Hamburg. Jahrhundertprojekt: Politiker und Wissenschaftler schließen Bündnis für spektakuläres Haus der Wissenschaft im Hafen.

So viel Bewegung war selten: Seit der USA-Reise von Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) keimt Hoffnung auf, dass Hamburg sein im Krieg zerstörtes Naturkundemuseum zurückerhält. Nun wird diese Idee zum Ausgangspunkt für einen größeren Plan. Die renommierte naturkundliche Schau aus der Hansestadt könnte Teil eines Wissenschaftshauses werden, das die Erweiterung der HafenCity Universität und ein Science Center integriert. Gleich mehrere Institutionen und Privatpersonen haben sich auf das Ziel eines gemeinsamen Schaufensters der Wissenschaft verständigt.

Einer der ersten Initiatoren ist der Meteorologe Frank Böttcher. Schon seit Jahren arbeitet er an der Entwicklung einer wissenschaftlichen Erlebnis- und Entdeckerwelt. Nach vielen Vorbereitungstreffen und Gesprächen, etwa mit dem Hanseatischen Ingenieurs Club, der seit Jahren für ein Science Center wirbt, ist daraus ein breites Bündnis geworden. Inzwischen haben sich mehre Hochschulen wie die HafenCity Universität, die Hochschule für Angewandte Wissenschaften oder die TU Hamburg hinter das Konzept gestellt; auch Forschungseinrichtungen wie das Desy, Verbände und Unternehmen unterstützen es und fordern die Umsetzung. Das Konzept sieht ein großes Haus am Baakenhöft gegenüber der HafenCity Universität vor. Ausdrücklich laden die Projektpartner die Universität Hamburg ein, in das neue Gebäude das Naturkundemuseum einzubringen. „Gemeinsam wird das Haus noch attraktiver“, sagt Böttcher. Der Vorstoß sei eine Einladung für ein gemeinsames Haus. In mehreren Gesprächen mit Politikern ist Böttcher auf Wohlwollen und Unterstützung gestoßen. Sogar ein Architekturentwurf für das Gebäude liegt schon vor; ein Förderantrag ist in Vorbereitung. „Wir benötigen 3,5 Millionen Euro für die Planungsphase“, sagt Böttcher. Das genaue Investitionsvolumen hängt von der Ausgestaltung des Hauses ab; ein niedriger dreistelliger Millionenbetrag scheint realistisch. Der Betrieb, so verspricht Böttcher, sei ohne Zuwendungen möglich. „Die laufenden Kosten tragen sich von allein.“ Das Science Center soll weit mehr als eine Touristenattraktion werden.

Jahrhundertprojekt im Hafen

Was lange währt, könnte am Ende doch noch gut werden: Seit Jahren gibt es in der Hansestadt gleich mehrere Initiativen, naturwissenschaftliche Museen auf den Weg zu bringen. Bis 2008 war beispielsweise ein Science Center in der HafenCity geplant – die Finanzkrise verhinderte es. Seit mehreren Jahren kämpft Matthias Glaubrecht, Direktor des Centrums für Naturkunde (CeNak) an der Universität Hamburg, um ein Naturkundemuseum in der Hansestadt. Und der Meteorologe Frank Böttcher wiederum verfolgt seit Jahren die Idee, eine Erlebnis- und Entdeckerwelt zu Wetter und Klima in Hamburg zu etablieren. Manche hielten die drei Vorhaben für konkurrierende Ideen – nun könnten sie in einem Haus Wirklichkeit werden. Viele Stimmen aus der Wissenschaft und Wirtschaft machen sich dafür stark, alle drei Ideen in einem Haus in der HafenCity zu integrieren.

Erst vor einigen Tagen hatte die Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) am Rande ihrer USA-Reise einen Durchbruch zur Planung eines Naturkundemuseums angedeutet: „So weit wie jetzt sind wir noch nie gewesen.“ So will der Senat die Sammlung der Universität mit dem Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn unter einem institutionellen Dach vereinen und zum Teil der Leibniz-Gemeinschaft machen. Einen entsprechenden Antrag hat die Wissenschaftsbehörde eingereicht. Hamburg hat als Standort eines Naturkundemuseums Tradition. Eines der wichtigsten Häuser Deutschlands war in den Bombennächten der Operation Gomorrha zerstört worden, die umfangreiche Sammlung mit rund zehn Millionen Objekten aber ist erhalten geblieben. Die kleine naturkundliche Ausstellung im Zoologischen Museum am Martin-Luther-King-Platz zeigt, auf welchen Schätzen die Stadt sitzt – und die es nun zu heben gilt. Glaubrecht sprach immer wieder von einem Jahrhundertprojekt für die Stadt.

Warum nicht größer planen?

Warum, so heißt es nun in Politik und Wissenschaft, plant man aber nicht größer und versucht bei der Finanzierung alle drei Ideen zusammenzubringen, erweitert das Naturkundemuseum also um ein Science Center? Bis 2008 war diese Einrichtung ein wichtiger Aspekt der Planungen für die HafenCity. Den spektakulären Entwurf des Stararchitekten Rem Koolhaas verwarf der schwarz-grüne Senat allerdings in der Finanzkrise – zu teuer und zu riskant erschienen damals die Millioneninvestitionen am Magdeburger Hafen. Trotzdem kämpften Wissenschaftler und der Hanseatische Ingenieurs Club (HIC) unverdrossen für die Einrichtung, die Menschen für Technik und Wissenschaft begeistern soll und Hamburg als Stadt der Wissenschaft insgesamt nach vorne katapultieren sollte.

„In der Me­tropolregion fehlt ein Science Center“, sagt Prof. Eckart Kottkamp. Der ehemalige Jungheinrich-Chef und Vorsitzende des Hochschulrats der HAW lobt die Entwicklung der Stadt hin zur Wissenschaftsmetropole. Um Hamburg aber wie geplant bis 2020 zur Innovationshauptstadt Europas zu entwickeln, bedürfe es weiterer Schritte. „Hamburg braucht bei der Umsetzung seiner ehrgeizigen Ziele ein Science Center. Wir brauchen ein Forum, um die Neugier junger Menschen anzuregen und die Attraktivität der technischen Berufe zu erhöhen“, sagt Kottkamp. „Wir müssen bei jungen Menschen das Interesse für Technik wecken.“

Ein ähnliches Ziel verfolgt auch Frank Böttcher mit seiner Idee einer Erlebnisschau zu den Themen Wetter und Klima. Er initiierte im Frühjahr 2017 einen Förderverein für das Projekt. Längst sind viele dieser Ideen in ein gemeinsames Konzept geflossen.

Extremwetter und Naturgewalten

„Das Science Center hat zwei Kernbereiche: Eine Erlebnis- und eine Entdeckerwelt“, sagt Frank Böttcher. „Die Erlebniswelt wird aus mehreren Reisen bestehen, die jeweils sieben Themenräume umfassen.“ Sie zeigen beispielsweise Extremwetterphänomene und Naturgewalten rund um den Globus. „Wir wollen die Besucher auf diese Weise begeistern und ihre Neugierde wecken. In der Entdeckerwelt geht die Reise individuell weiter“, so Böttcher. Hier besucht man die „Welt des Fliegens“ oder auf der Brücke der USS „Enterprise“ eine „Welt von morgen“, in der Besucher sich live als Hologramm zeigen lassen können. Faszinierende physikalische Phänomene sollen Lust am Experiment und der Wunderwelt der Wissenschaft wecken. „Eine Reise durch die Evolution kann dabei völlig neue Blickwinkel aufzeigen und das verstaubte museale Bild überwinden“, verspricht Böttcher. „Die Einrichtung soll als Ort des Dialogs ein breites Publikum begeistern und den Stand der Forschung aufzeigen.“

Böttcher verweist auf den einmaligen Ansatz in Hamburg. „Die Kombination einer Erlebnis- und Entdeckerwelt ist in dieser Form neu. Das sollte der Anspruch für Hamburg sein.“ Auch das Restaurant soll besonders werden: „Bei uns wird man live sehen, wie sich die Preise verändern. Wenn viele Besucher Pommes frites kaufen, dann steigt der Preis, und ein paralleles Produkt, das CO-schonender, biologischer und fair-trade ist, wird günstiger. Das ist dann in dieser Form einmalig.“

Desy mit an Bord

Die Unterstützung für die Idee aus den Hochschulen wächst. 40 Einrichtungen aus der Hansestadt, Unternehmen, Stiftungen und Verbände haben sich hinter das Konzept gestellt – darunter die Hochschule für Angewandte Wissenschaften, die TU Hamburg, die HafenCity Universität, die Helmut- Schmidt-Universität und das NIT (Northern Institute of Technology). Auch Hamburgs Leuchtturm der Wissenschaft, das Deutsche Elektronen-Synchrotron (Desy), wirbt für die Idee. „Als Desy freuen wir uns über die Initiative eines Science Centers in der HafenCity als Schaufenster der Wissenschaft. Wir werden uns auch finanziell an der ersten Phase zur Konzeption beteiligen“, sagt Arik Willner, Chief Technology Officer beim Desy. „Es gilt, jeden Menschen für wissenschaftliche Themen und Phänomene zu begeistern. Das ist die Basis für eine breite Akzeptanz von Grundlagenforschung in der Gesellschaft.“

Micha Teuscher, Präsident der HAW, sieht in dem Projekt „eine hervorragende Gelegenheit, die Sichtbarkeit der Hafen- und Handelsstadt Hamburg als Wissenschaftsstandort aktiv zu stärken“. Auch Rolf Strittmatter, Vorsitzender der Geschäftsführung der Hamburg Marketing GmbH, hofft auf das Science Center. „Damit erhält Hamburg eine zusätzliche Attraktion für die Hamburger und die Besucher unserer Stadt.“

Eckart Kottkamp verweist auf den von der Wissenschaftsbehörde eingesetzte MINT-Forschungsrat, der in seinem Abschlussbericht im Februar 2018 ein gemeinsames Schaufenster für den Wissenschafts- und Technologiestandort Hamburg eingefordert hat.

Die gesamte Investitionssumme dürfte einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag erfordern. Bei einem reinen Naturkundemuseum waren Summen von 75 bis 120 Millionen Euro im Gespräch. Dafür muss die Hansestadt nicht allein aufkommen: Bund und Länder spielen bei der Finanzierung eine wichtige Rolle. Der Bau eines Museums allerdings wäre allein Sache der Stadt.

Das Leitbild: Wolken, Wind, Wasser

Für das Science Center liegt eine detaillierte Finanzplanung vor. Das Architektenbüro Renner Hainke Wirth Zirn hat ein Gebäude entworfen, das nachhaltig ist, ein intelligentes Energiekonzept realisiert und zum Standort Baakenhöft passen soll. „Die assoziative Bildkraft von Naturelementen wie Wolken, Wind und Wasser zusammen mit Hightech dienen als Leitbild unseres Entwurfes“, sagt die Architektin Karin Renner.

Nach der Fertigstellung soll das Science Center den Haushalt nicht belasten, trotz erwarteter Betriebskosten von sieben bis acht Millionen Euro jährlich. Bei 400.000 Besuchern pro Jahr gäbe es eine „operative Null“.

Spannend wird sein, wie der rot-grüne Senat reagieren wird. So hatte Bürgermeister Peter Tschentscher schon in seiner Regierungserklärung von einer Stärkung des Wissenschaftsstandorts gesprochen; zuletzt gingen die Überlegungen aber hin zu einem reinen Naturkundemuseum. In seiner Partei indes wächst die Unterstützung für einen größeren Plan. „Wenn man ein neues Haus baut, sollte das Konzept mutiger und größer sein“, sagt ein Sozialdemokrat. Böttcher ist zuversichtlich: „Lasst es uns zu einer gemeinsamen Sache machen!“