Hamburg. Wie ist es in einem Zuhause auf vier Rädern, das auf Wohnmobilplätzen steht? Vierter Teil des Selbstversuchs.

Es wird nass, sehr nass. Unser Camper namens Vantana („Wäntänä“) steht am vierten Tag unserer Reise im ElbeCamp am Falkensteiner Ufer, mutmaßlich derjenige Campingplatz in Hamburg, der am leichtesten Urlaubsgefühle erzeugen kann: Elbe, Strand, Spielplatz, Bar. Bei Regen fällt es allerdings selbst ihm schwer, verdammt schwer. Wir lernen: Im Schietwetter fühlt sich der Wohnmobilist ähnlich unwohl wie der Zelter - abzüglich der Durchnässungssorgen.

Wir haben mal wieder einen Fehler gemacht. Weil wir mittags, nach einem Supermarktstopp zur Auffrischung der Vorräte, im ElbeCamp einen erfreulich großen Platz bekommen, fahren wir - Premiere! – die Markise aus. Sie ist am Dach befestigt und soll auf zwei Zeltstangen ruhen, die wir lange vergeblich im Wageninneren suchen. Dann erklärt uns der Mann von nebenan, dass die Streben in der metallenen Abschlussleiste der Markise stecken und nur ausgeklappt werden müssen. Alles Leichtmetall. Das Zeltstangenzeitalter scheint vorbei zu sein. Archäologen werden sein Ende später auf das ausgehende 20. Jahrhundert datieren.

Der „Wäntäna“ hat fast alles

Nur war es eben ungünstig, die Markise überhaupt auszufahren. Denn es beginnt zu regnen, und nun naht plötzlich auch noch ein Gewitter mit Böen, die die Markisen wegreißen könnten. Was tun? Das nasse Ding einrollen? Der Gefahr tollkühn ins Auge blicken? Der Wohnmobilist verbringt, wenn ich mich nicht irre, ziemlich viel Zeit mit derartigen Was-tun?-Debatten. Vielleicht ist dies sogar der tiefere Sinn eines solchen Camper-Urlaubs: Gesprächsstoff produzieren. Eine unserer intensivsten Was-tun?-Debatten entstand wegen eines weiteren Anfängerfehlers, den wir begingen: Wir hatten keine Mülltüten eingepackt. Der „Wäntänä“ hat vieles an Bord, aber er besitzt weder einen Mülleimer, noch hat er Platz dafür. Wohin also zum Beispiel mit dem Kaffeesatz aus der Espressokanne?

Urlaubsgefühle trotz bewölkten Himmels: Lucie Otto mit Lektüre am Falkensteiner Ufer
Urlaubsgefühle trotz bewölkten Himmels: Lucie Otto mit Lektüre am Falkensteiner Ufer © HA | Andreas Laible

Schon war die schönste Kaffeesatz-Leserei im Gang. Ich plädierte für eine praktikable und rasch umsetzbare Lösung, die auf eine, nun ja, Entsorgung in der Natur hinauslief, Lucie hielt genau dies für ein Ding der Unmöglichkeit. Da half es auch nichts, dass ich aus dem Stegreif hoch seriöse Gutachten zur biologischen Abbaubarkeit von Kaffeesatz zu zitieren vermochte. Am Ende half nur der Nachbar, der einen Plastikmülleimer neben seinem Wohnmobil stehen hatte und den strittigen Kaffeesatz aufnahm. Wenn es heikel wird, so scheint mir, hilft immer nur der Nachbar.

Erster Teil des Selbstversuchs

Zweiter Teil des Selbstversuchs

Dritter Teil des Selbstversuchs

Im Wohnmobil folgen an zweiter Stelle nach den Was-tun?-Debatten die Wo-ist?-Debatten. Wo ist eigentlich der Fahrradschlüssel geblieben? Wo hast du den Bleistift hingetan, der fürs Sudoku unverzichtbar ist? Wo hast du das Salz eingelagert? Mein Kaffebecher stand hier doch eben noch? Wer im Wohnmobil lebt, auf 13 statt 130 Qua­dratmetern, der ist ständig dabei, irgendwelche Dinge herauszukramen und wegzuräumen. Jacken liegen auf dem Bett, bis Schlafenszeit ist, und liegen sodann auf den Sesseln im „Wohnzimmer“, bis die Betten verlassen werden. Bücher, Schreibhefte, Laptop – alles muss aus den Schränken geholt und wieder verstaut werden. Es ist ein ewiges Raus und Rein.

Ist das noch Hamburg? Aber ja – die Anlage für Camper und Wohnmobilisten in Rissen
Ist das noch Hamburg? Aber ja – die Anlage für Camper und Wohnmobilisten in Rissen © HA | Andreas Laible

Am Falkensteiner Ufer hat man das schon 1000-mal erlebt. Hier machen Familien mit Kindern gern Urlaub. Deutsche, Niederländer, Engländer. Wer zelten will, hat einen kleinen Vorteil, denn die sandigen Bereiche dicht an der Elbe sind für Wohnwagen und Wohnmobile nicht geeignet. Wir stehen nah an der Straße, was kein Problem ist, denn hier ist wenig Verkehr. Abends tuscheln und kichern Jugendliche in unserer Nähe. Ich denke an meine Jugend, an Fahrten nach Langeneß, erste Ferien ohne Eltern, die erlösende Freiheit, das fordernde Gefühl des Auf-sich-selbst-Aufpassens. Schön war das. Der Campingplatz am Falkensteiner Ufer ist vielleicht für viele Hamburger das, was für mich Langeneß ist: der Ort, an dem sich die Welt veränderte.

An Essensausgabe werden wir zum „Love Guru“

Auf dem Platz gibt es ein Restaurant, das mit Pommes, Würstchen, Nackensteaks und anderen bewährten Bestandteilen der Imbissküche lockt. Man bestellt und wird zur aus Holz zusammengezimmerten Essensausgabe gerufen. Nicht mittels seines Namens, sondern mittels eines Repertoires von Film- und sonstigen Helden. Lillifee ist darunter, Prinz Eisenherz ebenso. Wir werden, auf dem Bon verewigt, zum „Love Guru“. Nicht schlecht für jemanden, der mit einem „Best Ager“-Wohnmobil unterwegs ist, oder!? Übrigens: Der Markise ist nichts passiert. Wir rollten sie nicht ein, und das war gut so. Die Böen blieben aus. Die Sonne blieb auch aus. Aber die Markise bewährte sich: als Regenschutz. Nun tritt man, wenn man aus dem Wohnmobil steigt, nicht in den Matsch.

Das Wohnmobil für den Selbstversuch wurde vom Hobby-Wohnwagenwerk in Fockbek zur Verfügung gestellt.


Lesen Sie morgen: Wir rutschen in die Illegalität ab