Hamburg. Die Aufgaben und die Arbeitsbelastung der Bürgerschaft sind gestiegen. Kommission will einen Vorschlag vorlegen.

Die Mandatsniederlegung der Grünen-Abgeordneten Stefanie von Berg hat eine Diskussion über die Vereinbarkeit von Beruf, Mandat und Familie in der Bürgerschaft ausgelöst. „Wir laufen Gefahr, dass wir die Besten verlieren und die Guten nicht mehr bekommen“, sagte Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) auf Anfrage.

Im Gespräch mit dem Abendblatt hatte Stefanie von Berg angekündigt, sie verlasse die Bürgerschaft zum 1. November, weil sie die Doppelbelastung ihrer beruflichen Tätigkeit und die Ausübung des Mandats nicht mehr schultern könne. Die Grünen-Politikerin, die auf eine Arbeitszeit von 60 bis 80 Stunden pro Woche kommt, ist Leiterin des Studienseminars für berufliche Schulen in Stade und Vorsitzende des Schulausschusses der Bürgerschaft sowie schul- und religionspolitische Sprecherin ihrer Fraktion.

Veit berichtete von häufigeren Gesprächen mit Abgeordneten, die sich an sie wendeten, um auf ihre Probleme hinzuweisen, Beruf, Mandat und auch Familie unter einen Hut zu bekommen. Die Bürgerschaft ist offiziell ein Teilzeit-Parlament, und entsprechend ist auch das Entgelt, wie die Diäten für die Abgeordneten in Hamburg genannt werden: derzeit 2833 Euro pro Monat. Hamburg ist damit bundesweit Schlusslicht unter den Landtagen. Untersuchungen zur Arbeitsbelastung der Abgeordneten haben ergeben, dass der Aufwand für die Mandatsübung eher einem Vollzeitjob entspricht.

Arbeitsfeld hat sich ausgeweitet

Spätestens seit der Einführung von Wahlkreisen hat sich das Arbeitsfeld der Parlamentarier ausgeweitet. Mit den Stimmen aller sechs Fraktionen hat der Verfassungsausschuss – bislang wenig beachtet – Ende 2017 die fünfköpfige Diätenkommission gebeten, sich grundsätzlich mit der Frage zu beschäftigen, ob die Höhe des Entgelts noch angemessen sei. Die Diätenkommission macht üblicherweise Vorschläge zur Anpassung der Diäten an die allgemeine Preisentwicklung.

Laut Protokoll der Ausschusssitzung wiesen die SPD-Abgeordneten darauf hin, dass es „besonders für Abgeordnete, die einer Berufstätigkeit nachgingen und eine Familie hätten, oft schwierig sei, diese mit dem Mandat zu vereinbaren“. Es gebe eine „Rekordzahl von Ausschüssen, wodurch die Beanspruchung in dieser Legislaturperiode deutlich zugenommen habe“. Die Entwicklung treffe die kleineren Fraktionen in besonderem Maße.

„Es gehe nicht darum, die Diäten unangemessen in die Höhe zu treiben, sondern vielmehr verfassungsrechtlich grenzwertige Umstände für die Unabhängigkeit der Abgeordneten zu beheben“, erklärten die SPD-Abgeordneten laut Protokoll. Zum Teil verdienten in Vollzeit angestellte Mitarbeiter einzelner Abgeordneter mittlerweile mehr als die Abgeordneten selbst. Die Linke-Fraktion stellt fest, dass es für die Abgeordneten kleinerer Fraktionen „fast ausgeschlossen ist, das Mandat mit einer Berufstätigkeit zu verbinden“, wenn sie in drei oder mehr Ausschüssen sitzen. Die Abgeordneten der anderen Fraktionen äußerten sich ähnlich.

Schaffung eines Vollzeitparlaments

Noch hat die Diätenkommission keinen Vorschlag gemacht. Nach Informationen des Abendblatts sehen deren Mitglieder aber den Handlungsbedarf. „Wenn wir die Arbeit ernst nehmen, sollte es zu einer deutlichen Erhöhung der Diäten kommen“, sagte auch Veit, ohne dem Votum der Kommission vorgreifen zu wollen.

Die Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses erhalten 3840 Euro pro Monat – rund 1000 Euro mehr als ihre Hamburger Pendants. Nach Einschätzung von Experten sind Arbeitsbelastung, Umfang der Aufgaben und Rahmenbedingungen beider Parlamente vergleichbar. Vielleicht wird also Berlin ein Vorbild für Hamburg sein.

Nach der Mandatsniederlegung von Stefanie von Berg hatte Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks dazu aufgefordert, über die Schaffung eines Vollzeitparlaments nachzudenken. CDU-Fraktionschef André Trepoll sagt dazu: „Wir wollen nicht die rote Linie hin zu einem Berufsparlament überschreiten. Richtig ist aber auch, dass die Arbeitsbelastung der Parlamentarier enorm gestiegen ist. Es wäre daher wichtiger, die Abgeordneten besser bei der Mandatsausübung zu unterstützen.“ Und SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf sagt: „Im Vergleich zu anderen Landesparlamenten liegt Hamburg, was die Vergütung der Abgeordnetentätigkeit angeht, deutlich an letzter Stelle.“

Auch die Vorsitzenden der übrigen Fraktionen wollen den Vorschlag der Kommission abwarten. Grünen-Fraktionschef Tjarks will eine mögliche Erhöhung der Abgeordnetendiät mit der Diskussion darüber verbinden, ob nicht ein Berufsparlament die angemessene Antwort auf die gestiegenen Anforderungen an die Abgeordneten ist.