Hamburg. Mobile Kraftwerke mit Flüssigerdgas (LNG) sollen Containerschiffe im Hafen mit Strom versorgen. Schadstoffausstoß sinkt deutlich.

Was für eine merkwürdige Hochzeit: Rundherum drehen sich auf dem Containerterminal Burchardkai Hafenkräne, als ein Mann mit Warnweste und Helm in ein Megafon ruft: „Jetzt wird der Tank mit dem PowerPac verheiratet.“ Langsam schiebt ein Containerhubwagen einen großen weißen Tank über einen 40-Fuß-Container und senkt ihn dann in eine Haltevorrichtung ab. Die Verbindung nennt man verheiraten. Und die Hochzeitsgäste – wenn man so will – stehen daneben. Aus Berlin ist extra der parlamentarische Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums, Enak Ferlemann (CDU), angereist. Dem feierlichen Anlass gemäß sagt er: „Das ist ein deutsches Ingenieursstück, das seinesgleichen sucht und weltweit Einsatz finden wird.“

Das von ihm als Ingenieursstück bezeichnete Gerät ist ein „PowerPac“, eine Weltneuheit, mit der erstmals Containerschiffe während ihrer Liegezeit im Hafen über einen schadstoffarmen Gasmotor mit Energie versorgt werden. Denn in dem Container unter dem Tank befindet sich ein Motor. Das System funktioniert so: Sobald das Containerschiff angelegt hat, werden die zwei Container an Bord gehoben – das sogenannte PowerPac. Die eine Box enthält den gasbetriebenen Generator mit einer Leistung von 1,5 Megawatt, die andere den Tank mit verflüssigtem Erdgas (Liquefied Natural Gas, LNG). Dieses PowerPac übernimmt die Versorgung des Bordnetzes mit Strom, anstatt der schiffseigenen Dieselmotoren.

Stickoxide werden massiv gesenkt

Der Vorteil: Mit diesem System wird die Luftverschmutzung in den Häfen radikal gemindert. Schwefeloxide und Feinstaub fallen im Gegensatz zur Verbrennung von Schiffsdiesel beim LNG gar nicht mehr an. Und auch die gefährlichen Stickoxide werden um mindestens 88 Prozent gesenkt. Zudem ist die Anschaffung von PowerPacs wesentlich kostengünstiger als riesige In­frastrukturumbauten, um alle Schiffsliegeplätze mit Landstromanschlüssen auszustatten.

Hinter dem mobilen Kraftwerk steckt eine mittelständische Schiffbauzulieferfirma, die schon mit so manchem neuen Produkt den maritimen Weltmarkt aufgerollt hat: Becker Marine Systems. Deren Geschäftsführer Dirk Lehmann sagt: „ Wir sind mit diversen europäischen sowie chinesischen Häfen im Gespräch und zuversichtlich, dass sich das LNG PowerPac auf dem Markt durchsetzen kann.“ Zwölf Millionen Euro hat Becker Marine Systems in den Bau von vier Prototypen des PowerPacs investiert. Zu 40 Prozent wurde die Entwicklung vom Bundesverkehrsministerium bezuschusst. Ferlemanns Begründung: „Wir müssen den Schadstoffausstoß in den Häfen senken, und wir halten diese Lösung für eine besonders gelungene Idee.“

Viele Schiffe mit Steckdose ausgestattet

Damit diese Weltneuheit aber im Hamburger Hafen realisiert werden kann, bedarf es weiterer Partner. So hat Becker Marine Systems Hamburgs Traditionsreederei Hapag-Lloyd als Partner für die Erprobung seiner LNG-Kraftwerke gewinnen können sowie die HHLA als Umschlagsunternehmen. „Wir haben bei der Entwicklung des PowerPacs einbringen können, was aus Terminalsicht wichtig ist“, sagte HHLA-Vorstand Jens Hansen. „Die Testläufe haben gezeigt, dass diese Anlage gut in unsere Prozesse integrierbar ist.“

Auch Hapag-Lloyd hat das Projekt gern unterstützt. „Landstrom ist ein wichtiger Baustein in unseren Bemühungen, unser Geschäft noch nachhaltiger zu gestalten“, sagte Schifffahrtsvorstand Anthony J. Firmin. Da in den kalifornischen Häfen eine Landstromversorgung inzwischen Pflicht sei, hätten viele Schiffe bereits vorgefertigte Steckdosen. „Wir haben Becker Marine geraten, dieselbe Norm zu verwenden“, so Firmin. Noch wirtschaftlicher sei das PowerPac aber, wenn es gar nicht erst an Bord gehoben werden müsste, sondern das Schiff von der Kaikante aus mit einem langen Stromkabel versorgen könnte. „Das geht in Hamburg leider nicht“, so Firmin.

Bauliche Probleme

Becker-Chef Lehmann begründet dieses mit baulichen Problemen. „Da müsste eine Haltevorrichtung gebaut werden, die das Stromkabel über die Flutschutzmauer zwischen den Containerbrücken hindurchführt. Das wäre im Zusammenhang mit der Erprobung zu aufwendig gewesen“, sagt er. Nach Informationen des Abendblatts soll aber auch die Umweltbehörde Bedenken gegen ein mobiles LNG-Kraftwerk an der Kaikante gehabt haben.

Laut Lehmann hat diese Methode aber auch ihre Vorteile: „Ist der LNG-Tank leer, kann er gleich auf einen Gefahrgutstellplatz gehoben und per Schiff nach Rotterdam zur Befüllung gefahren werden. Die Versorgung ist nämlich das Problem: Es sind zwar mehrere Vorhaben bekannt, aber noch gibt es in keinem deutschen Hafen ein Terminal zur LNG-Versorgung. Das Flüssigerdgas muss stattdessen aufwendig per Lkw aus Rotterdam abgeholt werden. „Da wäre eine Direktfahrt mit dem Schiff sinnvoller.“

Nur schade, dass die PowerPac-Macher ihr mobiles Kraftwerk gestern nicht im Schiffseinsatz vorführen konnten: Der vorgesehene Hapag-Lloyd-Frachter hatte Verspätung. „Das Schiff kommt erst morgen um 5.30 Uhr“, entschuldigte sich Lehmann. Wenn man so will, war das der einzige Wermutstropfen bei dieser Hochzeit im Hafen.