Hamburg. Umweltschutz ist das große Thema auf der Branchenmesse SMM in Hamburg. Das Ecoship soll Maßstäbe setzen.

Mitte des 19. Jahrhunderts war Schluss. Wurden Schiffe bis dahin fast nur mit Segelkraft angetrieben, kam damals die Dampfmaschine auf. Segelschiffe kamen aus der Mode. Aber wie das bei Moden so ist, kehren sie immer wieder. Die Weltleitmesse des Schiffbaus SMM, die am Dienstag in den Hamburger Messehallen startete und noch bis Freitag andauert, ist dafür ein Beispiel: Windkraft als Schiffsantrieb kehrt zurück.

Ein Spaziergang durch die Messehalle A 5 gibt Einblick in die Zukunft einer Fortbewegungsart auf dem Wasser, die eigentlich uralt ist. Gleich am Eingang hat die japanische Nichtregierungsorganisation Peace Boat (Friedensschiff) ihren Stand. Sie lässt das grünste Kreuzfahrtschiff der Welt bauen, wie sie selbst sagt: das Ecoship.

Über fünf Decks hinweg soll auf dem saubersten Kreuzfahrtschiff der Welt ein Garten entstehen, der mit den Abfällen aus den Restaurants gedüngt wird
Über fünf Decks hinweg soll auf dem saubersten Kreuzfahrtschiff der Welt ein Garten entstehen, der mit den Abfällen aus den Restaurants gedüngt wird © Peace Boat Ecoship

Das 224 Meter lange Schiff, dessen Außenhülle einem Wal nachempfunden ist, um den Wasserwiderstand zu minimieren, wird über neun Segel verfügen, die zusammen mit einem Biogas-Motor für den nötigen Vortrieb sorgen sollen.

Große Solaranlagen an Bord

Hinzu kommen 6000 Quadratmeter Solaranlagen, die zusammen 1 Megawatt Strom produzieren. „Die Kohlendioxid-Emissionen werden beim Ecoship gegenüber herkömmlichen Kreuzfahrtschiffen dieser Größe um 40 Prozent gesenkt“, sagt Projektkoordinator Rémy Millot.

750 Kabinen wird das Segel-Kreuzfahrtschiff haben und 2000 Passagiere transportieren können, denen einiges geboten wird. Vorne im Bug wird über fünf Decks hinweg ein Garten entstehen, der mit den Abfällen aus den Restaurants gedüngt wird. „Jeder Hausbesitzer sammelt im Garten seinen Kompost, warum soll das nicht auch auf einem Kreuzfahrtschiff gehen?“, sagt Millot. Jeder Gast bekommt einen Smartmeter, also einen Stromzähler, mit dem er seinen persönlichen Verbrauch messen kann. „Wem es gelingt, seinen Verbrauch zu senken, der bekommt Coupons, mit denen er in den Bordshops Rabatt erhält.“

Start für 2020 geplant

Zu den Olympischen Spielen 2020 soll das Schiff fahren. „Wir haben für den Bau eine Absichtserklärung mit einer Werft in Helsinki geschlossen“, sagt Millot. Wann der Bauauftrag erteilt wird, ist noch offen. Möglicherweise schon gegen Ende des Jahres.

Erfunden wurde das Ecoship übrigens bei der SMM in Hamburg vor vier Jahren. Das Design ist ebenfalls in der Hansestadt ausgetüftelt worden, nämlich­ vom hiesigen Schiffs-TÜV DNV GL. Seine Weltumrundungen wird das Ecoship künftig anders als die meisten anderen Kreuzfahrtschiffe nicht von Ost nach West durchführen, sondern von West nach Ost. So lässt sich der Wind besser ausnutzen.

Nur wenige Schritte weiter in der Halle haben zwei Spanier einen kleinen Stand mit einem riesigen Segel. Dieses besteht aus Metallteilen und lässt sich per Knopfdruck wie eine Ziehharmonika zusammenfalten, wenn der Wind einmal aus der falschen Richtung bläst. Bound4blue heißt die Firma mit Sitz in Barcelona. Bereits im Frühjahr des kommenden Jahres werden Fischerboote in Peru mit dem Segel ausgestattet, Ende 2019 ein Frachter in der Karibik. Sieben bis acht Prozent Treibstoff kann man im Schnitt damit einsparen. Die kleineren Fischerboote sogar 20 bis 30 Prozent.

Windkraft auch für Airbus

Gerade als Bound4blue sein Segel demonstriert, wird bekannt, dass Airbus für sein Frachtschiff, welches das Hamburger Werk mit Flugzeugteilen beliefert, einen Lenkdrachen als zusätzlichen Antrieb bestellt hat. Erlebt das Segelschiff eine Renaissance? „Ja“, sagt David Ferrer Desclaux von Bound4blue. „Es gibt aber einen Unterschied: Früher wurden die Schiffe mit Windkraft angetrieben, heute wird diese genutzt, um Treibstoff einzusparen und damit die Emissionen zu senken.“

Daran ist die internationale Schifffahrtsindustrie derzeit interessiert. Die Reeder müssen nämlich schärfere Umweltvorschriften erfüllen. Vom 1. Januar 2020 an dürfen Schiffe nach Bestimmungen der International Maritime Organization (IMO) auf hoher See nur noch Treibstoff mit einem Schwefelgehalt von 0,5 Prozent statt bisher 3,5 Prozent verbrennen oder müssen alternativ die Abgase vom Schwefel reinigen. „Jetzt geht es für die IMO und die Branche darum, den neuen Grenzwert konsequent umzusetzen“, sagt General­sekretär Kitack Lim bei der Eröffnung der SMM. „Wir werden es schaffen, aber wir müssen hart arbeiten“, sagt der Vorsitzende der International Chamber of Shipping (ICS), Esben Poulsson.

Ziele für Kohlendioxid-Emissionen

Eine weitere Herausforderung für die Branche ist ihr Ziel, bis 2050 die Kohlendioxid-Emissionen (CO2) auf die Hälfte – im Vergleich zu 2008 – zu senken. Die internationalen Reedereien rechnen laut einer Umfrage von 2019 bis 2023 mit Aufwendungen von mehr als 215 Milliarden Euro für Investitionen und Betriebskosten im Bereich „Green Shipping“, einer weniger umweltschädlichen Schifffahrt, berichtet Poulsson.

„Neben der Digitalisierung bildet Green Shipping eines der Kernthemen der SMM“, sagt Messechef Bernd Aufderheide. Flankiert wird die Messe zudem von hochkarätigen Fachkonferenzen wie dem global maritime environmental congress (gmec).

„Wir wissen noch nicht, welche Technologie uns für mehr Umweltschutz am besten voranbringt“, sagt der Produktmanager Frank Starke von Caterpillar. „Motoren können Wasserstoff verbrennen, die Sicherheit und die Logistik sind hier jedoch die Herausforderungen.“ Für das ehrgeizige 2050-Ziel müssten mehrere Technologien wie Batteriebetrieb oder LNG-Motoren mit verflüssigtem Erdgas parallel weiterentwickelt werden, um das beste Ergebnis zu finden. „Wir brauchen Lösungen, die wir in den nächsten zehn Jahren in Gang bringen können“, mahnt der ICS-Chef. Eine dieser Lösungen dürfte die Windkraft sein.

Die Messe:

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist Schirmherrin der SMM, die alle zwei Jahre stattfindet – in diesem Jahr zum 28. Mal.

50.000 Besucher aus 124 Ländern werden bis Freitag auf dem Hamburger Messegelände erwartet, wo sich 2289 Aussteller aus 69 Nationen präsentieren.

30 internationale Delegationen aus Politik, Wirtschaft und Marinestreitkräften haben sich angemeldet. Zeitgleich zur Messe gibt es fünf Fachkonferenzen.