Hamburg. Ein Leben im Kampf gegen Hafenerweiterung und Elbverschmutzung: Wie Heinz Oestmann zu einer Galionsfigur des Umweltschutzes wurde.
Kaum etwas zeigt wohl den Zorn und den Mut dieses Mannes besser als die alten Schwarzweiß-Aufnahmen aus den späten 70er-Jahren. Ein junger, massiger Mann im Fischerhemd mit dichten schwarzen Haarlocken ist da im Getümmel einer Demonstration zu sehen. Er lässt sich auch von einer Reihe Polizisten nicht aufhalten, packt mit stechendem Blick einen Uniformierten am Kragen. Lange kämpfte Heinz Oestmann gegen die Hafenerweiterung in seinem alten Dorf Altenwerder und auch gegen Dünnsäure-Verklappung in der Nordsee. Kurzzeitig saß er sogar für die Grünen in der Bürgerschaft.
Zuletzt war der schwarze Lockenkopf aber sehr grau geworden, 2013 wollte er nicht mehr "raus nach See" mit seinem Kutter "Nordstern", verkaufte das Schiff und auch sein Restaurant in Finkenwerder. Jetzt ist Heinz Oestmann im Alter von 68 Jahren in einer Hamburger Klinik gestorben, wie der NDR unter Berufung auf seine Familie meldete.
Schon als 20-Jähriger musste er Verantwortung übernehmen
Schon als 20-Jähriger musste Heinz Oestmann Verantwortung übernehmen, als sein Vater früh gestorben war. Oestmann übernahm den 1950 gebauten, knapp 15 Meter langen Kutter, mit dem er auch weit raus in die Nordsee fuhr. Ende der 70er Jahre beobachtete er dabei vor Helgoland, wie ganz offiziell Tankschiffe Dünnsäure aus der Industrie ins Wasser pumpten.
Oestmann klagte gegen die Verklappungs-Genehmigungen, protestierte gegen die Verschmutzung, die seine Existenz als Fischer bedrohte. Spätestens als er für das ARD-Magazin "Monitor" Fische mit blumenkohlartigen Hautgeschwüren in die Kamera hielt, wurde Ostemann als streitbarer Fischer auch bundesweit bekannt. Ein Kampf an mehreren Fronten: Denn auch die geplante Hafenerweiterung in Alterwerde bedrohte die Fischerei, die die Familie Oestmann dort seit immerhin schon 1740 betrieb.
Einer der letzten Bewohner Altenwerders
In Altenwerder gehörte er mit seiner Frau Renate und den vier Kindern zu den letzten, die ausharrten – auch als schon viele Häuser platt gemacht waren und der Strom abgestellt wurde. Er lieferte sich gemeinsam mit Mitstreitern ständige Scharmützel mit den Behörden – doch Ende der 1990er Jahre ging es dann doch schnell, als er sich mit dem damaligen, parteilosen Wirtschaftssenator Rittershaus per Handschlag einigte. Ihm sei es bei diesem Kampf um das Dorf immer auch um Gerechtigkeit gegangen, erzählte er später. Er wollte seinen Betrieb eben nicht opfern.
Oestmann erhielt eine Entschädigung, zinsgünstige Darlehen und ein Grundstück am Yachthafen in Finkenwerder, wo er den Fischerbetrieb weiter führen konnte und dazu für seine Frau ein Restaurant aufbauen konnte.
Später Schicksalsschlag in Finkenwerder
Doch ein Leben in ruhigen Bahnen war ihm nicht gegönnt, eineinhalb Jahre nach dem Umzug starb seine Frau mit nur 48 Jahren an Krebs. "Ich wusste, dass sie krank war, die Sache mit dem Restaurant hat ihr vielleicht noch ein Jahr geschenkt", sagte er seinerzeit, als er sich mit den ersten Gedanken an einen Verkauf beschäftigte.
Vergebens war sein ewiger Protest aber wohl nicht: Verklappungen von Industriesäure würde heute keiner mehr genehmigen, Oestmann selbst konnte noch beobachten, wie sich die Fischbestände von den Belastungen erholen konnten, das Wasser der Elbe sauberer wurde. Viel sauberer, als er es noch als Schuljunge erlebt hatte. "Seine vorbildliche Entschlossenheit und sein kompromissloser Mut, unter Einsatz seiner gesamten Existenz für das Richtige zu kämpfen, machen den Fischer Heinz Oestmann aus Hamburg-Altenwerder zu einem der letzten wirklichen Helden unserer Tag", heißt es in der Beschreibung einer Biographie über ihn ("Heinz Oestmann – was Mut vermag", Mathias Denzlinger, Elbaol.Verlag).
Das trifft es wohl.