Hamburg. Mit Smartphone oder Tablet sollen Patienten Arztabrechnungen und Krankenhausberichte managen. Doch es gibt auch Kritik.
Deutschlands größte Krankenkasse setzt voll auf Apps: Die in Hamburg beheimatete Techniker bietet für ihre 10,2 Millionen Versicherten eine Smartphone- oder Tablet-Anwendung an, mit der sie künftig alle Informationen von Ärzten, Krankenhäusern und über Medikamente speichern können. Die elektronische Gesundheitsakte „TK-Safe“ soll über die neue App zu steuern sein, die gemeinsam mit IBM Deutschland entwickelt wurde. TK-Vorstand Thomas Ballast versprach am Donnerstag in Hamburg höchste Sicherheitsstandards und einfachste Bedienung.
Die Anwendung ist freiwillig, kostet die Versicherten nichts und soll schon bald mit den Systemen von Ärzten und Krankenhäusern verzahnt werden. Bislang sind in Deutschland 40.000 TK-Versicherte damit ausgestattet, dazu rund 1000 niedergelassene Ärzte und 100 Krankenhäuser. In Hamburg werden demnächst das UKE und das Agaplesion Diakonieklinikum angeschlossen. Deren Daten können Patienten dann direkt aufs Smartphone holen.
Arztabrechnungen und Diagnosen in der App
Anders als bei App-Lösungen anderer Kassenverbünde wie „Vivy“ von DAK, Betriebs- und Innungskrankenkassen oder der AOK füllt sich die TK-App nach der Anmeldung zunächst „von allein“. Wie Ballast demonstrierte, werden aus den Versichertendaten der TK beispielsweise Arztabrechnungen und Diagnosen sofort in die App geladen. Die Versicherten können aber auch eigene Arztbesuche und Unterlagen hierin speichern.
Über einen Barcode-Scanner können Medikamente direkt von der Packung eingelesen und zur elektronischen Patientenakte hinzugefügt werden. Gleiches gilt für Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen, für die auch ein Push-Service (Benachrichtigung) geplant ist.
Elektronische Patientenakten demnächst Pflichtangebot
Noch kommen nach Arztbesuchen Diagnosen und Abrechnungen der Kassenärztlichen Vereinigung erst mit neunmonatiger Verzögerung in die App. Das soll in Zukunft sekundenschnell übertragen werden können. Doch dazu müssten die Praxissysteme mit der App gekoppelt werden. So weit ist die Technik noch nicht, gab TK-Vorstand Ballast zu. Es werde aber daran gearbeitet. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verlangt ohnehin per Gesetz demnächst von allen Kassen das Angebot einer elektronischen Patientenakte.
Hintergrund ist auch das Scheitern der elektronischen Gesundheitskarte (das Abendblatt berichtete), die für Milliarden Euro über zwölf Jahre entwickelt wurde und bis heute lediglich Namen, Adresse, Versichertenstatus und ein Foto trägt. Ballast verwies darauf, dass die Abrechnungen nicht exakt das Honorar für den Arzt widerspiegeln. Der müsse meist noch Abschläge hinnehmen. Allerdings werde die Behandlung für den Patienten transparenter.
Dennoch wolle die Krankenkasse das Arzt-Patienten-Verhältnis mit der neuen App nicht untergraben. Im Gegenteil solle der Patient dem Arzt oder dem Krankenhaus besser und schneller Einblick in seine Krankengeschichte geben können.
Handy weg: Was ist mit den Daten der App?
Für den Fall, dass das Smartphone verloren wird, muss zuvor ein Sicherheitsschlüssel an einem anderen Ort gespeichert werden. Bei einem Krankenkassenwechsel sollen alle Daten exportierbar sein. Aufgrund der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) dürfen erst Kinder ab 16 überhaupt mit Apps umgehen. Die TK arbeitet aber an Lösungen, wie Eltern für ihre Kinder und Betreuer für Senioren oder zum Beispiel Demenzkranke eine elektronische Akte einrichten können.
Datenschützer hatten die App-Angebot der DAK und angeschlossener Kassen zuletzt als problematisch bezeichnet. Der renommierte Forscher Prof. Gerd Glaeske bemängelte im MDR, dass viele Daten von Ärzten und Kliniken noch gar nicht elektronisch verfügbar seien. Außerdem seien Apps zu hacken. Der Chaos Computer Club bestätigte eine gewachsene Zahl von Hackerangriffen auf Handys.