Hamburg. Elbphilharmonie, Hafen und – Sternwarte. Beim Tourismus-Tag ächzen Experten über Zustände wie in Rom. Doch es gibt Auswege.
1,48 Millionen Übernachtungen im August – noch nie waren so viele Gäste in Hamburg wie in diesem Sommer. Ende des Jahres wird wahrscheinlich die Rekord-Marke von 14 Millionen Besuchern jährlich geknackt. Beim Hamburger Touristen-Tag in der Handelskammer hätten sich die Vertreter der Branche eigentlich auf die Schulter klopfen können. Doch so viel Wachstum, sorgten sich viele der 300 Anwesenden, wie soll das die Stadt vertragen? Wie weit entfernt ist man dann noch von Szenen wie in Rom, wo sich am Trevi-Brunnen kürzlich eine Massenschlägerei um den besten Selfie-Standort ereignete?
Bislang fühlen sich nur acht Prozent der Hamburger durch Touristen gestört, in Szene-Bezirken wie St. Pauli sieht es mit der Zustimmung allerdings schon anders aus. „Wenn ich diese Bierbikes schon sehe – wer braucht denn so eine Art von Tourismus?“, fragte etwa Dehoga-Präsident Franz Klein.
Tourismus? Im Gastgewerbe fehlen 5000 Fachkräfte
Rund 1700 Unternehmen gehören dem Hamburger Hotel- und Gaststättenverband an, sie alle sollten eigentlich ein Interesse an steigenden Besucherzahlen haben, doch Klein wies darauf hin, dass aktuell 5000 Fachkräfte fehlen. Es müsse dringend über flexiblere Arbeitszeitmodelle nachgedacht werden, um die Jobs in der Branche attraktiver zu gestalten. Außerdem sei es bei den vielen Hoteleröffnungen in diesem und im kommenden Jahr nicht sicher, ob Hamburg seinen Status als Stadt mit der besten Auslastung Deutschlands so halten könne. „Zum ersten Mal wächst das Angebot schneller als die Nachfrage, wir müssen richtig Gas geben“, warnte Klein.
Michael Otremba, Geschäftsführer der Hamburg Tourismus GmbH, verteidigte das Wachstum: „Wie haben nun jeden Tag 830 Gäste mehr in der Stadt – kann unsere Stadt das vertragen? Ich finde schon. Ja, die City ist manchmal voll, aber wir sind ja auch eine Metropole! Wir haben hier keinen Overtourismus! Das Wachstum ist für mich alternativlos, es darf nur nicht unkontrolliert sein, denn wir haben auch eine Verantwortung für die Lebensqualität der Einheimischen.“
Wie die Touristen den Hamburger nützen
Auch der Präses der Handelskammer Tobias Bergmann sagte, die Stadt Hamburg profitiere als gesamter Wirtschaftsstandort vom Tourismus: „Ohne unsere Gäste hätten wir weder eine solche Taktung bei den öffentlichen Verkehrsmitteln noch ein solche gastronomische Vielfalt.“
Einig waren sich alle darin, nicht nur an der Beziehung zwischen Einheimischen und Gästen arbeiten zu müssen, sondern vor allem auch die Touristenströme besser verteilen zu müssen. Doch wie soll das funktionieren? Im Zweifel wollen sich alle die Elbphilharmonie, das Rathaus und die Reeperbahn angucken. Die Hamburger Tourismus GmbH will daher künftig verstärkt Ziele außerhalb des Zentrums bewerben wie beispielsweise Bergedorf.
Hotspot Bergedorf: Sternwarte und Vier- und Marschlande
Gerade wurde ein Bergedorfer Tourismus-Konzept erstellt, in dem gezielt für die Sternwarte, das Schloss und Entdeckungstouren in die Vier- und Marschlande getrommelt wird. „Die hiesigen Unternehmen tun sehr viel, um auch was vom Kuchen abzubekommen“, sagte Ulf-Peter Busse von der "Bergedorfer Zeitung". So werde beispielsweise jedes Jahr ein eigener Stand auf der Reisemesse und dem Hafengeburtstag organisiert. Doch das reicht nach Ansicht von Busse nicht aus: „Was uns Bergedorfern fehlt, ist ein Tourismus-Manager!“ Der müsste natürlich bezahlt werden, am liebsten vom Bezirk und Hamburg-Tourismus.
Norbert Aust, Vorstandsvorsitzender des Tourismusverbands, reagierte zaghaft auf diese Forderung: „Man muss alle Hamburger Bezirke gleich behandeln!“ Er lobte jedoch, wie professionell Bergedorf sich um die Touristen bemühe und versprach: „Wir können niemanden zwingen, in die Stadtteile abseits der Hotspots zu fahren, aber wir müssen die Angebote in den Bezirken attraktiver machen.“
Neben Bergedorf sehen die Vertreter der Hamburg Tourismus Gmbh (HHT) auch in Harburg großes Potenzial. Auf Nachfrage des HHT hat der Bezirk 20 Flächen definiert, auf denen Platz für Hotels wäre. So können nun konkret Investoren angesprochen werden. „Die Ansiedlung neuer Hotels ist ein wichtiges Steuerungselement, um Touristenströme zu lenken“, sagt HHT-Sprecher Sascha Albertsen.