sonst? – zur Elbphilharmonie. Dort wartet eine Überraschung: Während offiziell „nur“ ein Abendessen im Kleinen Saal angesetzt ist und zur Enttäuschung einiger Teilnehmer keine Musik, treten dann doch die Philharmoniker unter der Leitung von Kent Nagano auf. Unabhängig von den heiklen Themen und den Beschlüssen am Freitag gilt also: In dieser Konferenz ist Musik drin.