Hamburg. Neuer Anbieter Oply startet am Mittwoch – und will expandieren. Anfang November kommt der nächste Konkurrent in die Hansestadt.
Katharina Wagner umrundet den Wagen mit schnellen Schritten, streicht mit einer schnellen Handbewegung über den rötlich-blauen Schriftzug an der Tür. Dann nickt sie zufrieden. Die 35-Jährige ist Geschäftsführerin des neuen Carsharing-Dienstes Oply, der am heutigen Mittwoch in Hamburg startet. Oply rangiert dabei zwischen Langzeitvermietung und dem sogenannten Free-Floating-Modell, also Autos, die überall in der Stadt stehen und frei gemietet werden können.
Zunächst sollen an der Elbe 100 Fahrzeuge im Einsatz sein. „Damit“, sagt Deutschland-Chefin Wagner äußerst selbstbewusst, „schließen wir eine Lücke im städtischen Verkehrsangebot.“ Nach München ist Hamburg der zweite Standort des neuen Anbieters.
Preise zwischen 6 und 9 Euro pro Stunde
Das Konzept des neuen Anbieters basiert auf sogenannten Nachbarschaften. Dort sind die Oply-Fahrzeuge quasi „zu Hause“ und müssen dort nach Ende der Mietzeit wieder abgestellt werden. „In Hamburg fangen wir mit 44 Nachbarschaften an“, sagt Geschäftsführerin Wagner. Diese sind in der Regel drei bis fünf Quadratkilometer groß. Zum Oply-Gebiet gehört vor allem der Innenstadtbereich, aber auch südlich der Elbe sind Wagen verfügbar.
Was beim Carsharing zu beachten ist
Angeboten werden vier Modelle, vom Sportwagen (Mazda MX5) über Familienautos (Ford Fiesta, C-Max) bis zum Transporter (Renault Trafic). Die Buchung läuft ähnlich wie bei den großen Carsharing-Anbietern Car2go und DriveNow über eine Smartphone-App. Mindestmietdauer ist eine Stunde. Die Preise liegen zwischen 6 und 9 Euro pro Stunde beziehungsweise 45 und 75 Euro pro Tag. 150 Kilometer sind inklusive, jeder weitere kostet 15 Cent. Auch Fahranfänger ab 18 Jahren dürfen das Mietsystem anders als bei anderen Diensten nutzen. Das gilt allerdings nicht für Transporter und Sportwagen.
Markt ist stark gewachsen
In Hamburg ist der Carsharing-Markt in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Marktführer Car2go hat inzwischen 220.000 Kunden in der Hansestadt. Seit 2011 läuft der Betrieb, Hamburg ist nach Berlin und Madrid der drittgrößte Standort der Tochtergesellschaft des Autobauers Daimler. Gerade wurde die Car2go-Flotte um weitere 100 Fahrzeuge auf inzwischen 900 erweitert. Bis Ende 2019 sollen nach einer Vereinbarung mit der Stadt Hamburg die 400 Smart-Modelle schrittweise elektrifiziert werden. Auch die deutsche Nummer zwei, die BMW-Tochter DriveNow, steigerte die Kundenzahlen auf mehr als 130.000. Beide Anbieter wollen fusionieren. Die entsprechenden Anträge liegen bei den Kartellbehörden.
Carsharing gilt als wichtiges Zukunftsfeld im Wettbewerb der Autobauer mit Internet-Plattformen wie Google oder Uber. Allerdings verdienen sie bisher kaum etwas an der Kurzzeitmiete. Zu konkreten Umsatzzahlen, Gewinn oder Verlust äußern sich die beiden Firmen allerdings nicht. In Hamburg sind zudem diverse klassische Autovermieter wie Sixt, Avis oder Starcar vertreten sowie Sharing-Anbieter wie Cambio und Flinkster, das Angebot der Deutschen Bahn.
„Wir bieten ein Mischmodell“
Braucht Hamburg wirklich noch einen weiteren Dienst? „Wir bieten ein Mischmodell“, sagt Oply-Geschäftsführerin Katharina Wagner. Damit decke das Unternehmen verschiedene Bedürfnisse ab, von der spontanen Einkaufstour bis zum lang geplanten Wochenendtrip aufs Land – ohne dass man eine Verleihstation ansteuern muss. Ziel sei, langfristig Privatwagen überflüssig zu machen, sagt die Carsharing-Expertin, die vorher bei Car2go das Europa-Geschäft aufgebaut hat.
In München, wo Oply im März mit 100 Wagen gestartet war, sei die Resonanz gut. Konkrete Zahlen nennt Wagner nicht. „Aber wir haben unsere Ziele für die ersten sechs Monate übertroffen“, sagt die Geschäftsführerin. Bis Jahresende sollen weitere Nachbarschaften in der bayerischen Landeshauptstadt eingerichtet werden. Die Flotte wird um 30 Wagen erweitert.
Weiterer Anbieter
Hinter der Marke Oply steckt der Mobilitätsanbieter Examotive mit Sitz in Luxemburg. Gründer Mauro Mariani hat eine Investorengruppe um sich gesammelt, darunter große Unternehmen wie Saic Motor, siebtgrößter Autohersteller der Welt aus China, und den Finanzinvestor Sailing Capital. „Wir agieren unabhängig“, sagt Oply-Deutschland-Chefin Wagner. Die Investitions- summe liegt im zweistelligen Millionenbereich, heißt es, und verschaffe somit Freiraum für die Expansionsstrategie. Aktuell sind im Berliner Oply-Team 18 Mitarbeiter. An den Standorten sorgen Dienstleister für Sauberkeit und Sicherheit. „2019 sollen bis zu vier weitere Städte dazukommen“, sagt Wagner. Infrage kommen alle Großstädte in Deutschland, aber auch in Europa.
In Hamburg startet bereits in wenigen Wochen der nächste Anbieter. Das Berliner Unternehmen Drive by bringt 125 Pkw (Toyota Yaris und CH-R) mit Hybridmotor sowie 25 Transporter (VW Crafter und T6) auf die Straßen der Hansestadt. Hinter dem Start-up, das von November an unter dem Namen Miles firmiert, steht der frühere Audi-Manager Timo Nührich (35). Der Preis berechnet sich nicht nach der Mietdauer, sondern auf Grundlage der gefahrenen Kilometer. Es wird also etwa bei einem Stau nicht teurer. Bei längeren Fahrten wechselt der Tarif automatisch in das günstigste Paket. Die ersten 10.000 Nutzer, die sich vor dem offiziellen Start am 1. November anmelden, lockt Miles mit einem Gratismonat.
Anwohnerparkzonen sind tabu
Experten sehen Carsharing-Angebote grundsätzlich positiv. „Aber ein vollständiger Verzicht auf das Auto als Mobilitätslösung ist ökonomisch nicht effizient. Das ist ein oft verbreitetes Missverständnis des Carsharings“, sagt Henning Vöpel, Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI). Ein Anbieter allein könne keine umfassende Lösung bereitstellen, aber die Vielfalt der Angebote könne kollektive Lösungen für die Stadt erzeugen. „Als Insellösung werden es neue Dienste schwer haben, weil sie mit den Startvorteilen der ersten und schon größeren Anbieter zu kämpfen haben“, so der Wissenschaftler. „Die beste Lösung ist eine zentrale Plattform, die übersichtlich und bequem für die Nutzer ist und gleichzeitig den Wettbewerb der Anbieter fördert.“
„Wir wollen Teil der Nachschaft werden“, sagt Katharina Wagner von Oply. Dafür müssen in der nächsten Zeit weitere Schritte erfolgen. Noch dürfen die Fahrzeuge des neuen Anbieters nicht in Anwohnerparkzonen stehen. Deshalb können sie in Regionen wie St. Pauli oder der Neustadt nicht gemietet werden. „Wir sind in Gesprächen“, sagt die Geschäftsführerin. Aktuell verhandelt Oply mit der Stadt auch über die Integration in die Mobilitätsplattform Switchh, die die Nutzung des HVV sowie Bike- und Carsharing-Angeboten steuern soll. Wagner: „Das ist ein wichtiger Schritt für uns.“