Hamburg. Bürgerschaft beschließt Resozialisierungsgesetz, das einen Rechtsanspruch auf einen Eingliederungsplan vorsieht.
Jeder Strafgefangene hat vom 1. Januar 2019 an einen Rechtsanspruch auf einen Hilfeplan zur Wiedereingliederung nach der Haftentlassung. Das steht im Resozialisierungs- und Opferhilfegesetz, das die Bürgerschaft am gestrigen Mittwoch mit den Stimmen von SPD, Grünen und CDU beschlossen hat. Justizsenator Till Steffen (Grüne) sprach von einem „historischen Tag für den Strafvollzug“. Hamburg ist das erste Bundesland, das einen Rechtsanspruch auf einen Eingliederungsplan einführt.
Kernpunkt ist der Ausbau des sogenannten Übergangsmanagements auf dem Weg von der Haft in die Freiheit: Sechs Monate vor der Entlassung erarbeitet ein Bewährungshelfer mit dem Gefangenen den individuellen Eingliederungsplan. Dabei steht die Lösung zentraler Probleme für das Leben in Freiheit wie Wohnen, Arbeit, Schuldenabbau oder Drogensucht im Blickpunkt.
Flächendeckendes Angebot
In die Hilfen während und nach der Haft sind freie Träger eingebunden, sodass die Ansprechpartner für die Gefangenen nach dem Ende der Haftzeit erhalten bleiben. Das Übergangsmanagement erstreckt sich über die ersten sechs Monate nach der Entlassung, unter anderem indem stationäre und ambulante Hilfen miteinander verknüpft werden. Auf diesem Weg soll das „Entlassungsloch“ vermieden werden – im ersten Halbjahr in Freiheit ist die Wahrscheinlichkeit am höchsten, dass Straftäter rückfällig werden.
Jährlich werden rund 1400 Menschen in Hamburg aus der Strafhaft entlassen. Die Inanspruchnahme des Rechtsanspruchs ist freiwillig. Bislang gibt es mehrere Projekte freier Träger, wie etwa „Resozialisierung, Arbeit, Nachsorge“ (RAN), die mit Geld aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) finanziert werden. Für das künftig flächendeckende Angebot des Übergangsmanagements stehen rund 2,4 Millionen Euro jährlich zur Verfügung, von denen gut eine Million Euro aus ESF-Mitteln bestritten werden soll.
Beitrag zum Opferschutz
„Wir schlagen ein neues Kapitel im modernen Strafvollzug auf. Erfolgreiche Resozialisierung ist der beste Opferschutz“, sagte Steffen. „Der ganz große Wurf ist es nicht geworden. Auch wenn es etwas zu kurz gesprungen ist, werden wir zustimmen“, sagte CDU-Justizpolitiker Richard Seelmaecker. Er kritisierte, dass die Stadt 2017 nur rund 5000 Euro an Wiedergutmachung den Opfern von Straftaten gezahlt habe.
Scharfe Kritik an dem Gesetz kam von FDP, Linken und der AfD. „Wir fordern, die Interessen der Opfer ins Zentrum zu stellen, indem ein Opferschutzbeauftragter eingesetzt und ein jährlicher Opferschutzbericht erstellt wird“, sagte FDP-Fraktionschefin Anna von Treuenfels-Frowein. Außerdem bleibe das „Zuständigkeitswirrwarr“ zwischen Justiz- und Sozialbehörde erhalten.
AfD: „Die Opferhilfe kommt zu kurz“
„Das Gesetz ist inkonsistent und fehlerhaft. Die vehemente Kritik namhafter Strafrechtsexperten ist nicht aufgegriffen worden“, sagte Martin Dolzer, justizpolitischer Sprecher der Links-Fraktion. Zuletzt hatten die Professoren Bernd Maelicke und Bernd-Rüdeger Sonnen in einem Alternativentwurf für das Resozialisierungsgesetz unter anderem die Schaffung eines Opferschutzbeauftragten und eine stärkere Einbindung freier Träger gefordert.
„Das Gesetz blieb hinter den Erwartungen des Weissen Rings zurück, so weit es die opferorientierten Regelungen betrifft“, teilte Hans-Jürgen Kamp, Landesvorsitzender des Weissen Rings, in einer Erklärung mit. So fehle unter anderem die Einbindung freier Träger der Opferhilfe, etwa des Weißen Rings. Auch Kamp fordert einen Opferschutzbeauftragten. „Das Gesetz ist nur Stückwerk. Die Opferhilfe kommt zu kurz, wie sei Jahrzehnten“, sagte der AfD-Vizefraktionschef Dirk Nockemann.
Der SPD-Justizpolitiker Urs Tabbert griff die Forderung nach einem Opferschutzbeauftragten auf. „Wir sind bei dem Thema noch nicht am Ende. Unabhängig vom Resozialisierungsgesetz wird da von Justiz- und Sozialbehörde noch etwas kommen“, sagte Tabbert voraus. Die Anträge von FDP und Linken, den Gesetzentwurf des Senats noch einmal in den Justizausschuss zu überweisen, um Passagen nachzubessern, lehnte die Bürgerschaft ab.