Hamburg. Offenbar hatte die Frau dem Täter noch zur Aufenthaltserlaubnis verholfen, bevor er sie und die Tochter erstach.

Der Doppelmord an einer Mutter und ihrer kleinen Tochter im S-Bahnhof Jungfernstieg hatte im April für Entsetzen gesorgt. Wie am Dienstagabend im Innenausschuss der Bürgerschaft bekannt wurde, hatte die Frau wenige Monate vor der Tat trotz der zerrütteten Beziehung zu ihrem Ex-Freund – dem späteren Täter – sogar dazu beigetragen, dass der aus Niger in Afrika stammende Mann in Deutschland bleiben durfte.

Polizeipräsident Ralf Meyer (l.) und Innensenator Andy Grote vor der Sitzung des Innenausschusses am Dienstag
Polizeipräsident Ralf Meyer (l.) und Innensenator Andy Grote vor der Sitzung des Innenausschusses am Dienstag © dpa | Axel Heimken

Demnach hatte die 34-Jährige noch im Dezember 2017 gegenüber der Ausländerbehörde bestätigt, dass Mourtala M. einen „Beitrag zur Erziehung“ der gemeinsamen Tochter leiste, sagte ein Vertreter der Behörde im Ausschuss. Dass der 33-Jährige der Vater des einjährigen Mädchens ist, war zuvor bereits per DNA-Test bewiesen worden, außerdem ging es aus der Geburtsurkunde hervor. Daher wurde ihm am 18. Januar 2018 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt.

Diese wäre auch nicht zwingend erloschen, wenn das von dem Mann beantragte gemeinsame Sorgerecht für die Tochter abgelehnt worden wäre, betonte Innensenator Andy Grote (SPD). Dass diese Ablehnung bereits am 11. April, also einen Tag vor der Tat, erfolgt sei, wies ein Vertreter der Justizbehörde im Ausschuss zurück. Bei der fraglichen Anhörung vor dem Familiengericht sei Mourtala M. lediglich signalisiert worden, dass sein Antrag wenig Aussicht auf Erfolg habe – allerdings dürfte das dennoch der Auslöser für einen der schrecklichsten Mordfälle in Hamburg in den letzten Jahren gewesen sein.

Jungfernstieg: Polizeisprecher zum Doppel-Mord

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    Der Tathergang stellte sich im Ausschuss so dar: Mourtala M. und seine Ex-Freundin – sowie die gemeinsame Tochter, ein weiteres Kind der fünffachen Mutter und ihr neuer Lebensgefährte – trafen am Vormittag des 12. April im S-Bahnhof Stadthausbrücke aufeinander. Gemeinsam fuhren sie mit der S-Bahn Richtung Innenstadt. Es kam zum Streit, am Jungfernstieg stieg die Gruppe aus, Mourtala M. zog ein Messer, attackierte erst seine Tochter und danach deren Mutter. Das Mädchen starb noch auf dem Bahnsteig, seine Mutter wenig später im Krankenhaus. Viele Passanten hatten die schreckliche Tat mit angesehen und geschockt reagiert.

    Mahnke: Es gab keine Enthauptung

    Oberstaatsanwalt Lars Mahnke, der selbst am Tatort war, wies auf Nachfrage von Dirk Nockemann (AfD) Gerüchte zurück, das Mädchen sei enthauptet worden: „Dieser Sachverhalt liegt hier nicht vor, ich habe es gesehen.“ Etliche Abgeordnete zeigten sich über die Frage, in der der Vorwurf mitschwang, die Behörden wollten den wahren Tathergang verschweigen, verärgert: „Das bringt uns nicht weiter“, sagte Carl Jarchow (FDP), „das ist nur pietätlos.“

    Wie Mahnke sagte, sei der Täter, der zunächst geflüchtet und schließlich im Bereich Mönckebergstraße von Polizisten festgenommen worden war, geständig und sitze in Untersuchungshaft. Der Vorwurf laute auf zweifachen Mord aus Heimtücke und niederen Beweggründen. „Diese Tat bewegt uns in besonderer Weise“, sagte Grote.

    Polizei beförderte M. aus der Wohnung

    Mourtala M. hatte früher zu einer Gruppe von Flüchtlingen aus Afrika gehört, die in Hamburg unter dem Namen „Lampedusa-Gruppe“ bekannt geworden war. Er war im April 2013 über Italien nach Hamburg gekommen und hatte sich um eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen bemüht.

    Die geringen Chancen, in Deutschland bleiben zu können, stiegen rasant an, als er und seine Lebensgefährtin eine Tochter bekamen. Nachdem ein DNA-Gutachten vom 18. Januar 2017 ihm bescheinigte, der Vater des Mädchens zu sein, durfte er aus familiären Gründen bleiben. Allerdings legte die Ausländerbehörde Wert darauf, dass M. sich um das Kind kümmert – nach Aussage der Mutter tat er das auch.

    Doch im Laufe des Jahres 2017 wendete sich dass Blatt. Die Beziehung zerbrach, es kam immer häufiger zum Streit. Am 13. Juli beantragte die Frau ein Kontaktverbot, das am 1. August in Kraft treten sollte, wie Polizeipräsident Ralf Meyer im Ausschuss sagte. Als Mourtala M. kurz vorher, am 27. Juli, noch einmal in der Wohnung der Frau auftauchte und nicht wieder gehen wollte, rückte die Polizei an und begleitete den Mann hinaus.

    Warum verhalf die Frau ihrem Mörder zur Aufenthaltserlaubnis?

    Im Oktober wurde das Kontaktverbot jedoch wieder aufgehoben – weil nach Angaben der Justizbehörde schlicht Aussage gegen Aussage stand. Ende Januar zeigte die Frau ihren Ex-Freund an, weil er ihr aufgelauert und „mit dem Tode bedroht“ habe, so Meyer. Daraufhin sei M. in einer „Gefährderansprache“ klar bedeutet worden, sich von Mutter und Kind fernzuhalten.

    Warum die Frau dazwischen, Ende 2017, ihrem Ex-Freund dennoch durch ihre Aussage, er kümmere sich um die gemeinsame Tochter, zu einer Aufenthaltserlaubnis verhalf, ist unklar – zumal es außerdem ein weiteres Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung gab. In der Sache wurde Mourtala M. am 14. März ein Anti-Aggressionstraining verordnet sowie die Auflage gemacht, seine Tochter nur in Begleitung von Behördenmitarbeitern sehen zu dürfen. Daran hielt sich der 33-Jährige auch – bis zum 12. April.