Hamburg. S-Bahn-Chef Kay Uwe Arnecke über die Zukunft der S4. Er fordert die Politik zum Handeln auf und will die Infrastruktur modernisieren.

In seinem Job ist jeder Tag eine neue Herausforderung. Denn als Chef der S-Bahn Hamburg trägt Kay Uwe Arnecke die Verantwortung für täglich rund 750.000 Fahrgäste. Alle haben einen Wunsch, pünktlich an ihr Ziel zu kommen. Seit zehn Jahren ist Arnecke im Amt und zieht nun im Abendblatt seine persönliche Bilanz, spricht über die Zukunft des Verkehrsunternehmens und macht der Politik Druck bei der Umsetzung der S 4.

Vor zehn Jahren als Sie S-Bahn-Chef wurden, gab es bereits Pläne für die S 4 zwischen Bad Oldesloe und Altona. Diese wurden bis heute nicht umgesetzt.

Kay Uwe Arnecke: Ich bin damals davon ausgegangen, dass die S 4 ab 2018 fährt. Das ist nicht der Fall und das ist ärgerlich, denn es ist das wichtigste Verkehrsprojekt für die Metropolregion Hamburg. Es bringt eine dringend benötigte Entlastung des Hauptbahnhofs, weil wir so Zugverkehr von den Fernbahngleisen auf die S-Bahngleise verlagern können. Außerdem würden rund 250.000 Menschen im Bezirk Wandsbek und im benachbarten Schleswig-Holstein einen Anschluss an das S-Bahn-Netz bekommen.

Die Stadt und der Bund sind sich immer noch nicht einig darüber, wie die Kosten von rund 950 Millionen Euro für die S 4 aufgeteilt werden sollen. Was erwarten Sie von der Politik?

Arnecke: Ich erwarte zeitnah eine Lösung dieser Frage. Denn sonst kann auch der immer wieder nach hinten verschobene neue Zeitplan mit einem Baubeginn 2020 nicht eingehalten werden und damit auch nicht die Inbetriebnahme 2027 bis Bad Oldesloe bzw. 2025 bis Rahlstedt. Eines muss allen Beteiligten klar sein, es gibt keine Alternative zur S 4. Ich hätte mir auch gewünscht, dass sich frühere Hamburger Regierungen mit noch mehr Herzblut beim Bund für die S 4 einsetzt hätten. Ich bin aber guter Hoffnung, dass die Gespräche jetzt zu einem erfolgreichen Abschluss kommen.

S-Bahn-Netz muss grundlegend erneuert werden

Es wurde vor längerer Zeit auch mal eine Verlängerung der geplanten S 4 über Altona hinaus bis Itzehoe/Elmshorn ins Spiel gebracht. Wäre das sinnvoll?

Arnecke: Auf jeden Fall wäre eine S 4 West eine wichtige Ergänzung, denn auch dadurch würde der Hauptbahnhof entlastet, weil dann die Fahrgäste aus Itzehoe und Elmshorn mit der S-Bahn umsteigefrei die Stationen im Citytunnel erreichen könnten und damit die Regionalbahnen aus dieser Richtung nicht mehr bis zum Hauptbahnhof fahren müssten.

Was haben Sie in den vergangenen zehn Jahren umsetzen können?

Arnecke: Wir konnten die Pünktlichkeit von rund 90 Prozent auf heute nahezu 95 Prozent steigern. Dieses Thema genießt bei den Kunden zu Recht höchste Priorität und wir wollen uns auch noch weiter verbessern. Außerdem haben wird die Zahl der Fahrgäste um etwa 30 Prozent auf inzwischen über 750.000 pro Tag gesteigert werden.

Zudem wurde der neue Verkehrsvertrag mit der Stadt ausgehandelt, der im Dezember dieses Jahres in Kraft tritt. Damit sind Investitionen von mehr als einer halben Milliarde Euro verbunden, die unter anderem in 72 neue S-Bahn-Züge und in Werkstätten investiert werden. Der neue Vertrag hat eine Laufzeit von 15 Jahren, damit sichern wir auch die Arbeitsplätze unserer Mitarbeiter, deren Zahl sich in den vergangenen zehn Jahren erfreulicherweise von etwa 900 auf 1200 entwickelt hat.

Sind Sie zufrieden mit dem Zustand der 68 S-Bahnhöfe?

Arnecke: Es werden bis 2021 zehn Stationen in den S-Bahn-Tunneln von DB Station&Service aufwendig modernisiert und dafür rund 50 Millionen Euro ausgegeben. Zudem gab es in den vergangenen Jahren weitere Investitionen in die Haltestellen. Aber natürlich gibt es noch einige Bahnhöfe wie zum Beispiel Berliner Tor, die wir auch noch in den nächsten Jahren modernisieren müssen.

Wie sieht es mit der Barrierefreiheit bei der S-Bahn aus?

Arnecke: Ein sehr wichtiges Thema. Unsere neue Baureihe 490 verfügt zum Beispiel über geräumige Abteile für mobilitätseingeschränkte Kunden. Außerdem sind heute schon 57 von 68 Stationen barrierefrei. Damit sind wir aktuell bei 84 Prozent. 2019 sollen die Aufzüge an den Bahnhöfen Kornweg und Wellingsbüttel fertigestellt werden.

Die S-Bahn war Anfang August in den Schlagzeilen, weil es aufgrund einer Sperrung auf der S 3 zwischen dem Hauptbahnhof und Harburg zu chaotischen Zuständen in den Zügen, beim Ersatzverkehr und an den Bahnhöfen kam. Wie haben Sie das wahrgenommen?

Arnecke: Das war natürlich sehr ärgerlich für die Fahrgäste. Ich telefoniere regelmäßig mit S-Bahn-Kunden. Auch auf Grund dieser Rückmeldungen, haben wir zum Beispiel in diesem Fall den Busersatzverkehr verstärkt.

Hier haben sich mehrere Baustellen auf der Straße und der Schiene überlagert. Die Baustelle bei der S-Bahn war übrigens seit zwei Jahren geplant. Aber wir haben ja bei dem Runden Tisch mit der Politik und dem HVV besprochen, dass es künftig eine zeitliche und räumliche Überlagerung mehrere Baumaßnahmen nicht mehr geben wird.

Die Politik hatte aufgrund der chaotischen Zustände scharfe Kritik an ihrem Verkehrsunternehmen geübt.

Arnecke: Konstruktive Kritik ist immer angebracht. Wir konzentrieren uns darauf, für unsere Fahrgäste einen zuverlässigen S-Bahn-Betrieb anzubieten.

Was steht in den nächsten Jahren auf Ihrer Agenda?

Arnecke: 2021 wird die digitale S-Bahn Hamburg Premiere feiern. Damit sind wir deutschlandweit Vorreiter, wenn nicht sogar in Europa. Denn wie im Juli bekanntgegeben wurde, wird auf der Teststrecke zwischen Berliner Tor und Bergedorf/Aumühle die erste hochautomatisierte S-Bahn in Deutschland mit dem automatischen Zugsteuerungssystem Automatic Train Operation (ATO) und dem europäischen Zugbeeinflussungssystem European Train Control System (ETCS) fahren. Der Zugführer bleibt weiterhin an Bord, überwacht das System und greift dann nur noch bei Problemen ein. Das ist ein Meilenstein, denn dadurch wird es einen zügigeren Ablauf geben und auf der vorhandenen Infrastruktur mehr Züge eingesetzt werden. Es wird mit einer Kapazitätserweiterung von bis zu 20 Prozent gerechnet.

Welche Investitionen sind im Hamburger S-Bahn-Netz notwendig?

Arnecke: Die Infrastruktur muss grundlegend erneuert werden, um auch im gesamten Streckennetz hochautomatisierte Fahrzeuge wie auf der Teststrecke einsetzen zu können. Wir planen bereits, wie es weitergehen soll.

Dabei haben für mich der Citytunnel zwischen Altona und dem Hauptbahnhof sowie die Verbindungsbahn, die oberirdisch von Altona über Bahnhof Dammtor bis in die Innenstadt führt, oberste Priorität. Diese sind stark frequentiert, aber die Infrastruktur ist seit 40 Jahren nicht ausgebaut worden. Langfristig sollte dann das gesamte Streckennetz der S-Bahn Hamburg entsprechend technisch ausgestattet werden, um die zusätzliche Kapazität erhöhen zu können.

Wie lange wird das dauern?

Arnecke: Natürlich werden wir mit der Umsetzung bestimmt die nächsten zehn Jahre beschäftigt sein, und es wird sicher mehrere hundert Millionen Euro kosten. Aber das sollte es uns wert sein, denn es ist eine Investition in die Zukunft der Mobilität der Metropolregion Hamburg.