Hafencity. In der HafenCity war einmal ein modernes Wissenschaftsmuseum geplant. Nun machen sich Ingenieure für eine Wiederbelebung stark.
Totgesagte leben länger – das gilt auch für Museen. Als die HafenCity ein bloßes Gedankengebäude war und die Flächen öde und leer dalagen, sollte ein Wissenschaftszentrum die Menschen ins Überseequartier locken. Neben der Elbphilharmonie und dem Maritimen Museum sollte es zum kulturellen Kristallisationspunkt der HafenCity werden.
Der Senat hatte per Kofinanzierung 46 Millionen Euro zugesagt, der holländische Stararchitekt Rem Koolhaas einen spektakulären Entwurf vorgelegt. Noch Anfang 2008 gingen die Beteiligten von einem Baubeginn in der zweiten Jahreshälfte 2009 aus, die Fertigstellung sollte bis 2011 erfolgen.
„Das passt einfach in die Zeit“
Doch Finanzkrise und Kostenexplosionen bei der Elbphilharmonie verschreckten Investoren und den schwarz-grünen Senat. 2014 wurde das Science Center endgültig verworfen. Inzwischen ist an der markanten Ecklage Magdeburger Hafen/Elbe längst ein 70 Meter hohes Bürogebäude geplant.
Der Hanseatische Ingenieurs Club (HIC) und Wissenschaftler kämpfen nun wieder für ein Bauwerk, das Menschen für Technik und Wissenschaft begeistern soll, zusätzliches Leben in die HafenCity bringen und Hamburg insgesamt nach vorne katapultieren soll. „Das passt einfach in die Zeit“, sagt Karl-Heinz Kolbe, Beiratsmitglied im Hanseatischen Ingenieurs Club. „Der Aufbruch in Hamburg ist unübersehbar. Wir wollen etwas schaffen, das in die Zukunft weist und die Stadt der Wissenschaft stärkt.“
Junge Menschen begeistern
„In der Metropolregion fehlt ein Science Center“, sagt auch Prof. Eckart Kottkamp. Der ehemalige Jungheinrich-Chef und Vorsitzender des Hochschulrats der HAW, lobt ausdrücklich die Entwicklung der Stadt hin zur Wissenschaftsmetropole – etwa mit den Fraunhofer-Gesellschaften, dem neuen XFEL-Laser beim Desy und den Wirtschaftsclustern.
Kottkamp hat im Auftrag des HIC eine Bestandsaufnahme verfasst. Das Ergebnis: Um Hamburg wie geplant bis 2020 zur Innovationshauptstadt Europas zu entwickeln, bedürfe es weiterer Schritte. „Hamburg braucht bei der Umsetzung seiner ehrgeizigen Ziele ein Science Center. Wir brauchen ein Forum, um die Neugier junger Menschen anzuregen und die Attraktivität der technischen Berufe zu erhöhen“, sagt Kottkamp. „Wir müssen bei jungen Menschen das Interesse für Technik wecken.“ Hier soll ein Wissenschaftscenter ansetzen. „Museen berichten über die Welt, wie sie war. Sie helfen aber kaum bei der Frage, wie sie sein wird.“
Interaktivität als didaktisches Prinzip
Das erste Wissenschaftszentrum wurde vor 50 Jahren gegründet – danach verbreiteten sie sich um den gesamten Erdball. Inzwischen gibt es weltweit rund 3000 Science Center mit über 310 Millionen Besuchern jährlich. 1969 gründete Frank Oppenheimer, der Bruder des Atomforschers Robert, das Science Center Exploratorium in San Francisco. Das Neue daran: Die Besucher konnten ihrer eigenen Experimentierlust frönen, Interaktivität ist das didaktische Prinzip. „Unsere Vision ist eine Welt, in der Menschen sich ihres eigenen Verstandes bedienen, selbstbewusst Fragen stellen, Antworten geben und die Welt um sie herum verstehen“, lautet der Leitsatz des Exploratorium.
Es geht um die alte Frage, die schon Faust in seinem Studierzimmer umtrieb, was die Welt im Innersten zusammenhält. „Innovationsgeschwindigkeit, Komplexität und Vernetzung haben so zugenommen, dass sich ein breiter Graben zwischen Wissenschaft und Zivilgesellschaft ausgebildet hat“, sagt Kottkamp. „Viele haben Probleme, dem schnellen Wandel zu folgen.“
An alten Plänen orientieren
Wichtig ist ihm ebenso wie Kolbe die Zusammenarbeit des Science Centers mit den Hochschulen und Forschungseinrichtungen der Metropolregion Hamburg. „Das Science Center muss Schaufenster des Wissenschaftsstandorts werden“, so Kolbe. Sie wollen nicht zu sehr mit Zahlen jonglieren. Aber 100 Millionen als Investitionssumme halten sie für realistisch, sie kalkulieren mit 300.000 Besuchern im Jahr.
Man könnte sich bei einer Neuauflage durchaus an den alten Plänen orientieren. Das offene, in sich gestapelte Gebäude sollte eine Höhe von 70 Metern haben und eine Bruttogeschossfläche von 23.000 Quadratmetern bieten. Das Äußere war ein spektakulärer Ring aus Kästen, die wie Container aussehen.
Weiteres Problem hat sich verschärft
Im Innern sollte die naturwissenschaftliche Erlebnisausstellung Besucher in zehn Themenbereiche entführen und zum Mitmachen animieren. Am Ende mangelte es an Mitteln und an Mut für das Mammutprojekt am Magdeburger Hafen: Nach dem finanziellen Fiasko mit dem Konzerthaus an der Kehrwiederspitze mochte der schwarz-grüne Senat kein weiteres kulturelles Großprojekt in der HafenCity.
Ein weiteres Problem hat sich seit 2008 eher noch verschärft: Im Umkreis von weniger als zwei Reisestunden gibt es drei vergleichbare Einrichtungen: Wolfsburg hat das Phaeno, Bremen das Universum, und Berlin bekommt das Futurium. Mancherorts ist die Begeisterung einer Ernüchterung gewichen. In Wolfsburg etwa stiegen die ursprünglich geplanten Kosten von 67 Millionen auf 90 Millionen Euro, die vor allem die Stadt zahlen musste. Immerhin übertrafen die Besucherzahlen die Schätzungen. Statt der anfänglich kalkulierten 180.000 Gäste kommen jährlich rund 250.000 Menschen nach Wolfsburg.
Anders sieht es in Bremen aus: Hier startete das Universum im Jahr 2000 brillant – in den ersten fünf Jahren kamen mit 2,44 Millionen Besuchern eine Million mehr Menschen als geplant. Danach aber begannen die Zahlen zu bröckeln, 2012 geriet das faszinierende Haus in eine Schieflage und musste von der Stadt Bremen gerettet werden. Zuletzt stiegen die Besucherzahlen wieder – von 205.000 auf 230.000 im Jahr 2016.
Noch in diesem Jahr wird in der Nähe des Berliner Hauptbahnhofs und des Bundeskanzleramts das Futurium eröffnen, eine ständige Forschungsshow. In das Gebäude mit 8900 Quadratmetern Nutzfläche werden 58 Millionen Euro investiert, Träger des Zukunftshauses ist eine gemeinnützige GmbH, an der Bund, Wissenschaft und Wirtschaft beteiligt sind. Für den Dauerbetrieb dieses „Schaufensters für Erfindungen und Ideen aus Wissenschaft und Forschung“ sind sieben bis acht Millionen Euro im Jahr veranschlagt. Seit Langem arbeitet in der Hauptstadt auch das Technikmuseum mit rund 600.000 Besuchern erfolgreich.
„Lücke im politischen Gesamtkonzept“
All das haben Kottkamp und Kolbe im Blick und einkalkuliert: So zeigten die Analysen aus Wolfsburg und Bremen, dass keine „signifikante Besucherzahlen für Besucher aus der Metropolregion Hamburg“ kommen. Im Vergleich mit Bremen oder Wolfsburg habe der Großraum um die Hansestadt deutlich mehr Einwohner und vor allem mehr Touristen. Eine Stadt wie Hamburg dürfe da kein weißer Fleck bleiben. Kottkamp: „Das ist für einen Wissenschafts- und Technologiestandort eine konzeptionelle Lücke im politischen Gesamtkonzept.“