Der Chef der Tourismus GmbH liebt die Stadt mit Haut und Haaren. Doch er weiß, dass mehr Gäste nicht nur Freude bringen.

Die Norderelbe zieht Michael Otremba in ihren Bann. Der Chef der Hamburg Tourismus (HHT) lässt den Blick vom Ponton des Cafés Entenwerder 1 über das Wasser auf die Industrieanlagen schweifen: „Wir sind nur wenige Minuten von der Innenstadt entfernt und trotzdem in einer ganz anderen Welt. Ich kann hier sehr gut abschalten vom oft hektischen Alltag“, sagt ­Otremba.

Sein Arbeitstag hat in der Regel zwölf Stunden oder mehr. Und danach geht es meistens noch zu Abendveranstaltungen. Der 47-Jährige ist ein begeisterter Netzwerker. „Ich empfinde unterschiedliche Perspektiven als Bereicherung. Ich habe ein ehrliches Interesse an Dialog und Einbindung, das ist tief in meiner Persönlichkeit verwurzelt.“

Gebürtig aus Stade

Viele ausführliche Interviews hat Otremba seit dem 1. Mai 2016, als der gebürtige Stader zum neuen HHT-Chef gekürt wurde, noch nicht gegeben. Doch an diesem Tag, an dem das Wetter zwischen blauem Himmel und Nieselregen wechselt, nimmt sich Michael Otremba Zeit. Er trinkt einen Schluck von seinem Espresso. Draußen zieht ein Frachter vorbei: „Ich bin ein echter Norddeutscher und deshalb auch wirklich glücklich, hier in Hamburg zu sein.“

Aufgewachsen ist Otremba in Eckernförde an der Ostsee; er verbrachte eine sorglose Kindheit am Meer. In seiner Jugend träumte der begeisterte Sportler von einer Karriere als Profifußballer. Er ist, wie er selbst sagt, „kläglich gescheitert“. Und dennoch hat ihn sein Weg in die Fußballbundesliga geführt. Sogar den Gewinn der deutschen Meisterschaft hat er hautnah miterlebt ...

Sportökonomie studiert

Sein realistischer Berufswunsch stand bereits früh fest: Otremba wollte Sportorthopäde werden, ging zum Medizinstudium nach Heidelberg. Aber nach ein paar Monaten merkte er, „dass dieser Bereich doch nichts für mich ist“.

Schließlich studierte Otremba Mitte der 90er-Jahre Sportökonomie in Bayreuth. Danach vermarktete er unter ­anderem den Fußballbundesligisten Borussia Dortmund – der in dieser Zeit, 2002, deutscher Meister wurde – und arbeitete schließlich elf Jahre in leitender Position im Fußball, zuletzt für die International Management Group bei 1860 München.

Geprägt hat ihn auch die Zeit beim Flughafen München. Dort verantwortete er ab 2008 die Bereiche Werbung, Medien und Marketing sowie den markengetriebenen Veränderungsprozess des zweitgrößten deutschen Airports: „Das ist eine Stadt in der Stadt, aus der wir eine eigene Marke gemacht haben. Ich durfte sozusagen der Kopf hinter und teilweise das Gesicht dieser Marke sein.“ Für Otremba ein Traumjob.

Aufgabe mit glänzenden Perspektiven

Doch als sich ihm die Chance in Hamburg bot, wollte er den Wechsel unbedingt: „Es hat mich begeistert, so eine tolle Aufgabe für diese faszinierende Stadt zu übernehmen. Die Vorstellung hat mich nicht mehr losgelassen.“ Er leitet nicht nur die Tourismus GmbH, sondern ist zudem auch Geschäftsführer der Hamburg Marketing GmbH und des Hamburg Convention Bureaus.

Vorher hatte er sich mit seiner Frau Claudia abgestimmt. Die beiden sind fast zwölf Jahre verheiratet. Sie ist offensichtlich überzeugt von ihrem Ehemann: „Meine Frau sagte: Wenn du mit den Hamburgern Gespräche führst, dann bekommst du diese Position.“ Es ist eine Aufgabe mit glänzenden Perspektiven. Der Tourismus in Hamburg wächst stetig. Die Stadt zählt in vielen Studien zu den lebenswertesten Metropolen weltweit. So auch 2017: Fast 14-Millionen-Übernachtungen wird das Statistikamt Nord am 21. Februar verkünden: „Der Tourismus wird weiterwachsen. Aber für mich stehen nicht nur die Zahlen im Fokus. Meine Hauptaufgabe ist es, dass die Lebensqualität für die Hamburger und Besucher dieser Stadt weiter zunehmen wird.“

Er will daran arbeiten, die Besucherströme zu entzerren

Doch Otremba sieht auch die Herausforderung, den Tourismus für alle akzeptabel zu entwickeln. Nicht jeder Bürger ist begeistert. Vor allem in den Sommermonaten werden Szeneviertel wie St. Pauli, die Schanze oder St. Georg von Touristen regelrecht überschwemmt: „Wichtig ist, dass wir die Zustimmung für den Tourismus erhalten. Aber dafür müssen wir unter anderem daran arbeiten, die Besucherströme zu entzerren.“

Das heißt: „Hamburg hat so viele Facetten, und die müssen wir herausarbeiten. Wir laden die Gäste ein, sich nicht nur auf den Hafen oder die Reeperbahn zu fokussieren, sondern auch die Vier- und Marschlande oder Harburg zu entdecken.“

Ein gutes halbes Jahr nachdem Otremba seinen Posten angetreten hatte, eröffnete die Elbphilharmonie im Januar vergangenen Jahres. Jetzt werden auch die bedeutendsten Medien in den USA oder China auf Hamburg aufmerksam. Das Konzerthaus soll die Elbmetropole weltweit sichtbar machen: „Die Wahrnehmung auf Hamburg hat sich verändert. Das Scheinwerferlicht ist auf uns gerichtet, und wir haben die große Chance, mehr Menschen die Vorzüge der Stadt nun viel klarer präsentieren zu können.“ Mit der Elbphilharmonie werde einmal mehr bewiesen, dass Hamburg eine Stadt mit Ambitionen sei und Maßstäbe setze.

Digitalisierung spielt große Rolle

Doch Otremba weiß auch: „Wir wollen noch besser werden. Wir sollten den Gast, den Kunden, den Hamburger noch mehr in den Mittelpunkt stellen. Dabei wird uns die Technik helfen.“

Das Thema Digitalisierung spielt für Otremba „eine große Rolle. Wir können über die Onlinemedien und Services mit den potenziellen Besuchern und Gästen noch viel intensiver in Kontakt treten.“

Der HHT-Chef liebt seine neue Heimat. München, wo er mehr als ein Jahrzehnt gelebt hat, sei schön, Hamburg aber deutlich spannender: „Es gibt so vieles, was unsere Stadt einzigartig macht. Die Lage am Wasser, aber vor allem auch die Gegensätze. Hamburg ist Elbphilharmonie und HafenCity, aber auch Kiez und Reeperbahn.“

Er hat seinen Traumjob gefunden. Als „neugierig, offen und achtsam im Umgang mit anderen Menschen“, so charakterisiert sich Otremba selber. Er sei ungeduldig, gebe immer 100 Prozent. Das erwartet der Geschäftsführer auch von den rund 200 Kollegen: „Ich habe eine große Wertschätzung für Menschen, die ihren Job mit viel Engagement und Leidenschaft machen. Dann gebe ich auch gerne Verantwortung ab, um die Motivation und individuellen Stärken weiterzuentwickeln.“

In der Freizeit geht es auf das Fahrrad

Aber es gibt auch einen Privatmann Otremba. In der Freizeit ist er mit dem Fahrrad am Alsterlauf unterwegs. Eine weitere Leidenschaft ist das Golfspielen: „Leider schaffe ich das viel zu selten.“ Mit Bällen kann der ehemalige Fußballer umgehen. 13 ist sein aktuelles Handicap beim Golf.

Nach längerer Suche hat das Ehepaar Otremba eine Wohnung gefunden. Die Wahl ist auf Alsterdorf gefallen. Hier empfangen die beiden Gäste zum gemeinsamen Abendessen am langen Holztisch. Es seien in Hamburg auch schon neue Freundschaften entstanden. Als Genießer taucht er auch ein „in die Gastroszene. Es gibt in Hamburg viele spannende Restaurantkonzepte mit wirklich kreativer Küche.“

Dazu passt das Motto „Szene und Genuss“ des Hamburg-Auftritts auf der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) in Berlin, die am 7. März beginnt. Es werden rund 10.000 Aussteller aus mehr als 180 Ländern erwartet. Das Vertrauen in seine Mitarbeiter ist groß: „Ich weiß, dass sie alles Mögliche in Bewegung setzen, um unsere Präsenz in Berlin optimal vorzubereiten. Die brennen für Hamburg mindestens so wie ich.“

Urlaub in Sri Lanka

Deshalb kann Otremba auch beruhigt gemeinsam mit seiner Frau ausspannen und Kraft tanken für die ITB, auf der er einen Terminmarathon zu absolvieren hat. Es geht nach Sri Lanka. Tauchen steht unter anderem auf dem Programm.

Seine Zukunft sieht Otremba an der Elbe: „Ich mache meinen Job mit Leidenschaft und Demut.“ Einen Dreijahresvertrag hat Otremba erhalten, mit der Option auf Verlängerung. Die steht 2019 an. Der Tourismuschef will die Zukunft mitgestalten, und dafür gibt er alles.

Nächstes Porträt: Christi Degen, Geschäfts­führerin der Handelskammer Hamburg