Hamburg. Messungen zeigen bundesweiten Rekordwert bei Belastung mit giftigen Stickoxiden an einem sehr prominenten Hamburger Ort.

Die Fahrverbote für ältere Diesel an Stresemannstraße und Max-Brauer-Allee führen offenbar zu steigenden Belastungen auf Ausweichstrecken. Das jedenfalls legen stichprobenartige Messungen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) aus dem Juni nahe.

Die DUH hatte nach eigenen Angaben vom 1. Juni bis 1. Juli an bundesweit 461 Messstellen in 233 Städten und Kommunen die Belastung der Atemluft mit dem Dieselabgasgift Stickstoffdioxid (NO2) gemessen – auch in Hamburg. Dabei konnten sich alle interessierten Bürger beteiligen und sogenannte „Passivsammler“ (kleine Messröhrchen) außerhalb ihrer Wohnungen oder Häuser installieren.

Messwert an der an der Fruchtallee am höchsten

In Hamburg lag laut BUND demnach die Belastung mit giftigen Stickoxiden (NOx) an sechs gemessenen Straßen über dem seit 2010 geltenden EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Am höchsten war er an der Fruchtallee mit 59 Mikrogramm. Diese gelte als Ausweichstrecke für ältere Diesel-Lkw, die nicht mehr durch die Stresemannstraße fahren dürfen.

Live-Daten zur Luftqualität in den Stadtteilen

Ebenfalls zu hoch waren die Werte laut BUND an Bürgerweide (55 Mikrogramm), Bahrenfelder Chaussee (46), Holstenstraße (43) und Theodor-Heuss-Platz (42). Deutlich über dem Grenzwert liegt die Luftbelastung mit 54 Mikrogramm auch an der Promenade der Landungsbrücken. Den bundesweit höchsten Wert stellte die DUH direkt am Schiffsanlager der Landungsbrücken fest: Dort war die Luft mit 98,5 Mikrogramm giftigen Stickoxiden pro Kubikmeter Luft belastet. Das ist fast zweieinhalb Mal soviel, wie die EU erlaubt.

Braasch: Stichproben sprechen eine deutliche Sprache

Die Daten sind laut Umweltschützern nicht nur Indizien dafür, wie hoch die Gesundheitsbelastung durch den Schiffsverkehr ist. Für den BUND legen sie auch nahe, dass die Fahrverbote an zwei Straßen in der Summe nichts bringen – weil sich die Verschmutzung der Luft nur an andere Straßen verlagert.

„Wir haben zwar keine längerfristigen Messungen, aber die Stichproben sprechen eine deutliche Sprache“, sagte BUND-Chef Manfred Braasch am Dienstag. „Die derzeitigen Durchfahrtsbeschränkungen können zwar dazu dienen, die Belastungen an den amtlichen Messstationen zu senken. Dafür werden andere, ohnehin bereits viel befahrene Straßen stärker in Mitleidenschaft gezogen.“ Die im Luftreinhalteplan der Umweltbehörde formulierte Bedingung, „es ist sicherzustellen, dass Ausweichverkehre nicht zu einer Grenzwertüberschreitung andernorts führen“ werde damit nicht eingehalten, so Braasch.

Der BUND kritisiert überdies, „dass an den offiziellen Messstationen in den Höhen 1,5 Meter und vier Meter über Grund gemessen werde, darunter jedoch nicht“. Die Messungen des BUND und der DUH hätten jedoch ergeben, dass die Werte in „Kinderhöhe“ bzw. „Kinderwagenhöhe“ um rund 20 Prozent höher lägen. „Eine besonders gefährdete Bevölkerungsgruppe, nämlich unsere Kinder, werden damit noch deutlich stärker von den Schadstoffen beeinträchtigt als der Rest der Bevölkerung“, schlussfolgert Braasch.

Belastungen an Stresemannstraße gesunken

Der BUND sehe sich in seiner Forderung bestätigt, „dass nur weiträumige Durchfahrverbotszonen für ältere Dieselfahrzeuge und damit eine Reduzierung von Kraftfahrzeugen, Abhilfe schaffen könnten“. Um solche „zonalen Verkehrsbeschränkungen“ zu erreichen, hatte der BUND Ende Juli Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht.

In der Stresemannstraße war die Belastung nach Einführung der Durchfahrtsverbote für ältere Diesel-Lkw (Euro V oder schlechter) im Frühjahr nach den offiziellen Messungen der Stadt deutlich gesunken. Im Juni lag sie mit 37 Mikrogramm unter dem Grenzwert, im Juli mit 41 Mikrogramm nur noch minimal darüber. In der Max-Brauer-Allee, in der auf einem Abschnitt Durchfahrtsverbote für ältere Diesel-Lkw und -Pkw eingeführt wurden, waren die Werte ebenfalls zurückgegangen. Sie lagen im Juni und Juli mit jeweils 44 Mikrogramm aber nach den offiziellen Messungen weiter klar über dem EU-Grenzwert. In der extrem belasteten Habichtstraße wurden im Juni und Juli mit 55 und 51 Mikrogramm weiterhin sehr hohe Werte gemessen.

Senat hält die Messwerte nicht für aussagekräftig

Die vierte offizielle Messstation, an der die Grenzwerte neben Stresemannstraße, Habichtstraße und Max-Brauer-Allee zuletzt regelmäßig überschritten wurden, ist die Kieler Straße. Hier ist die Belastung im Juni und Juli mit 39 und 40 Mikrogramm von den vier offiziellen Problemstraßen am geringsten gewesen. Hauptquellen der giftigen Stickoxide, die zu Bronchitis, Asthma, Entzündungen oder Lungenkrebs führen können, sind der Kfz-Verkehr und Schiffsabgase. Besonders stark wird die Luft durch Dieselmotoren belastet.

Die Umweltbehörde sieht die Messungen von DUH und BUND nicht als verlässlich genug an. „Ein Monatswert hat keine Aussagekraft. Relevant ist der Jahresmittelwert“, sagte Behördensprecher Björn Marzahn. „Wir benötigen verlässliche, gültige, belastbare und vergleichbare Daten. Das garantiert unser Luftgütemessnetz vorbildlich seit Jahren. Als einzige Stadt messen wir in 1,5 Meter Höhe. Andere nur weit darüber.“