Hamburg. Das Gericht hat einen Baustopp erlassen. Die für Ende 2023 geplante Eröffnung des neuen Fernbahnhofs könnte scheitern.

Die Deutsche Bahn (DB) hatte seit Monaten Angst vor dem Tag, an dem das Oberverwaltungsgericht (OVG) über den Eilantrag des Landesverbands Nord des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) gegen den Planfeststellungsbeschluss für den neuen Fernbahnhof Altona am Diebsteich entscheidet. Am Mittwoch war es nun so weit: Das Gericht verhängte einen Baustopp, und damit kann der Konzern seinen Zeitplan für das Prestigeprojekt nicht mehr einhalten.

Mit der Baustelleneinrichtung war bereits begonnen worden. Doch nun stellte das Gericht fest: „Die Arbeiten zur Vollziehung des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses dürfen nicht fortgeführt werden.“ Der Grund ist, dass die DB für den neuen Standort keine Verladestation für Autoreisezüge eingeplant hat, wie es sie am jetzigen Bahnhof Altona gibt. Sie sei aber nach Eisenbahnrecht verpflichtet, eine solche vorzuhalten, wie ein Gerichtssprecher erklärte.

Nach Abendblatt-Informationen sucht die DB nach einem alternativen Standort, an dem die Autoreisezüge abfahren können. Das Produkt solle nicht abgeschafft werden, heißt es intern. Zu dem Gerichtsentscheid gab das Unternehmen nur eine kurze Stellungnahme ab: „Wir nehmen den Beschluss des OVG zur Kenntnis und akzeptieren diesen. Wir werden den Beschluss nun intensiv, auch mit unseren Projektpartnern, prüfen und im Anschluss über die weiteren Schritte entscheiden“, sagte eine Sprecherin.

Den ersten Spatenstich muss die Deutsche Bahn absagen

Eigentlich wollte die DB im September einen ersten Spatenstich vollziehen mit geladenen Gästen und Politprominenz. Aber daraus wird nichts. Die für Dezember 2023 geplante Eröffnung des neuen Fernbahnhofs könnte ebenfalls scheitern.

Wann es weitergeht mit den Bauarbeiten am Diebsteich, ist völlig unklar. Denn die DB muss nun laut Gericht klären, wie und wo sie eine Verladeeinrichtung als Ersatz für die am jetzigen Fernbahnhof Altona einrichten kann. Es wird jedoch damit gerechnet, dass eine mögliche Lösung einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Mit der eigentlichen Klage des VCD gegen den Planfeststellungsbeschluss wird sich das OVG dann im Hauptsacheverfahren beschäftigen, allerdings erst im kommenden Jahr. Dabei geht es neben der Verladestation auch um die Frage der Umweltverträglichkeit des neuen Fernbahnhofs Altona.

Leitartikel: Weit mehr als ein Bahnhof

Der VCD-Nord-Vorstand Rainer Schneider ist zufrieden, dass das Großprojekt vorerst gestoppt wurde, und sagte: „Jetzt sind die DB, das Eisenbahnbundesamt und die Hamburger Politik, insbesondere der Senat, gefordert, das Verfahren für die Schließung und Verlagerung des Fern- und Regionalbahnhofs neu aufzurollen.“ Es ergebe sich die Chance, sich ernsthaft mit den Vorstellungen der Bürgerinitiative Prellbock und des VCD auseinanderzusetzen und den Kopfbahnhof Altona an Ort und Stelle im Interesse der Fahrgäste umfassend zu modernisieren, so Schneider weiter.

Rückendeckung für die Bahn aus der Politik

Rückendeckung für die Deutsche Bahn kommt von der Politik: „Der Beschluss des OVG verdient Respekt. Bei einem Projekt dieser Größenordnung ist Rechtssicherheit das A und O. Stuttgart 21 war und ist ein mahnendes Beispiel, was passiert, wenn allzu leichtfertig über die Köpfe Betroffener und Andersdenkender hinweggeplant wird“, sagte CDU-Verkehrsexperte Dennis Thering und betonte „Als CDU-Bürgerschaftsfraktion stehen wir trotzdem weiterhin hinter der Verlagerung.“

Das sieht SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf ähnlich: „Die Stadt unterstützt gemäß dem Ergebnis der langjährigen Bürgerbeteiligung die Verlegung des Fernbahnhofs an den Diebsteich, weil dadurch dringend benötigter Wohnungsbau an dem bisherigen Standort realisiert werden kann.“ Das sei der Wunsch vor allem aus Altona gewesen. Denn der Plan war, dass der bisherige Bahnhof Altona nicht mehr von Fern- und Regionalzügen angefahren wird und die frei werdende Fläche ab 2025 für den Wohnungsbau genutzt werden soll. Von 138.000 Quadratmetern Fläche ist in diesem Zusammenhang die Rede.

Kein Baustopp für Empfangsgebäude

Für den Bau des neuen Fernbahnhofs Altona hat die DB 360 Millionen Euro veranschlagt. Wenn sich der Zeitplan verzögert, dürften noch weitere Kosten auf das Verkehrsunternehmen zukommen. Am Diebsteich sind drei neue Bahnsteige mit sechs Gleisen für den Fern- und Regionalverkehr geplant – und ein Bahnsteig mit zwei Gleisen für die S-Bahn, die die bisherige Station Diebsteich ersetzen und bereits 2020 in Betrieb gehen sollten. Doch auch daraus wird wohl nichts werden.

Das Empfangsgebäude des neuen Fernbahnhofs Altona mit Reisezen­trum soll von zwei Hochhäusern umgeben sein. Es sind ein Hotel, Büros sowie Gastronomie und Einzelhandel ­geplant. Für das vom dänischen Architektenbüro C.F. Møller geplante Gebäude­ensemble gilt der Baustopp allerdings nicht. Und Dennis Barth, Geschäftsführer des Projektentwicklers Proh, sagte: „Ich bin mir sicher, dass der Fernbahnhof Altona gebaut wird und damit auch unser Bauvorhaben umgesetzt werden kann.“