Neustadt. Staatsanwaltschaft: Erst spielte der Angeklagte Mourtala M. mit seiner Tochter, dann erstach er sie. Der Fall ähnelt einem anderen.

Dieser Prozess wird einen Blick in die finstersten Winkel der menschlichen Seele werfen. Schon der Vorwurf gegen Mourtala M. klingt unfassbar. Die Anklage lautet auf zweifachen Mord – auf heimtückischen Mord aus Wut und Rache an seiner eigenen Tochter Mariam (1) und ihrer Mutter Sandra P. (34). Vom 4. Oktober an wird sich das Landgericht mit der Bluttat des 33 Jahre alten Mann aus dem Niger befassen. 15 Verhandlungstage sind bisher angesetzt, um das umfangreiche Beweis- und Zeugenprogramm abzuarbeiten.

Der Staatsanwaltschaft stellt sich der Fall bisher so dar: Am Vormittag des 12. April trifft Mourtala M., wie seit Ende 2017 üblich, seine Tochter unter Aufsicht eines Mitarbeiters des freien Trägers Startpunkt. Am vereinbarten Treffpunkt holt Sandra P. ihr Kind eine Stunde später ab. Die beiden nehmen eine S-Bahn der Linie 3, mit dabei ist auch Moses, der neue Freund von Sandra P., und dessen Sohn (3). An der Station Stadthausbrücke steigt dann Mourtala M. in ihren Wagen ein – ob die Begegnung ein Zufall oder geplant war, ist unklar. Sicher ist jedoch, dass die beiden Ex-Partner sofort in einen Streit geraten.

Er rammt ihr das Messer in den Rücken

Kurz darauf verlässt die Gruppe am Jungfernstieg die Bahn. Während Sandra P. mit Moses spricht, zieht Mourtala M., von ihr unbemerkt, ein Messer (Klingenlänge: 19 Zentimeter) aus seinem Rucksack, beugt sich über seine im Kinderbuggy sitzende Tochter, sticht ihr erst in den Bauch und schneidet ihr dann tief in den Hals. Um eine Enthauptung oder Fast-Enthauptung, wie später in neurechten Kreisen kolportiert wird, handelt es sich aber nicht.

Als Mourtala M. vom Tatort flüchten will, rammt er Sandra P. das Messer wuchtig fast bis zum Anschlag in die linke Rückenseite. Dann flüchtet er aus dem Bahnhof, wirft die Tatwaffe in einen Mülleimer, ruft die Polizei und lässt sich an der Mönckebergstraße festnehmen. Seine Tochter stirbt noch am Tatort, Sandra P. erliegt ihren Verletzungen eine Stunde später. Sie hinterlässt vier Söhne im Alter von drei bis 16 Jahren. Die leben jetzt bei ihren Vätern oder bei Angehörigen.

Signal des Familiengerichts der Auslöser?

Die Staatsanwaltschaft geht von einem Mord aus niedrigen Beweggründen aus – Wut und Rache seien das leitende Motiv gewesen. So soll der Angeklagte schwer verärgert gewesen sein, weil sein beim Familiengericht gestellter Antrag auf geteilte Sorge für die Tochter keine Aussicht auf Erfolg habe, wie ihm das Gericht nur einen Tag vor der Tat signalisierte. Zudem habe er missbilligt, dass der neue Freund von Sandra P. Kontakt zu seiner Tochter haben durfte, während ihm ein unbegleiteter Umgang verwehrt blieb.

Bereits in den Monaten zuvor soll Mourtala M. seine Ex-Freundin deshalb mehrfach bedroht haben. Vor allem aber soll ihm die Ermordung von Mariam als Mittel zur Bestrafung seiner Ex-Freundin gedient haben.

18 Zeugen und drei Sachverständige sollen dem Gericht dabei helfen, die Tat zu rekonstruieren, die Persönlichkeit des Angeklagten und seine Motivation zu erfassen. Dazu hat es allein sechs Polizisten geladen. Sieben Zeugen sollen zum Geschehen in der S-Bahn und auf dem Bahnsteig befragt werden; fünf weitere über den Sorgerechtsstreit, das Verhältnis zwischen Mourtala M. und Sandra P. sowie über charakterliche Facetten des Täters Auskunft geben.

Mourtala M. droht lebenslange Haft

„Nach der jetzigen Planung könnte ein Urteil am 4. Dezember verkündet werden“, sagt Gerichtssprecher Kai Wantzen. Mourtala M. droht lebenslange Haft. Sollte das Gericht zu dem Schluss gelangen, dass er die Tat im Zustand unkontrollierbarer Raserei begangen hat, könnte es die Strafe erheblich mildern. Aber: Nach Abendblatt-Informationen geht aus dem vorläufigen Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen hervor, dass Mourtala M. die Tat eben nicht im Affekt beging.

In einem anderen entsetzlichen Fall hat das Landgericht Anfang Juni einen Pakistaner (34) aus Neugraben-Fischbek zu lebenslanger Haft verurteilt und eine besondere Schuldschwere festgestellt. Mit der brutalen Ermordung seiner zweijährigen Tochter habe auch er seine Frau bestrafen wollen, so das Gericht. Zuvor hatte die Mutter angekündigt, ihren gewalttätigen Mann verlassen und die Tochter mitnehmen zu wollen.