Neustadt. Der Mann aus dem Niger hatte seine Tochter und ihre Mutter auf dem Bahnsteig erstochen. Ein Gutachten belastet ihn schwer.

Der Messermord am Jungfernstieg vor vier Monaten hat Hamburg erschüttert wie kaum eine andere Bluttat in der jüngeren Vergangenheit. Mariam, ein Jahr alt, starb durch die Hand des eigenen Vaters, und dann tötete er auch noch ihre Mutter. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Sie wirft Mourtala M. (33) vor, seine Tochter und seine Ex-Freundin aus „niedrigen Beweggründen und heimtückisch“ ermordet zu haben. Das bestätigte Behördensprecher Carsten Rinio dem Abendblatt auf Anfrage.

Wie es in der Anklage heißt, soll Mourtala M. am Morgen des 12. April an der Station Stadthausbrücke in eine S-Bahn der Linie 3 eingestiegen sein. Dort traf er auf seine Ex-Freundin Sandra P. (34) und ihren neuen Partner. Mit dabei waren auch zwei ihrer fünf Kinder – ihre 21 Monate alte Tochter Mariam und ihr drei Jahre alter Sohn, der einen anderen Vater hat. Am Jungfernstieg verließ die Gruppe die Bahn – dort nahm die unfassbare Tragödie ihren Lauf.

„Auf dem Bahnsteig soll der Angeschuldigte mit einem Messer mit einer Klingenlänge von 19 Zentimetern auf das in einem Kinderbuggy sitzende Mädchen eingestochen haben“, so Rinio weiter. Den Angriff auf die gemeinsame Tochter habe Sandra P. zunächst nicht mitbekommen. Als sie sich dann zu Mariam herunterbeugte, soll Mourtala M. ihr mit dem Messer in den Rücken gestochen haben.

Gutachten: M. handelte nicht im Affekt

Während das Kleinkind noch am Tatort verstarb, erlag Sandra P. eine Stunde später ihren schweren Verletzungen. Ihr neuer Partner soll unterdessen geflüchtet sein und die sterbende Mutter mit dem drei Jahre alten Sohn auf dem Bahnsteig zurückgelassen haben. Nach der Tat habe Mourtala M. die Tatwaffe in einen Mülleimer geworfen, den Bahnhof verlassen und schließlich die Polizei gerufen, so Rinio. Vor einer Bank an der Mönckebergstraße ließ er sich widerstandslos festnehmen.

Seit dem 13. April sitzt er in U-Haft. Mourtala M. droht eine lebenslange Haftstrafe – Hinweise auf verminderte Schuldfähigkeit oder Schuldunfähigkeit liegen derzeit nicht vor.

Im Gegenteil. Nach Abendblatt-Informationen geht aus dem vorläufigen psychiatrischen Gutachten des Sachverständigen Christoph Lenk hervor, dass Mourtala M. die Tat nicht im Affekt beging. Vielmehr soll er seine Ex-Freundin und seine Tochter aus Wut und Rache getötet haben – damit im Zusammenhang steht offenbar ein Streit um das geteilte Sorgerecht für Mariam. Der aus dem Niger stammende Mann war 2013 mit der sogenannten Lampedusa-Gruppe nach Hamburg gekommen. Nur wegen der Geburt seiner Tochter hatte er eine bis 2019 befristete Aufenthaltserlaubnis erhalten.

Prozess muss vor 13. Oktober beginnen

Wie berichtet war der Streit um das geteilte Sorgerecht bereits 2017 entbrannt. Mourtala M. bedrohte dabei Sandra P. mehrfach so massiv und auch mit dem Tod, dass die Polizei ihn im Januar 2018 bei einer Gefährderansprache vor weiteren Drangsalierungen seiner Ex-Partnerin eindringlich warnte. Kurz zuvor hatte das Jugendamt veranlasst, dass er seine Tochter nur unter Aufsicht eines Sozialarbeiters sehen darf. Bei einer Anhörung am 11. April, dem Tag vor der Tat also, signalisierte das Familiengericht Mourtala M., dass sein Antrag auf die geteilte Sorge keine Aussicht auf Erfolg habe – war das der Auslöser für die Tat?

Das gilt es nun im Prozess zu klären. Mit dem Fall ist die Große Strafkammer 1 unter Vorsitz von Richter Joachim Bülter betraut. Ein Termin für die Hauptverhandlung steht aber noch nicht fest. Weil Haftsachen binnen einer Frist von sechs Monaten verhandelt werden müssen, wird der Prozess vor dem 13. Oktober beginnen. Tim Burkert, Mourtala M.s Verteidiger, wollte sich auf Anfrage weder zu der Anklage noch zu seinem Mandanten äußern.

Die Bluttat hatte im April für enorme Anteilnahme und Betroffenheit gesorgt. Am Tatort, dem Bahnsteig der S3 und S1 am Jungfernstieg, legten Trauernde Blumen, Kränze und Gedenkkarten nieder. Nach einem Aufruf des Abendblatt-Vereins Kinder helfen Kindern e. V. wurden mehr als 30.000 Euro für die hinterbliebenen vier Söhne der getöteten Sandra P. gespendet.

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Jungfernstieg: Polizeisprecher zum Doppel-Mord

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    Drei der Jungen im Alter von drei, sechs und sieben Jahren leben in Hamburg und Umgebung bei ihren leiblichen Vätern, einem Afrikaner und einem Türken. Der älteste Sohn (16) hat bei seiner Großmutter und seiner Tante in Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern) ein neues Zuhause gefunden. Die gesamte Familie wird vom Opferschutzverein Weisser Ring betreut. Auch die Jugendämter haben weiterhin ein Auge auf die Kinder – sie beraten und unterstützen ihre Angehörigen aber nur.

    Die Väter kümmerten sich hingebungsvoll um die Jungs, den Kindern gehe es den Umständen entsprechend gut, allerdings wisse man nicht, wie der Dreijährige, der den Mord an seiner Mutter und seiner Schwester mit ansehen musste, die Tat verkraftet habe, sagt die Hamburger Rechtsanwältin Angela Mohrmann-Krützfeld. Sie vertritt drei der vier Söhne in der Nebenklage. Dem Abendblatt sagte sie: „Die Kinder werden bei der Verhandlung nicht dabei sein. Ich möchte sie komplett aus der Öffentlichkeit heraushalten.“