Hamburg. Empfehlung von Bundesstelle sorgt für neue Unruhe im Museumshafen. Eisbrecher soll Zulassung für Gästefahrten verlieren.
Der Unfall des Dampfeisbrechers "Stettin" im vergangenen Jahr könnte gravierende Auswirkungen auf das Schiff und seine Besetzung haben. Die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) mit Sitz auf St. Pauli hat sich dafür ausgesprochen, dem Eisbrecher das Sicherheitszeugnis für Traditionsschiffe und damit generell die Zulassung für Gästefahrten zu entziehen. Dies könnte das Aus für den Eisbrecher bedeuten.
Die Stettin war im vergangenen Jahr auf der Rostocker Hanse Sail mit der Fähre "Finnsky" kollidiert. Es gab damals mehrere Verletzte und einen langen Riss im Rumpf. Die BSU hatte den Besatzungen der beiden Schiffe sowie der Wasserschutzpolizei jeweils eine Mitschuld an dem Unfall gegeben.
Kein "Traditionsschiff" im rechtlichen Sinn
Die Juristen der BSU verweisen in ihrem Bericht nun aber auch darauf, dass die mehr als 80 Jahre alte "Stettin" gar nicht als Traditionsschiff hätte zugelassen werden dürfen. Dabei berufen sich die Fachleute auf eine EU-Richtlinie für Fahrgastschiffe und eine Gerichtsentscheidung des Oberverwaltungsgerichts Hamburg. Danach ist ausgeschlossen, maschinenbetriebene Schiffe, die vor 1965 nicht schon als Fahrgastsschiffe unterwegs waren, als Traditionsschiff einzustufen. Die "Stettin" war bis in die 1980er-Jahre als Eisbrecher im Einsatz. Zuerst hatte der Sender NDR 90,3 über die Problematik berichtet.
"Freizeitbesatzung" auf der Brücke?
Die BSU bemängelt zudem, dass die "Stettin" überwiegend von einer "Freizeitbesatzung" geführt werde, die sich ehrenamtlich um den Eisbrecher kümmere. Diese Betriebsform sollte überarbeitet werden, so die Fachleute der Bundesstelle.
"Ein Entzug des Sicherheitszeugnisses für Traditionsschiffe ist absolut unberechtigt und würde für uns den finanziellen Ruin bedeuten", sagt der Technik-Vorstand des Betreibervereins, Helmut Rohde, dem Abendblatt. Im Augenblick darf der Eisbrecher bis 225 Menschen bei Veranstaltungen wie dem Hafengeburtstag befördern, bis zu 130 sind es bei Fahrten auf hoher See. "Ohne das Sicherheitszeugnis wären es nur noch zwölf Personen", so Rohde. "Das ist ein Witz, unsere reguläre Besatzung beträgt schon 40 Personen."
Betreiber der Stettin sprechen von "Frechheit"
Aus Sicht der Betreiber hat die Bundesstelle bei ihrer Bewertung klar ihre Kompetenzen überschritten. Sie solle sich um die Unfalluntersuchung und nicht um generelle Rechtsfragen kümmern, so Rohde. Die Besatzung der "Stettin" als Freizeitschiffer abzuqualifizieren, sei eine "Frechheit", so der Technik-Vorstand. "Für die Schiffsführung setzen wir nur erfahrene Kapitäne und Nautiker ein." Insgesamt sei die "Stettin" sehr viel sicherer als die meisten Traditionsschiffe.
Würde sich die Bundesanstalt mit ihrer Rechtsauffassung durchsetzen, dann wären auch andere Museumsschiffe in ihrer Existenz bedroht. Dies könnte etwa die ehemaligen Feuerschiffe "Elbe 3", "Borkumriff" und "Fehmarnbelt" treffen, auch der historische Eisbrecher "Wal" aus Bremerhaven oder der Museumsschlepper "Fairplay VIII" wäre gefährdet.
Zulassung bislang unproblematisch
Zum Glück haben die Traditionsschiffer die Berufsgenossenschaft Verkehr auf ihrer Seite, die die Sicherheitszeugnisse für die "Stettin" erteilt. Diese hat bislang kein Problem darin gesehen, den Eisbrecher für Gästefahrten zuzulassen. Die letzte Genehmigung stammt vom April 2014. Die Berufsgenossenschaft ist nicht an die Empfehlungen der BSU gebunden.
Eine endgültige Entscheidung soll nun das Bundesverkehrsministerium fällen. Dieses hatte sich zuletzt ebenfalls auf die Seite der Museumsschiffer geschlagen. Mit einer neu gefassten Sicherheitsrichtlinie sollte Rechtssicherheit für Betreiber und Passagiere geschaffen werden. Auch wurde erst vor wenigen Tagen eine Ombudsstelle mit Sitz beim Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt in Hamburg eingerichtet, die als Vermittler zwischen Traditionsschiff-Betreibern und Zulassungsstelle fungieren soll.