Hamburg. Im Kampf gegen Fluglärm will die Stadt aber die Gründe für Verspätungen nach 23 Uhr genauer prüfen. Der BUND ist enttäuscht.

Unmittelbar vor Beginn der mit Spannung erwarteten Sitzung des Umweltausschusses der Hamburger Bürgerschaft zum Fluglärmschutz hat sich das belastete Verhältnis zwischen dem Flughafen und den Anwohner­initiativen noch weiter verschlechtert: Mehr als 20 Mitarbeiter des Flughafens, erkennbar an ihren gelben Warnwesten, hatten schon früh viele der begehrten Plätze in dem ohnehin zu knapp bemessenen Sitzungsraum im Rathaus eingenommen.

Mit dem Inhalt des 21 Punkte umfassenden Antrags, den die Fraktionen der SPD und der Grünen im Ausschuss einbrachten, dürfte der ebenfalls anwesende Flughafenchef Michael Eggenschwiler allerdings nicht unzufrieden sein. Rot-Grün will keine Einschränkung der Betriebszeit des Airports, sondern lediglich eine strengere Auslegung der Verspätungsregelung, die Starts und Landungen von Linien- und Charterflugzeugen aus „unvermeidbaren“ Gründen auch noch zwischen 23 Uhr und 24 Uhr zulässt.

Konkret soll der Senat dem Antrag zufolge dafür sorgen, dass man künftig bei gehäuft verspäteten Flügen genauer nach den Ursachen forscht. Sollte es bei Verbindungen, die mindestens dreimal wöchentlich auf dem Plan stehen, zu einer Verspätungsquote von 25 Prozent im Monat kommen, soll die Fluglärmschutzbeauftragte des Senats mit der betreffenden Airline „in den Dialog treten“ und sie über die Konsequenzen einer weiteren Nichteinhaltung der Verspätungsregelung „in Kenntnis setzen“. Dies kann ein Ordnungswidrigkeitsverfahren sein.

CDU: Pünktlichkeitsoffensive wirkungslos

Außerdem sei zu prüfen, ob der Flugplan geändert werden muss. Der Senat soll darüber hinaus für die Prüfung von Verspätungsgründen eine Bearbeitungsgebühr von 500 Euro erheben und das Büro der Fluglärmschutzbeauftragten personell aufstocken. Wiederum im „Dialog“ mit den Fluggesellschaften will man „auf freiwilliger Basis“ erreichen, dass die letzte geplante Landung und der letzte geplante Start des Tages vor 22.45 Uhr stattfinden. Schließlich soll sich der Senat dafür einsetzen, dass mehr Haushalte als bisher von Zuschüssen für bauliche Lärmschutzmaßnahmen profitieren können.

Bei der Opposition stieß der Maßnahmenkatalog auf heftige Kritik – und zwar schon aus rein formalen Gründen: Der Antrag war erst rund zwei Stunden vor Beginn der Ausschusssitzung verbreitet worden. „Ich finde das ziemlich frech“, sagte Dennis Thering, der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion. Inhaltlich sei der Maßnahmenplan „ein Schlag ins Gesicht der lärmgeplagten Hamburgerinnen und Hamburger“, so Thering. „Durch die rot-grüne Verweigerungshaltung im Kampf gegen den Fluglärm wird die Akzeptanz des innerstädtischen Großflughafens unnötigerweise weiter geschwächt.“ Für Thering ist es „unbegreiflich“, warum man weiter auf den Dialog mit den Airlines setzt, wo doch die im Frühjahr 2016 gestartete „Pünktlichkeitsoffensive“ des Flughafens und mehrerer Fluggesellschaften offensichtlich ohne Wirkung geblieben sei.

Kein Eingriff in Betriebszeiten

Für die SPD verteidigte deren stellvertretende Fraktionsvorsitzende Monika Schaal den Antrag. Mit dem Maßnahmenpaket trage man den „Besonderheiten des Stadtflughafens“ und dem Schutzbedürfnis der Anwohner Rechnung. „Es gibt eine Anzahl von Lärm­geplagten auch in den Reihen der Abgeordneten“, so Schaal, „wir wissen durchaus, wovon wir sprechen.“

Ein Eingriff in die Betriebsgenehmigung des Hamburger Flughafens – die auch die Betriebszeiten regelt – sei aber nicht vorgesehen. „Ein Vorziehen der Nachtruhe auf 22 Uhr lehnen wir ab“, stellte Schaal klar. Die Umweltschutzorganisation BUND hatte der Hamburgischen Bürgerschaft vor knapp einem Jahr knapp 15.000 Unterschriften für eine Nachtruhe am Airport von 22 Uhr bis 6 Uhr an Werktagen und von 22 Uhr bis 8 Uhr an Sonn- und Feiertagen überreicht.

Grüne konnten härteren Kurs nicht durchsetzen

„Mit großer Enttäuschung“ reagierte BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch auf den Antrag. Dieser sei ein „Kniefall vor den Interessen der Fluggesellschaften und der Unternehmensleitung des Flughafens“, sagte Braasch: „Ich halte es für eine unkluge Politik, die betroffenen Menschen nicht ernst zu nehmen.“ Man werde sich nun mit Unterstützung von Juristen sehr genau die Betriebserlaubnis des Flughafens ansehen, um Ansatzpunkte für Klagen dagegen zu finden.

Für Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) ist die Zunahme der Verspätungen nach 23 Uhr „nicht länger hinnehmbar“. Er begrüßte, dass sich die Koalition nun auf ein härteres Vorgehen gegen „Verspätungssünder“ geeinigt hat. „Wir hätten uns aber auch schärfere Regelungen insbesondere bei Starts nach 23 Uhr vorstellen können“, so Kerstan. „Dafür war jedoch in der Koalition keine Einigung zu erzielen.“

Flughafenchef Eggenschwiler zeigte sich mit dem rot-grünen Antrag zufrieden: „Das Ergebnis ist ein fairer Ausgleich der Interessen, dem wir gut folgen können.“