Hamburg. Die Obstbauern erwarten trotz Trockenheit 25 Prozent mehr Ertrag – dank der Bewässerung, die zudem die Früchte vor Sonnenbrand schützt.

Über 300 Meter ziehen sich die Reihen mit den Apfelbäumen auf dem Obsthof Brackenburg in Francop im Alten Land hin. Adam und Jacek Krotowski wirken mit den Kisten und dem kleinen Traktor noch etwas verlassen in den weiten Plantagen. Aber sie pflücken schon fleißig Äpfel, frühe Sorten wie Delba, Roter Gravensteiner oder James Grieve, die sich nicht zur Lagerung eignen und schnell vermarktet werden müssen.

Hofbesitzer Ulrich Harms bietet sie in seinem eigenen Hofladen an. Dort sind sie sehr gefragt, genauso wie auf den Märkten in Hamburg. „Als Frühsorte ist der Delba unschlagbar, er ist relativ süß und hat ein gutes Fruchtfleisch“, sagt Harms. Mit frischen und sehr saftigen Äpfeln werden die Kunden auf die neue Apfelsaison eingestimmt.

An diesem Sonnabend wird die Apfelsaison in Hamburgs Süden durch die Marktgemeinschaft Altes Land offiziell eröffnet. Erwartet wird eine Ernte mit insgesamt 300.000 Tonnen, 25 Prozent mehr als im Vorjahr. Da in Europa eine deutlich größere Erntemenge als im Vorjahr auf den Markt kommt, bedeutet das voraussichtlich auch günstigere Preise für die Verbraucher. „Das bisherige hohe Preisniveau wird nicht zu halten sein“, sagt Helwig Schwartau von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) in Hamburg.

Durchschnittspreis fällt auf unter 2 Euro

Im Juli kostete im Schnitt ein Kilo Äpfel im Einzelhandel 2,45 Euro. „Das waren 60 Cent mehr als vor einem Jahr“, sagt Schwartau. Er erwartet, dass durch die neue Ernte der Durchschnittspreis auf weniger als zwei Euro pro Kilo fallen wird. „Wenn die Mengen nicht wesentlich geringer ausfallen als erwartet“, schränkt der Preisexperte ein. Denn durch die Trockenheit können die Früchte kleiner ausfallen. „Sind sie auch nur einen Millimeter kleiner, sinkt die Erntemenge gleich um drei bis vier Prozent“, sagt Schwartau.

„Am 3. September werden wir mit der Ernte der ersten Lagersorten beginnen“, sagt Harms, der auf dem traditionsreichen Hof Brackenburg auf 38 Hektar Obst anbaut, davon auf 32 Hektar Äpfel. Er rechnet mit einem Ertrag von 30 bis 35 Tonnen je Hektar. Zuerst wird der Holsteiner Cox geerntet, etwa eine Woche später werden die ersten Elstar gepflückt. Die beliebte Apfelsorte benötigt noch etwas mehr Röte. „Wir hoffen, dass die Früchte nicht nur an Farbe gewinnen, sondern auch noch etwas an Größe“, sagt der 51 Jahre alte Gärtnermeister.

Die Farbe bekommen die Äpfel durch kühle Nächte und viel Sonne tagsüber. „Im Moment ist das Wetter ideal.“ Am beliebtesten sind die Äpfel in einer Größe von 70 bis 85 Millimetern. Wer in die Regale der Supermärkte will, der braucht Äpfel nach Maß. Harms, der seine Ware über die Marktgemeinschaft Altes Land vermarktet, befürchtet, dass es in diesem Jahr mehr kleinere Äpfel gibt, eine Folge der extremen Trockenheit.

Ernte beginnt früher und ist höher als 2017

Dennoch sind die Bauern an der Niederelbe, dem größten Obstanbaugebiet Deutschlands, zufrieden. Denn die meisten konnten ihre Plantagen bewässern. „Die Ernte beginnt in diesem Jahr etwa eine Woche früher und fällt deutlich höher als im Vorjahr aus“, sagt Matthias Görgens, stellvertretender Leiter der Obstbauversuchsanstalt Jork. Im Vorjahr konnten durch den späten Frost zur Blütezeit lediglich 240.000 Tonnen Äpfel geerntet werden. In diesem Jahr waren die Bedingungen besser, dennoch reicht es bei der Erntemenge nur zu einem Durchschnitts- und keinem Spitzenjahr. Der Grund: „Im Juni haben viele Apfelbäume wegen der Trockenheit Früchte abgeworfen“, sagt Görgens.

An Wärme und Sonne fehlte es 2018 hingegen nicht, was die Fruchtzuckerproduktion fördert. „Mit etwa 13 Prozent haben die Früchte in diesem Jahr einen hohen Zuckergehalt“, so Görgens. Zusammen mit der Fruchtsäure sorge das für einen außergewöhnlich guten Geschmack der Äpfel – sprich eine hohe Qualität. Von den rund 600 Obstbauern an der Niederelbe werden vor allem Elstar (80.000 Tonnen) und Jonagold (124.000 Tonnen) mit verschiedenen Untersorten wie Red Jonaprince angebaut. Um die Obstproduktion kontinuierlich aufrechtzuerhalten, müssen jährlich 1,5 Millionen Apfelbäume neu gepflanzt werden. Ein Baum hat nach 15 Jahren seine besten Zeiten hinter sich.

Die Harms’ sitzen seit 1780 auf dem Hof

Harms bewirtschaftet einen Hof mit Tradition. Seit etwa 1780 ist seine Familie dort ansässig. „Es ist die vermutlich erste Besiedlungsstelle in Francop“, sagt Harms, der als siebte Generation auf dem Hof wirkt. Eines seiner drei Kinder könnte den Betrieb weiterführen. Der Sohn hat eine Ausbildung zum Gärtner mit der Fachrichtung Obstbau gemacht. „Doch jetzt schaut er sich erst einmal ein bisschen die Welt an“, sagt sein Vater. Mit 38 Hektar ist Harms Hof einer der größeren im Alten Land. „Ich habe Flächen hinzugepachtet, denn der Strukturwandel verlangt immer größere Einheiten“, sagt Harms. Drei fest angestellte Mitarbeiter – wie die Krotowskis – beschäftigt er im Obstanbau. Neben Äpfeln werden noch auf jeweils zwei Hektar Birnen, Kirschen sowie Pflaumen und Zwetschgen angebaut.

Die Wohncontainer für die 20 Erntehelfer stehen schon auf seinem Grundstück. Bis zu sieben Wochen könnte die Erntezeit dauern. Dann werden insgesamt rund 1000 Tonnen Äpfel geerntet sein, die Harms selbst einlagert. Er hat Platz für bis zu 1200 Tonnen. 15 verschiedene Apfelsorten baut er an. Dazu gehören Topaz, Gala und Braeburn. „Das wichtigste Produkt ist zwar noch der Elstar, aber andere Sorten holen auf“, sagt Harms. Als neue Sorte läuft Wellant sehr gut. „Die Apfelsorte ist süßer als der Elstar und bleibt auch länger fest“, sagt Harms. „Viele Kunden sind von Elstar auf Wellant umgestiegen.“

Nähe zur Süderelbe ist von Vorteil

Ohne moderne Bewässerungstechnik wäre der Apfelanbau stärker den ex­tremen Witterungsverhältnissen ausgesetzt. „Im vergangenen Jahr diente die Bewässerung dem Frostschutz, in diesem Jahr haben wir die Äpfel abgeduscht, um sie vor Sonnenbrand zu bewahren“, sagt Harms. Bei Temperaturen von mehr als 30 Grad Celsius kommt es zu Sonnenbrand. Das sind braune, später schwarze Stellen auf den Äpfeln, hervorgerufen durch eine Fäulnis des Fruchtfleisches. „Durch unsere Sprinkleranlagen konnten wir die Äpfel durch die Verdunstungskälte auf 25 Grad abkühlen und so Verbrennungen vorbeugen“, sagt Harms. Außerdem mussten die Bäume wegen der extremen Trockenheit bewässert werden.

Der Marschboden kann zwar Feuchtigkeit sehr gut speichern, weil er sehr feine Kapillaren hat. Aber bei extremer Trockenheit müssen die Bauern zusätzlich bewässern. „Wir haben Glück, dass wir durch die Nähe zur Süderelbe hervorragendes Wasser haben“, sagt Harms. Je weiter die Plantagen von Hamburg entfernt sind und je näher sie an der Elbe Richtung Cuxhaven liegen, desto schwieriger wird es mit der Bewässerung. „Die Betriebe können das Wasser nicht nutzen, weil es zu salzhaltig ist“, sagt Görgens. „Das Brackwasser dringt immer weiter in die Elbe vor, sodass man es nicht für die Beregnung verwenden kann.“ So sind nicht alle Apfelplantagen vom Sonnenbrand verschont geblieben – und ohne zusätzliche Bewässerung sind die Äpfel auch kleiner.