Hamburg. Wie ist es in einem Zuhause auf vier Rädern, das auf Camping- und Wohnmobilplätzen steht? Dritter Teil des Selbstversuchs.

Zwischen den Landungsbrücken und der Fischauktionshalle liegt eine betonierte Fläche, auf der Wohnmobile stehen dürfen. Wenn man sich den größtmöglichen Kontrast zur Idylle an der Bunthäuser Spitze in Moorwerder vorzustellen versucht, dann würde man ungefähr an einen solchen Ort denken. Dort Rasen und Kies und Ruhe (wenn nicht gerade Schützenfest ist), hier Beton, Beton und Menschen, ­Menschen.

Der Platz vor der Flutschutzmauer ist eine Art Herbertstraße der Wohnmobilisten und ähnlich seltsamer Menschen. Weiter in Richtung Fischauktionshalle haben Obdachlose ihre Zelte aufgeschlagen. Weil Heringe im Beton keinen Halt finden, haben sie ihre Planen mit Steinen beschwert. Ein nicht abreißender Strom von Touristen zieht mittig an dieser pittoresken Ansammlung von Behausungen vorbei. Hin und wieder guckt mal einer neugierig auf die Nummernschilder der Caravans. Wo kommen die denn her? Genauso gut könnten wir in der Mönckebergstraße parken.

Hier und da ein Auto

Am Sonntag sind wir morgens im Elbepark im Winkel zwischen Süder- und Norderelbe gestartet. Hübsche Höfe, Gewächshäuser, gepflügte Felder. Hier und da ein Auto. Weiter Himmel. Nach wenigen Fahrminuten geht es in Stillhorn auf die Autobahn. Der Vantana („Wäntänä“), unser Reisemobil, fädelt sich nun schon eleganter in den mäßigen Verkehr ein. Ich lasse mir ein wenig mehr Zeit beim Schalten, das Fahrzeug auf Fiat-Ducato-Basis bedankt sich dafür mit präzisem Einlegen der Gänge.

Erster Teil des Selbstversuchs

Zweiter Teil des Selbstversuchs

Der Wohnmobilstellplatz auf dem Fischmarkt ist schnell erreicht. Neben der Zufahrt steht ein groß gewachsener Mann mit grauen Haaren: Bernd Hödtke, der Parkplatzmanager. 19,50 Euro kostet die Übernachtung am Wochenende, und im Internet behaupten viele Wohnmobilisten, dass das grotesk überteuert sei. Das kommt sehr auf den Standpunkt an. Tatsächlich gibt es hier weder Strom noch Klos noch Duschen noch eine Fäkalienentsorgung.

Besser als Fernsehen: ein Drink vor Hafen-Panorama
Besser als Fernsehen: ein Drink vor Hafen-Panorama © HA | Matthias Popien

Es gibt nichts, es ist einfach nur ein Platz, auf dem man stehen darf. Hier stellt keiner seine Stühle heraus und klappt den Tisch auf. Das Leben findet woanders statt. Hamburg-Sightseeing, Museumsbesuche, Arbeiten: das alles kann man von hier aus erledigen. Und natürlich viel günstiger als bei einer Übernachtung im Hotel. Und Bernd Hödtke passt so lange auf, dass den Wohnmobilen nichts passiert.

Wo geht das Licht im Schlafzimmer an?

Wir schieben uns zwischen zwei Caravans, es ist eine ganz normale Parklücke. Mehr Platz ist nicht. Wir gehen auf der Promenade spazieren. Menschenmassen. Autos. Die Hafenstraßenhäuser gelten offenbar schon als Sehenswürdigkeit und werden mit dem gleichen Inter­esse betrachtet wie der Elbtunnel und die Barkassen - und die Wohnmobile. Im steten Strom der Fahrzeuge versucht ein Betrunkener, die Hafenstraße zu überqueren. Endlose Minuten wartet er, dann wankt er in einem komplizierten Kurs hinüber, als lauerten unter dem Asphalt gefährliche Untiefen, die umgangen werden müssen, und verschwindet schließlich unter den Treppen der Fußgängerbrücke.

In unserer fahrbaren Wohnung mögen wir uns jetzt nicht aufhalten. Immer noch haben wir nicht alle Details des Vantana begriffen. Wir sind auch ein wenig ermattet. Es ist so, als sei man soeben in eine neue Wohnung gezogen und habe zeitgleich ein neues Auto gekauft. Würde man nie tun, aber hat man nun doch getan. Wo ist der Blinker? Jedenfalls nicht da, wo er bei dem alten Auto war. Wo geht das Licht im Schlafzimmer an? Wie schalte ich das Navi ein? Wie komme ich an das Regal hinter dem Badezimmerspiegel heran? Wie funktioniert der Fernseher?

Überraschend ruhige Nacht

Er hängt im Wohnzimmer unterm Dach, zu einem Drittel von einem Hängeschränkchen verdeckt. Der nette Herr Jerzembeck hatte ihn bei der Vorstellung des „Wäntänä“ wie von Zauberhand entriegelt und hervorgezogen und gedreht, sodass man wäntänämäßig auch vom Bett aus glotzen könnte. Doch nun beharrt der Flat Screen darauf, in seiner Position verbleiben zu wollen. Egal, kommt später dran – wie die „Grauwasserentsorgung“ und all die anderen Dinge, die auch am dritten Tag unserer Wohnmobilreise noch graue Theorie sind.

Parkplatzmanager Bernd Hoedtke hat ein Auge auf die Wohnmobile
Parkplatzmanager Bernd Hoedtke hat ein Auge auf die Wohnmobile © HA | Andreas Laible

Wir setzen uns auf die Räder und suchen ein Restaurant. Portugiesenviertel, St. Pauli – das ist alles nicht weit weg. Hier könnte man jeden Abend ein anderes ausprobieren. Danach ein Absacker im Beach Club nebenan. Offenbar eine Touristenattraktion. Der Cuba Libre enthält ganz wenig Cuba, aber dafür viel Libre – die Freiheit, den Drink in einer großzügigen Portion gefrorenen Wassers ertränken zu dürfen.

Dann krabbeln wir in den Vantana, schließen ab, was wir noch nie getan haben, und genießen eine überraschend ruhige Nacht. Mitten in Hamburg, direkt neben den Landungsbrücken, im Schatten der Hafenstraße, mit dem Duft der Elbe in der Nase, lässt es sich tatsächlich hervorragend schlafen.