Hamburg. Hohe Futtermittelpreise führen dazu, dass Rinder vorzeitig geschlachtet werden müssen. Getreideernte fällt teilweise komplett aus.
Die Sonne scheint derzeit vom Himmel, als wolle sie ihre ganze Energie im Norden verschwenden. Meteorologen sprechen bereits von einem Jahrhundertsommer. Das freut die Norddeutschen. Aber eben nicht alle. In der Landwirtschaft verstärken sich mittlerweile die Alarmsignale. Die Getreideernte wird wegen der anhaltenden Trockenheit schlecht ausfallen, die Futtermittelpreise steigen auf Rekordwerte, Rinderhalter müssen Tiere vorzeitig schlachten.
Die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein fasst die aktuelle Marktlage in einem dürren Satz zusammen: „Die Futterknappheit sorgt für reduzierte Schlachtrinderkurse.“ Sven Nicolaisen, der Vorsitzende des Vieh- und Fleischhandelsverbands Schleswig-Holstein/Hamburg, weiß, was das für die Rinderhalter bedeutet. „Einige Tiere werden jetzt vorzeitig geschlachtet, weil auf den Weiden kein Futter mehr steht“, sagt er. Die Schlachthöfe, denen derzeit viele Rinder angeboten werden, bezahlen deshalb nicht sonderlich gut. „Die Preise sind stark rückläufig und liegen derzeit etwa um zehn Prozent unter dem üblichen Niveau“, sagt Nicolaisen.
Für die Rinderzüchter ist das besonders bitter. Sie erleiden einen dreifachen Verlust. Denn die eigentlich erst im Herbst schlachtreifen Tiere haben derzeit noch deutlich weniger Gewicht und nicht die optimale Fleischqualität. Zusammen mit dem niedrigen Preis ergeben sich daraus erhebliche finanzielle Einbußen.
Zukauf von Futtermitteln kostet viel Geld
Unerfreulich ist die Lage auch bei den Futtermitteln, die dazugekauft werden müssen, wenn die eigenen Wiesen wegen der Trockenheit nichts mehr hergeben. Der Verein der Getreidehändler Hamburg notiert derzeit bei Futtergerste den höchsten Preis seit vier Jahren. Beim Futterweizen sieht es etwas besser aus. „Brot- und Futterweizen liegen preislich gleichauf, das ist schon außergewöhnlich“, sagt Geschäftsführer Christof Buchholz.
Insgesamt wird die Getreideernte in diesem Jahr schlecht ausfallen. „Wir müssen die Erträge mittlerweile noch weiter nach unten korrigieren, landesweit wird die Getreideernte um rund ein Drittel niedriger ausfallen als im schon enttäuschenden Vorjahr“, sagt Albert Schulte to Brinke, Präsident des niedersächsischen Landvolks. Er rechnet mit einer um zwei Millionen Tonnen geringeren Ernte.
In Schleswig-Holstein rechnet man mit der schlechtesten Getreideernte seit 15 Jahren. Die regionalen Unterschiede sind allerdings groß. „In einigen Gegenden wird es wohl einen Totalausfall geben“, sagt Kirsten Hess, die Sprecherin des Bauernverbands. Das gelte insbesondere für die Geest, die Westküste und Schleswig-Holsteins „Südbalkon“, den Kreis Herzogtum Lauenburg. Das zu nasse Vorjahr und die große Trockenheit in diesem Jahr seien die Ursachen für diese Entwicklung.
Gefahr von Flächenbränden
Probleme haben auch die Milchbauern. Bekommen die Kühe nicht ausreichend Futter, geben sie weniger Milch. Darüber sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag in Nienborstel mit der Landwirtin Ursula Trede (siehe unten).
Nach Wochen ohne Regen steigt nun auch die Gefahr von Wald- und Flächenbränden. An verschiedenen Stellen in Norddeutschland hat es bereits gebrannt. Für schleswig-holsteinisches Grünland galt am Donnerstag fast auf der gesamten Landesfläche die zweithöchste Warnstufe. Beim Waldbrandindex war es die dritthöchste Stufe. Im Kieler Landwirtschaftsministerium rechnete man nicht mit einer raschen Entspannung der Lage. In der kommenden Woche sollen die Temperaturen noch weiter steigen. Das Ministerium rief daher die Bürger auf, sich umsichtig zu verhalten. „Insbesondere das Rauchen, Feuermachen oder Grillen im Wald sowie auf trockenen Wiesen und landwirtschaftlich genutzten Flächen sollte unbedingt unterbleiben“, hieß es.
Das sollte zu schaffen sein. Denn das Wetter hat ja auch seine schönen Seiten. Kein Vergleich mit dem verregneten Sommer des vergangenen Jahres – und mit vielen anderen. In den Wetteraufzeichnungen findet der Meteorologe Dominik Jung vom Hamburger Institut für Wetter- und Klimakommunikation tatsächlich keinen vergleichbar langen Hamburger Sommer. „Wir steuern auf den Jahrhundertsommer 2003 zu. Das war der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen“, sagt Jung. Noch liegt der 2018er-Sommer bei der Durchschnittstemperatur zurück. In Sachen Sonnenstunden und Trockenheit hat er aber schon jetzt die Nase vorn.