Hamburg. Präses Tobias Bergmann sieht „enorme Risiken für den Wirtschaftsstandort“. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Fluglärmschutz.

Die Initiative von SPD und Grünen in der Bürgerschaft, auf dem Weg über den Umweltausschuss eine Einschränkung der bestehenden Nachtflugregelung am Hamburger Flughafen zu erwirken, alarmiert die Wirtschaft. Eine Verkürzung der Betriebszeiten berge „enorme Risiken für den Wirtschaftsstandort“, warnt Handelskammer-Präses Tobias Bergmann.

„Der Flughafen Hamburg ist als internationaler Verkehrsknotenpunkt für unsere Mitgliedsunternehmen und für die Hamburgerinnen und Hamburger ein entscheidender Standortfaktor und ein großer Arbeitgeber“, so Bergmann. „Seine Lage mitten in der Stadt bringt große Vorteile und bedeutet gleichzeitig eine besondere Verantwortung für den Schutz von Mensch und Natur.“ Selbstverständlich gelte es daher, „sinnvolle Maßnahmen zur Lärmreduktion zu entwickeln und umzusetzen.“ Die Kammer begrüße deshalb den „Luftfahrtgipfel“ Anfang Oktober in Hamburg: „Von diesem Gipfel erwarten wir konkrete Lösungen.“ Antworten auf die wichtigsten Fragen zur aktuellen Debatte um die Nachtflüge:

Wie sieht die bisherige Regelung für Nachtflüge in Hamburg aus?

Für den Hamburger Flughafen gelten Betriebszeiten von 6 bis 23 Uhr. Eine damit verbundene Verspätungsregelung bis Mitternacht erlaubt Starts in Ausnahmefällen und Landungen unter Angabe von „unvermeidbaren Verspätungsgründen.“ Die Behörde für Umwelt und Energie prüft die „Unvermeidbarkeit“ – etwa aufgrund von besonderen Wetterereignissen oder Streiks von Fluglotsen – im Nachhinein. Für Flüge nach 24 Uhr hingegen ist eine vorab erteilte Einzelausnahmegenehmigung der Fluglärmschutzbeauftragten erforderlich.

Um gegen zunehmende Verspätungen vorzugehen, wurden im Juni 2017 die Zuschläge auf die Start- und Landeentgelte bei Flugbewegungen zwischen 23 und 24 Uhr auf bis zu 700 Prozent angehoben. Falls der Verdacht besteht, dass bestimmte Verspätungen durch eine bessere Planung zu verhindern gewesen wären, können Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen Airlines eingeleitet werden. Anfang März hatte die Umweltbehörde mitgeteilt, dass der britische Billigflieger EasyJet aufgefordert wurde, 468.000 Euro wegen 21 verspäteter Starts nach London und Edinburgh im Jahr 2017 zu zahlen.

Was wollen die Bürgerinitiativen für Fluglärmschutz erreichen?

Die Maximalforderung der Fluglärmschützer ist ein striktes Nachtflugverbot ab 22 Uhr. Am Montag haben sich erstmals alle Fluglärminitiativen aus dem Großraum Hamburg sowie die Umweltschutzorganisation BUND in einem gemeinsamen Appell an die Abgeordneten der Bürgerschaft gewandt, um eine solche Beschränkung einzufordern. „Dies ist für einen innerstädtischen Flughafen ein notwendiger und überfälliger Schritt“, denn die Nachtrandzeiten stünden wegen ihrer Bedeutung für die Gesundheit besonders im Fokus, heißt es in dem Schreiben. Die Hamburger Fluglärmschutzkommission empfahl im Dezember 2017, zukünftig keine Verspätungsregelung für Starts nach 23 Uhr und für Landungen nach 23.30 Uhr mehr zuzulassen.

Wie könnte der erwartete Antrag von Rot-Grün aussehen?

Aus der Sicht der Bürgerinitiativen und des BUND haben alle bisherigen Maßnahmen, mit denen man eine Eindämmung der Flüge nach 23 Uhr erreichen wollte, keine Wirkung erzielt. Dieser Position haben sich die Bürgerschaftsfraktionen der SPD und der Grünen offensichtlich angeschlossen. Beide nannten auf Anfrage jedoch keine Einzelheiten zu dem Antrag, den sie am Donnerstag im Umweltausschuss einbringen wollen. Nach Informationen des Abendblatts wird versucht, eine Formulierung zu finden, die von den in der Bürgerschaft vertretenen Fraktionen möglichst einvernehmlich getragen werden kann. So könnte es zum Beispiel darum gehen, künftig auch für Flugbewegungen schon vor 24 Uhr eine Einzelausnahmegenehmigung zu verlangen – bisher ist dies erst für Passagierflüge nach Mitternacht erforderlich.

Am 26. September soll sich die Bürgerschaft mit dem Antrag beschäftigen. Es handelt sich dabei nach Abendblatt-Informationen nicht nur um einen Prüfauftrag an den Senat, sondern um ein Ersuchen, im Sinne der Bürgerschaft tätig zu werden.

Wie kann die Betriebsgenehmigung des Flughafens geändert werden?

Die geltenden Betriebszeiten sind Teil der Betriebsgenehmigung des Hamburger Flughafens. Diese kann nach Darstellung des Senats nicht „von Amts wegen“ geändert werden, sofern sie keinen Rechtsfehlern unterliegt. Der BUND sieht das ganz anders. Schon weil der Flughafen mehrheitlich der Stadt Hamburg gehöre, sei eine Änderung möglich. Zudem habe sich seit der jüngsten Planfeststellung zur Flughafenerweiterung im Jahr 1999 „die Rechtsprechung zur Abwägung von Nachtfluglärm deutlich zugunsten der Fluglärmbetroffenen verändert“, argumentiert der BUND.

Wie haben sich die Verspätungszahl en zuletzt entwickelt?

Nach Angaben des BUND hat sich die Zahl der Starts und Landungen von Linien- und Touristikfliegern zwischen 23 Uhr und 6 Uhr in Hamburg bis Ende August auf 889 erhöht – das sei ein Plus von 25 Prozent gegenüber dem entsprechenden Zeitraum des bisherigen Verspätungs-Rekordjahrs 2017. Der Flughafen nennt eine Zahl von 747 Verspätungen bis Ende Juli, wobei man im Juli einen Rückgang um sechs Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat und im August eine „gleichbleibende Tendenz“ verzeichnet habe – entgegen dem europäischen Trend.

Wie ist die Position des Flughafens zu der Verspätungssituation?

Im international eng vernetzten Luftverkehr reiche schon eine kleine Verzögerung – zum Beispiel durch ein Unwetter, eine technische Störung oder einen medizinischen Notfall – um eine Verspätung herbeizuführen, so Hamburgs Flughafenchef Michael Eggenschwiler: „Am Ende dieser Kette stehen die Passagiere, die trotz der Verzögerung an ihrem Zielort ankommen möchten.“

Der Flughafen habe den öffentlichen Auftrag, „die Mobilität Norddeutschlands für die Bürger und für die Wirtschaft zu sichern“, so Eggenschwiler. Jede Einschränkung der Verspätungsregelung habe negative Auswirkungen darauf. Denn bei einer Betriebszeitenänderung würden Airlines hier stationierte Flugzeuge abziehen. Neben einem erheblichem Passagierverlust hätte dies auch eine Ausdünnung des Streckennetzes zur Folge.