Altes Land. Mit künstlicher Beregnung lassen sich Äpfel vor Sonnenbrand schützen. Doch Salz im Wasser macht dabei zunehmend Probleme.

Noch vor zwei Wochen galt der sonnenreiche Sommer als Segen für den Obstbau, nun machen die Hundstage mit Temperaturen von mehr als 30 Grad und die andauernde Trockenheit ernste Probleme. Besonders kritisch ist der steigende Salzgehalt im Beregnungswasser, der sich inzwischen elbaufwärts bis nach Francop bemerkbar macht. Im Nordsee-nahen Kehdinger Land kann bereits nicht mehr beregnet werden. „Die Lage spitzt sich zu“, sagt Dr. Karsten Klopp, Leiter des Obstbauzentrums Esteburg der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.

Klopp spricht von einer „extremen Situation, die wir so noch nicht erlebt haben“. In normalen Sommern werde vielleicht mal ein paar Tage lang beregnet, in diesem Jahr viel häufiger. Üblicherweise laufen die Beregnungsanlagen im Frühjahr, um die Obstblüte vor Frost zu schützen. Im Sommer werden sie an heißen Tagen mit Temperaturen über 30 Grad in Betrieb genommen, um die Plantagen zu klimatisieren.

Klopp: „Wenn die Äpfel sehr warm werden, ruft die Sonneneinstrahlung einen Sonnenbrand in Form von braunen Flecken hervor. Die Früchte sind dann nicht mehr zu vermarkten. Wir untersuchen gerade, wann der optimale Zeitpunkt für die Beregnung ist. Wahrscheinlich spätnachmittags, von 16 bis 18 Uhr.“

Dr. Karsten Klopp ist Leiter des Obstbauzentrums Esteburg in Jork
Dr. Karsten Klopp ist Leiter des Obstbauzentrums Esteburg in Jork © Esteburg | Esteburg/angela farah

Läuft die Wasserkühlung dagegen in der Zeit, in der die Sonne am höchsten steht, drohen Schäden durch Salz. Das Be- und Entwässerungssystem des Alten Landes steht mit der Elbe in Verbindung, die die Reservoirs verlässlich wieder auffüllt. Doch steigt der Salzgehalt des Elbwassers.

„Die Brackwasserzone verschiebt sich immer mehr Richtung Hamburg, denn vom Oberlauf kommt wenig Wasser nach“, so der Leiter der Obstbauversuchsanstalt in Jork. „Zudem hat die Elbvertiefung von 1999 dazu geführt, dass die Flut immer schneller aufläuft und mehr Salz flussaufwärts transportiert“, so Klopp.

Die Altländer haben sich einen Grenzwert von o,5 Gramm Salz im Liter Wasser gesetzt, der zur Beregnung nicht überschritten sein sollte. Er ist vielerorts erreicht. Zudem führt die starke Verdunstung gerade in den Mittagsstunden dazu, dass sich das Salz auf den Blättern aufkonzentriert. Folge sind sogenannte Blattnekrosen; braune Blattränder. „Wir beziehen unser Wasser direkt aus der Lühe und haben bereits ziemliche Blattschäden“, sagt Thore Eckhoff, Vorsteher des Schleusenverbands Hohenfelde.

Besonders geschwächte Bäume reagierten auf das Salz, sagt Eckhoff, der selbst einen Obstbaubetrieb leitet. „Wir beregnen jetzt in den Morgenstunden, wenn weniger Wasser verdunstet. Und setzen auf die kühlende Wirkung, wenn um die Mittagszeit die Feuchtigkeit in der Plantage verdunstet.“

Es gebe für das Alte Land keine generelle Empfehlung mehr, die Plantagen zu beregnen oder es sein zu lassen, betont Karsten Klopp: „Jeder einzelne Obstbauer muss schauen, wie seine Kulturen stehen und welche Qualität das Beregnungswasser hat.“

Oftmals hätten die Hofbetreiber nurmehr die Wahl zwischen Pest und Cholera: Lassen sie die Beregnungsanlagen ruhen, riskieren sie einen Sonnenbrand auf den Apfelschalen. Setzen sie den künstlichen Regen in Gang, könnte der Salzniederschlag die Blätter schädigen, was vor allem bei geschwächten Bäumen kritisch ist.

Mit aufgespannten Netzen werden hochwertige Äpfel vor Hagelschlag geschützt. Sie spenden auch ein wenig Sonnenschutz
Mit aufgespannten Netzen werden hochwertige Äpfel vor Hagelschlag geschützt. Sie spenden auch ein wenig Sonnenschutz © HA | Angelika Hillmer

Zudem leiden die Bäume unter der anhaltenden Trockenheit. „Was wir beregnen, verdunstet gleich wieder und kommt nicht bei den Wurzeln an“, sagt Helmut Quast vom Schleusenverband Cranz-Leeswig-Hinterbrack. Wie seine Kollegen wünscht er sich dringend einen Wetterwechsel, mit Temperaturen unter 30 Grad.

Immerhin seien die Nächte etwas kühler geworden – „das bringt Farbe auf die Äpfel, denn die entsteht durch die Differenz der Tages- und Nachttemperaturen“. Und natürlich wünscht sich Quast Regen. „Dieses Jahr ist seit April trocken. Da ist es schwer, das Manko im Boden wieder aufzufüllen.“

Die Böden brauchen mindestens 100 Liter Regen

Quast hofft auf „einen warmen Landregen mit Niederschlagsmengen von mindestens 30 Millimetern“ (mm, entspricht 30 Liter pro Quadratmeter). Das hält Karsten Klopp für viel zu wenig: „Wir brauchen mindestens 100, 200, gern auch 300 mm.“ Auch er setzt auf Landregen, der aber anhaltend sein sollte. Einzelne Schauer mit 30, 50 mm flössen fast komplett ab, denn der ausgetrocknete Boden könne kein Wasser aufnehmen. Dazu muss der Boden feucht sein – ähnlich wie man das von Haushalts-Schwammtüchern kennt.

Noch Mitte Juli sahen die Obstbauexperten keine Gefahren durch die Trockenheit für die Altländer Ernte und begründeten dies mit den schweren Marschböden, die Wasser sehr gut speichern könnten. Inzwischen hat sich das Blatt gewendet. Klopp: „Die Früchte wachsen nicht mehr so gut, deshalb werden wir – wie auch andere Obstbauregionen – Einbußen in der Erntemenge haben. Die Qualität wird aber aufgrund der sonnenreichen Witterung außerordentlich gut sein.“

Eine Sommertrockenheit wie dieses Jahr gab es zuletzt im „Jahrhundertsommer“ anno 1959, sagt Klopp. „Im Genehmigungsverfahren zur kommenden Elbvertiefung wird der Faktor Jahrhunderttrockenheit behandelt und auch die Frage, wie sich die Obstbauern davor schützen können.

Nun haben wir diesen Worst Case bereits heute, bevor die Vertiefung begonnen hat.“ Umgekehrt sei der Herbst 2017 bis März 2018 ungewöhnlich nass gewesen. Fakt sei, dass die Wetterextreme zunehmen, so Klopp. „Die Obstbauern müssen sich auf solche Perioden einstellen.“

Gewässernetz

Das Alte Land hat ein weit verzweigtes Gewässersystem zur Be- und Entwässerung, das mit der Elbe in Verbindung steht. Es besteht aus Bracks (Überbleibsel nach Deichbrüchen), Beregnungsteichen, Schleusenfleeten, Wettern (Hauptgräben), Deichgräben.

Rund 267 Kilometer Gräben durchziehen das Land. Davon führen 119 Kilometer ständig Wasser. Etwa 54 Kilometer fallen im Sommer trocken. Weitere 94 Kilometer führen weniger als drei Monate im Jahr Wasser.

Fast 200 Beregnungsteiche dienen als Wasserreservoirs. Allein 40 Teiche unterhält der Schleusenverband Neuenfelde.

Der Obstbau ist die bestimmende Kultur des Alten Landes. Auf Rang zwei folgt das Grünland. Einen nennenswerten Anteil von Ackerbau (zehn Prozent) gibt es nur im Bereich Viersielen östlich von Neuenfelde.