Hamburg. Ein Blick auf Hamburg, den kaum jemand genießen kann: Der Denkmalverein wirbt in 125 Meter Höhe für seine Arbeit.

Das große Versprechen gab Kristina Sassenscheidt gleich bei der Begrüßung ab: „Herzlichen Glückwunsch – Sie befinden sich an dem vermutlich exklusivsten Ort der Stadt.“ Exklusiv? Nun ja, wer exklusiv mit luxuriösem Ambiente verbindet, mochte irritiert sein angesichts der Melange aus rostigen Leitungen, rissigem Beton und verdreckten Scheiben.

Und doch hatte die Vorsitzende des Denkmalvereins Hamburg recht. Eine Fahrt auf den Fernsehturm ist ohne Frage exklusiver als selbst die teuerste Loge im Volksparkstadion. Denn seit Januar 2001 dürfen nur noch Techniker für Wartungsarbeiten den Lift für die 25-Sekunden-Fahrt auf die Aussichtplattform in rund 125 Meter Höhe nutzen. Und wer am späten Freitagnachmittag das marode Innenleben des Turms begutachten durfte, weiß auch, warum: Schon aus Sicherheitsgründen verbietet sich jeder Gedanke an häufigere Stippvisiten.

Umso glücklicher war Kristina Sassenscheidt, dass die Deutsche Funkturm GmbH als Eigentümer dem Denkmalverein diesen Besuch ermöglichte. Der Verein wirbt mit der Veranstaltung für seine Arbeit. „Hamburg braucht einen starken Denkmalschutz und eine konstruktive Debatte über Stadtentwicklung“, appellierte Kristina Sassenscheidt.

Die Architektin mit dem Schwerpunkt Baugeschichte war als kleines Kind gern mit der Familie zu Gast zum Kuchen-satt-Büfett für 5 D-Mark in dem Restaurant, das sich jede Stunde um 360 Grad drehte: „Diese Faszination habe ich als Erwachsene erst beim Besuch des Alex in Berlin wiederentdeckt. Leider war da unser Hamburger Fernsehturm schon wieder geschlossen.“

Historische Drehtechnik des Restaurants erhalten

Nun hofft sie wie viele Hamburger auf ein Comeback des Wahrzeichens; wie berichtet, peilt die Deutsche Funkturm die Wiedereröffnung des höchsten Gebäude der Stadt für das Jahr 2023 an. Sassenscheidt sieht den Funkturm dann in einer neuen Rolle: „Die Generation unserer Großeltern pilgerte noch in Scharen mit Enkeln und Kindern auf die Türme, um ihnen zu zeigen, was sie beim Wiederaufbau geschafft hatten.“

Kristina Sassenscheidt, Vorsitzende des Denkmalvereins, und Stararchitekt Volkwin Marg
Kristina Sassenscheidt, Vorsitzende des Denkmalvereins, und Stararchitekt Volkwin Marg © HA | Marcelo Hernandez

Jetzt gehe es wieder um diesen Blick – aber mit einem anderen Ziel: „Von hier aus kann man sehr gut sehen, wie stark sich Hamburg gerade verändert. Die ersten Baudenkmäler der Nachkriegszeit wurden schon wieder abgerissen, und an vielen Stellen erfindet sich diese Stadt gerade neu.“ Auch Stararchitekt Volkwin Marg warb bei der Veranstaltung mit Verve für die Anliegen der Denkmalschützer. Es gehe darum, „das kollektive Vergessen zu verhindern. Bitte unterstützen Sie das.“

Sassenscheidt hofft, dass bei der geplanten Sanierung möglichst viel von der historischen Substanz erhalten wird: „Unter Denkmalschutzaspekten würde ich mich sehr freuen, wenn man auch die historische Drehtechnik wieder instand setzt.“

Doch der Besuch offenbarte auch, welche enormen Herausforderungen auf den neuen Gastronomen warten (Bericht auf dieser Seite). Allein die kreisrunden Vertiefungen im Boden zeugen noch von der kulinarischen Vergangenheit. Genau hier standen die Tische für das Selbstbedienungsbüfett auf der Aussichtsplattform, Kartoffelsalat und Würstchen waren besonders begehrt. Ein Stockwerk höher servierte man bürgerliche Küche. Dank der Drehmechanik sahen die Gäste mit jedem Gang Hamburg aus einer anderen Perspektive. Mit dem Asbest beseitigten die Handwerker aber auch diese Technik, nur die Schienen sind noch erkennbar.

Die Sicht ist spektakulär

Andererseits reicht ein Blick durch die Scheiben, um zu erahnen, was hier mit einem guten Konzept möglich wäre. Die Sicht auf Elbe und Alster, auf Planten un Blomen und Dammtorbahnhof ist einfach spektakulär. Selbst das Hotel Radisson Blu neben dem CCH wirkt von oben wie ein großer Lego-Stein.

Seinen eigentlichen Job erledigt der Turm übrigens nach wie vor perfekt. Mehr noch: Das von 1966 bis 1968 errichtete Gebäude bietet jetzt Hightech wie den neuen Kommunikationsstandard 5G im Testbetrieb. 5G könnte gerade im Hafen die Logistik durch neue Verkehrsleittechniken revolutionieren. Dafür wurden im Februar eigens zwei Antennen installiert.

Zukunftsmusik. Zurück in die reale Welt holte die Sängerin Sabrina Ascacibar (St.-Pauli-Theater) die 40 geladenen Gäste mit ihrem Auftritt. Sehr im Sinne von Kristina Sassenscheidt: „Für die künftige Nutzung wünsche ich mir, dass der Fernsehturm wieder ein Gebäude für alle Hamburger wird – gerne auch mit besonderen Kunst- und Kulturveranstaltungen von Off-Szene bis Staatstheater.“