Hamburg. Trotz Besucherrekorden sind die Einnahmen des Unternehmens stark gesunken. Zahlen sollten noch gar nicht an die Öffentlichkeit.
Die Entwicklung von Hamburg als Reiseziel ist eine Erfolgsgeschichte. Jedes Jahr werden neue Rekordzahlen verkündet. Allein von Januar bis Ende Juni wurden nach Angaben des Statistikamtes Nord rund 6,8 Millionen Übernachtungen verzeichnet, ein Zuwachs von 4,6 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Eigentlich müsste von diesem Boom auch die städtische Hamburg Tourismus GmbH (HHT) profitieren. Doch der Umsatz des Unternehmens bricht nach Abendblatt-Informationen ein: Im ersten Halbjahr dieses Jahres hat die HHT 21,4 Millionen Euro eingenommen. Das sind rund 3,8 Millionen Euro weniger als im Vorjahreszeitraum.
So sind zum Beispiel die Umsätze durch die Vermittlung von Eintrittskarten für Konzerte und Musicals von 8,2 Millionen auf 6,3 Millionen Euro zurückgegangen. Die Vermittlung von Paketangeboten für Reisen nach Hamburg hat im ersten Halbjahr 2018 nur noch 9,7 Millionen Euro eingebracht, im ersten Halbjahr 2017 waren es noch 11,4 Millionen Euro.
Digitale Services als neue Strategie
Diese negative Entwicklung sorgt nach Abendblatt-Informationen hinter den Kulissen für Diskussionen. Zumindest einzelne Mitglieder des Aufsichtsrats der HHT sollen immer wieder auf ihren Sitzungen Kritik geäußert haben. Auf Anfrage sagte Tourismusstaatsrat Andreas Rieckhof (SPD) dem Abendblatt: „Der Umsatzrückgang ist natürlich nicht zufriedenstellend. Die HHT wird aber wie in den Vorjahren ein ausgeglichenes Jahresergebnis erzielen.“
Zu der neuesten Entwicklung erklärte HHT-Sprecher Sascha Albertsen: „Die Ergebnislage trifft uns nicht unerwartet. Die im Vergleich mit anderen Vermarktungsorganisationen in Europa sehr hohe Eigenfinanzierungsquote der HHT ist vielen Einflussfaktoren ausgesetzt.“ Nach einer umfangreichen Analyse der Umsatzsituation seien zahlreiche Maßnahmen ergriffen worden, um ein ausgeglichenes Jahresergebnis erzielen zu können.
Fest steht: „Mit welcher Strategie wir der aktuellen Ergebnislage mittelfristig begegnen, werden wir mit dem Aufsichtsrat abstimmen“, so Albertsen weiter. Dabei setze die HHT verstärkt auf digitale Services und individuell ausgerichtete Angebote, die das Hamburg-Erlebnis in den Vordergrund stellen.
Doch die Umsätze im Bereich Reisepakete und Ticketverkauf für Stage Entertainment waren bereits im vergangenen Jahr eingebrochen, im Bereich Hotelvermittlung zeigt sich der Trend schon länger. Der Umsatz der HHT lag 2017 bei 41,5 Millionen Euro. Das waren rund 2,2 Millionen Euro weniger als im Jahr 2016.
Die HHT bekommt 2,3 Millionen Euro von der Stadt
Warum hat die HHT nicht längst gehandelt? „Wir haben unmittelbar Maßnahmen eingeleitet, können aber nicht von heute auf morgen unseren kompletten Vertrieb umstellen. Aber es stimmt, wir haben den Anspruch, Lösungen zu finden, um die Ertragssituation wieder zu verbessern“, sagte Albertsen.
Die HHT, die rund 80 Mitarbeiter hat, bekommt nach eigenen Angaben von der Stadt jedes Jahr rund 2,3 Millionen Euro, dazu kommen 2,2 Millionen Euro aus der Kultur- und Tourismustaxe. Aufgabe der HHT ist es, für Hamburg als attraktives Reiseziel zu werben. Wenn die Umsätze, wie jetzt geschehen, zurückgehen, stehen weniger Mittel für Marketingmaßnahmen zur Verfügung.
Aber es kommt noch schlimmer für das städtische Unternehmen: Die Stage Entertainment hat zum Ende des Jahres den Vertrag mit der HHT fristgerecht gekündigt. Die HHT verkauft bisher Musicaltickets für das Unternehmen und generiert dem Vernehmen damit Millionenumsätze: „Wir verhandeln mit der Stage über einen neuen Vertrag und haben ein großes Interesse daran, die langjährige Partnerschaft fortzusetzen“, so Albertsen.
Senat antwortet nur unzureichend
Vor Kurzem hatte FDP-Fraktionschef Michael Kruse eine kleine Anfrage an den Senat gestellt, die sich auch mit der Entwicklung der HHT beschäftigt. Mit dem Ergebnis war Kruse, dem die Umsatzeinbrüche bekannt sind, allerdings nicht zufrieden: „Die Senatsantworten auf meine Fragen zu den Problemen bei der HHT sind völlig unzureichend.“
Ein Beispiel: „Welche betriebswirtschaftliche Entwicklung wird für das laufende Jahr 2018 und 2019 sowie das Jahr 2020 erwartet?“ Antwort des Senats: „Die HHT plant für die Jahre 2018, 2019 und 2020 mit einem ausgeglichenen Betriebsergebnis.“ FDP-Politiker Kruse macht sich Sorgen: „Es müssen beim Senat sämtliche Alarmglocken schrillen, wenn trotz immer neuer Rekorde bei den Tourismuszahlen die zuständige Tourismusgesellschaft immer schlechter abschneidet.“ Offenbar reiche das bisherige Geschäftsmodell nicht mehr aus, um ordentliche Ergebnisse zu erzielen. Kruse forderte: „Wirtschaftssenator Frank Horch sollte genauer hinsehen, warum es bei Hamburg Tourismus nicht rund läuft.“
Zahlen an die Öffentlichkeit gelangt
Dass die Zahlen nun an die Öffentlichkeit gelangen, kommt für Hamburg-Tourismus-Chef Michael Otremba zu einem schlechten Zeitpunkt. Denn sein Dreijahresvertrag endet im April 2019. Und zurzeit laufen dem Vernehmen nach noch die Verhandlungen über eine Verlängerung für fünf Jahre. Diese seien noch nicht abgeschlossen, heißt es aus der zuständigen Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI).
Auf Anfrage sagte Sprecherin Susanne Meinecke nur: „Über eine Vertragsverlängerung von Herrn Otremba wird in einem üblichen geregelten Verfahren im Aufsichtsrat der Hamburg Marketing GmbH (HMG) entschieden.“ Auch das ist interessant: Nicht der HHT-Aufsichtsrat entscheidet über die Personalie, sondern der der HMG, deren Tochter die HHT ist.