Hamburg. Ein Entwurf aus dem Bundesverkehrsministerium sieht schärfere Sicherheitsrichtlinien vor
Sie sind historische Schmuckstücke und gelten als Publikumslieblinge bei maritimen Großveranstaltungen: Ohne Traditionsschiffe wie den Hamburger Eisbrecher „Stettin“, den Schlepper „Fairplay VIII“ oder den Lotsenschoner „No. 5 Elbe“ wäre der Hamburger Hafengeburtstag sicher nur halb so schön. Und auch beim neuen Elbfest, das an diesem Wochenende Premiere feiert, sind die historischen Schiffe ein fester Bestandteil.
Doch der Fortbestand von 105 Traditionsschiffen in Deutschland ist massiv gefährdet. Das befürchtet die Gemeinsame Kommission für historische Wasserfahrzeuge (GSHW), der Dachverband von Traditionsschiff-Betreibern. Im Volksmund werden als Traditionsschiffe ältere Schiffe und Boote bezeichnet, die weitgehend in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten sind oder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt wurden. Außerdem ist Traditionsschiff ein Begriff für ältere oder traditionell betriebene Schiffe, die zum Erhalt der Schifffahrtstradition bislang erleichterte Auflagen für Sicherheitszeugnisse und Befähigungszeugnisse der Besatzungsmitglieder erfüllen müssen.
Grund für die Sorge ist der 146 Seiten umfassende Entwurf einer schärferen Sicherheitsrichtlinie für Traditionsschiffe von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), die am 1. Januar 2017 in Kraft treten soll. „Unumstritten ist, dass wir neue Sicherheitsvorschriften brauchen. Aber sollte der Entwurf so umgesetzt werden, wird ein Großteil der mehr als 100 historischen Schiffe stillgelegt werden müssen“, sagt GSHW-Vizechef Nikolaus Kern dem Abendblatt. „Das wäre dramatisch und ein großer Verlust für den Norden.“
Auch die neue Vorschrift, dass alle Holztreppen an Bord mit Stahl unterlegt werden sollen, trage dazu bei, dass die meisten Traditionsschiffe von den Küsten verschwinden würden. Alarmierend seien zudem die höheren Anforderungen an die Besatzung. „Die meisten Besatzungsmitglieder sind Ehrenamtliche im Rentenalter“, so der GSHW-Vizechef. Diese könnten es weder zeitlich noch finanziell leisten, die geforderten Lehrgänge zu absolvieren. „Die Folge wäre, dass Schiffe nicht mehr besetzt werden können.“
Er sieht die Gefahr, dass den Traditionsschiffen nun letztlich der Verfall bevorsteht. „Die Schiffe müssen unterhalten und gepflegt werden. Das kostet Geld, das mit Fahrten wie Tagestouren oder Klassenfahrten eingenommen wird“, erläutert Kern.
Die Stiftung Hamburg Maritim fordert Übergangsphasen
Weniger dramatisch sieht die Stiftung Hamburg Maritim den Entwurf des Bundesverkehrsministers. „Das generelle Aus der Traditionsschiffe, von denen zwölf bis 20 im Hamburger Hafen liegen, sehen wir nicht“, sagt Alexandre Poirier von der Stiftung, die den Entwurf ein wenig anders interpretiert als die GSHW. Poirier weist darauf hin, dass mit der neuen Richtlinie nicht automatisch alle Traditionsschiffe umgebaut werden müssten. „Schiffe, die bis 2012 ein gültiges Sicherheitszeugnis vorlegen können, haben Bestandsschutz“, sagt er. Und auch Schiffe, die nie ein Schott hatten, müssten nicht plötzlich eines einbauen lassen. „Es geht um Schiffe, bei denen mal ein Schott ausgebaut worden ist, um einen größeren Innenraum zu bekommen.“
Eine richtige Forderung von Dobrindt sei auch, mehr Sicherheit für Besatzung und Passagiere zu schaffen. „Schließlich werden hier Personen befördert“, sagt Poirier. „Jedoch müssen geeignete Übergangsphasen geschaffen werden“, räumt der Projektingenieur ein. Zudem seien die neuen Vorschriften für kleine Schiffe nicht angemessen. „Die Richtlinien sollten differenzierter, konkreter sein.“ Zum Beispiel müssten Schiffsgröße und Fahrtgebiet berücksichtigt werden. Poirier: „Kleinere Betreibervereine müssten ansonsten tatsächlich große Anstrengungen unternehmen, um den Betrieb aufrechtzu- erhalten.“