Hamburgs spektakulärste Kriminalfälle, aber vertauschte Rollen: Der Polizeipräsident interviewt die Abendblatt-Reporter.
Oft schon saßen Daniel Herder und André Zand-Vakili auf der Seite der Fragesteller – für die Jubiläumsausgabe haben die Abendblatt-Polizeireporter mit Polizeipräsident Ralf Martin Meyer die Plätze getauscht.
Ralf Martin Meyer: Zunächst würde mich mal interessieren, wie wird man eigentlich Polizei- oder Blaulichtreporter? Muss man für den Job besonders hartgesotten sein?
Daniel Herder: Bei mir lags eigentlich nahe. Ich habe 2008 beim Abendblatt als Gerichtsreporter angefangen, als sich die Polizeiredaktion 2012 personell verschlankte, brauchte man einen Reporter, der sich gut mit Crime-Geschichte auskennt und auch Spaß daran hat. Und die Lust auf Geschichten aus allen Bereichen – Gericht, Polizei und Feuerwehr – ist definitiv geblieben.
Andre Zand-Vakili: Ich war erst Soldat, danach hatte ich Lust auf Action und kam so aufs Fotografieren. Kriminalstorys haben mich schon immer gereizt. Etwas später, ziemlich genau vor 30 Jahren, bin ich dann bei der Morgenpost gelandet, dort habe ich auch mit dem Schreiben begonnen.
Meyer: Was sollte ein Polizeireporter mitbringen?
Zand-Vakili: Man muss dafür brennen, Lust auf einen Job haben, der sich nicht in einen Acht-Stunden-Tag pressen lässt. Jeden Moment kann etwas passieren, das macht es ja auch so spannend. In den 90er-Jahren hatten wir etliche Jahrhundertfälle, man denke nur an den Erpresser Dagobert, die Reemtsma-Entführung oder den Säurefass-Mörder. An ein geregeltes Leben ist nicht zu denken – aber man wird auch durch die Dinge entschädigt, die man erlebt.
Meyer: Wie wichtig ist es vor Ort zu sein?
Herder: Hängt ein bisschen davon ab, da einige Lagen doch sehr statisch sind. Ehrlich gesagt, fehlt manchmal auch schlicht die Zeit, zumal das Polizeiressort mit seinen personellen Kapazitäten haushalten muss. Nach einem Tötungsdelikt beispielsweise gewinnt man am Tatort in der Regel keine tiefschürfenden Erkenntnisse, natürlich kann man aber versuchen, Augenzeugen zu finden oder Nachbarn zu befragen.
Allerdings kann man die Zeit auch gut für eine Recherche nutzen, indem man etwa Kontakt zu Behörden und Informanten aufnimmt oder das Archiv nach ähnlichen Fällen durchforstet. Häufig lassen sich so mehr gehaltvolle Informationen für die Berichterstattung gewinnen. Natürlich ist die Tatort-Präsenz insbesondere dann wichtig und unverzichtbar, wenn es darum geht, eine Situation zu beschreiben.
Meyer: Welche Rolle spielen Bilder bei der Polizei-Berichterstattung?
Herder: Bilder sind gut für unsere Zeitung, aber auch gut für die Polizei, weil man große Themen darüber gut transportieren kann. Das reportierende Bild macht eine Geschichte erst groß. Wir greifen nur ungern zu sogenannten Stock-Fotos, um unsere Berichterstattung symbolisch zu dokumentieren. Online sind Bilder als Eyecatcher mindestens genauso wichtig.
Meyer: Was hat sich technisch geändert, Stichwort Digitalisierung?
Zand-Vakili: Alles, da ist kein Stein auf dem anderen geblieben. Die Produktionsabläufe sind ganz anders auch der Zugriff auf Archivmaterial ist ein ganz anderer. War man früher auswärts unterwegs, musste man nicht selten bei einer befreundeten Redaktion anfragen, ob sie einem den Film entwickelt und dann per Bildfunk das Foto zuschickt. Damals war es noch üblich, die Geschichten durchzutelefonieren. Heute geht ja fast alles per Email und einiges per Internet- und Facebookrecherche.
Die Digitalisierung hat dafür gesorgt, dass die Recherche-Ansätze viel breiter gefächert sind, und die Arbeitsabläufe komplett auf den Kopf gestellt. Es stimmt schon: Früher war man öfter draußen. Zum Beispiel gab es vor etlichen Jahren, ähnlich wie vor ein paar Wochen in Hamburg auf dem Ohlsdorfer Friedhof, ein Kutschunglück im Sauerland, in das auch Hamburger involviert waren. Da bin ich dann hingefahren, heute wäre das eher unüblich.
Meyer: Was waren die größten Kriminalfälle?
Zand-Vakili: Der zentrale Fall spielte sich am 12. September 2001 ab, dem Tag nach dem Anschlag auf die Zwillingstürme in New York. An diesem Tag kam heraus, dass sich die Terrorzelle um den Rädelsführer Mohammed Atta in einer Wohnung in der Harburger Marienstraße auf die Anschläge vorbereitet hatte. Diese Geschichte ist ja weltweit gelaufen. Dazu kommen noch etliche andere Fälle, die regional und national für Schlagzeilen gesorgt haben, etwa das schreckliche Zugunglück von Eschede, wo ich als einer der ersten Reporter vor Ort war, oder die Festnahme des „Maskenmannes“, der Kinder aus Landschulheimen entführt und ermordet hatte.
Meyer: Wie ist das Bild des Polizeireporters von der Hamburger Polizei?
Zand-Vakili: Was den Umgang mit den Medien anbelangt, sehr professionell. Für uns ist es besonders wichtig ist, dass man sich auf die Aussagen der Polizei verlassen kann.
Meyer: Wie ist das eigene Sicherheitsgefühl in Hamburg?
Herder: Ich habe mich in Hamburg nie unsicher gefühlt. Klar gab es Situationen, die mitunter brenzlig waren, etwa auf Demonstrationen. Aber das ist ja auch Teil des Berufs, privat gibt es keine Unsicherheitsgefühl. Gerade weil wir über teilweise schlimme Schicksale und tragische Fälle berichten, haben wir den sicheren Alltag noch mehr zu schätzen gelernt.
Meyer: Gibt es auch Anekdoten?
Herder: Sehr viele sogar. Aber einige dürften wohl für viele Leser einen etwas morbiden Beiklang haben...