Hamm-Süd. Wenn der bislang “beste Freund“ vor dem Urlaub zur Last wird, stößt der Tierschutzverein schnell an seine Kapazitätsgrenzen.
Freudig schwanzwedelnd tollt Benji durch den weiträumigen Auslauf der Welpenstation. Mit seinem rotbraunen Fell und seiner kleinen schwarzen Stupsnase fällt der Mix aus Schäferhund und Terrier sofort ins Auge. Er versteht sich gut mit den anderen Hundewelpen. „Benji hat sich zu einem echten Wonneproppen entwickelt“, sagt Sven Fraaß vom Hamburger Tierschutzverein.
Nicht ganz selbstverständlich, wenn man das Trauma bedenkt, das der vier Monate alte Mischling durchleben musste. Winselnd und zitternd wurde der Vierbeiner in einem Harburger Park im Gebüsch entdeckt und direkt ins Tierheim an der Süderstraße gebracht. „Dank des 24-Stunden-Dienstes können wir uns solcher Notfälle sofort annehmen“, sagt Fraaß.
Störte der Welpe die nahenden Urlaubspläne?
Benji ist nicht das einzige „Urlaubsopfer“, das infolge der Ferienzeit auf unverantwortliche Weise seinem Schicksal überlassen wird. „Gerade im Sommer und zu Beginn der Ferienzeit werden Haustiere vermehrt ausgesetzt oder den Tierheimen zurückgegeben“, sagt Fraaß. Tendenz steigend. „Katzen bilden bei uns die mit Abstand größte Gruppe. Seit Anfang Juni wurden 102 Katzen ausgesetzt. Auch trächtige Tiere oder der Nachwuchs sind betroffen.“
So auch Evelyn. Die zehn Monate alte Katzendame wurde hochschwanger vor die Tür gesetzt, drei Wochen später kamen ihre vier Jungen im Tierheim zur Welt. Ihr Junges Loriot überlebte als Einziger. „Gerade junge und gestresste Mütter sind gefährdet, nicht alle ihre Jungen durchbringen zu können. Und obwohl wir uns liebevoll um die Tiere kümmern, ist auch ein Tierheim nicht perfekt. Letztendlich hat sie drei ihrer Jungen verloren“, erzählt Fraaß.
Aktuell sind 1360 Tiere im Hamburger Tierschutzverein, dem zweitgrößten Tierheim Deutschlands, untergebracht, darunter 332 Katzen. „Die Vermittlungen werden immer besser. Dadurch kann sich der Bestand regelmäßig erholen“, erklärt Fraaß. Eine feste Kapazitätsgrenze hat das Tierheim aber nicht. „Irgendwie geht’s halt immer. Wir mussten Tiere auch schon in Boxen halten. Das ist zwar furchtbar, aber gar keine Tiere mehr aufzunehmen kommt für uns auch nicht infrage.“
Vielen Tieren geht es im Tierheim besser als vorher
Die meisten an der Süderstraße lebenden Tiere haben viel Platz und Auslauf auf dem weitläufigen Gelände. In den Außengehegen steht ihnen ein großes Angebot an schattigen und sonnigen Plätzen zur Verfügung. Die Landschildkröten haben sogar einen kleinen Kräutergarten. Vielen Tieren geht es im Tierheim besser als vorher. „Menschen, die Tiere aussetzen, haben sich schließlich auch vorher nicht gut um die Vierbeiner gekümmert. Bei uns fühlen sie sich das erste Mal wohl“, sagt Fraaß.
Bei schweren Misshandlungen wird auch Anzeige gegen unbekannt erstattet. Auf diese Weise können in manchen Fällen die verantwortlichen Halter ermittelt werden. „Manchmal entpuppt sich sogar der Finder als Halter“, berichtet Fraaß. Es ist gesetzlich verboten, ein in Obhut des Menschen gehaltenes Tier auszusetzen oder zurückzulassen. Wer das Tier aufgrund von Umzug, Krankheit, Platz- und Zeitmangel, finanziellen oder sonstigen Gründen nicht mehr halten kann, sollte es direkt beim Tierheim abgeben, appelliert der Tierschutzverein. „Wir sind für die Ehrlichkeit dankbar, egal, wie unverständlich der Grund sein mag“, betont Sven Fraaß. „Eine persönliche Abgabe hat nicht nur etwas mit Anstand und Respekt zu tun, sondern hilft auch bei eventuell anfallenden Behandlungen und erleichtert die Vermittlung.“
Im Durchschnitt verbleiben die Tiere ein paar Wochen im Heim, bis sie einen neuen Besitzer finden. Dabei fungieren die Mitarbeiter des Tierheims als sogenannte Anwälte der Tiere. „Wir wollen für jedes Tier eine geeignete Familie finden, die Anforderungen sind hoch“, erzählt Fraaß. Dabei wird im Anschluss an die Vermittlung von ehrenamtlichen Nachüberprüfern das Wohlergehen der Tiere kontrolliert. Die Vermittlungsquote ist gut. Jedes Jahr werden rund 3500 Tiere neu vermittelt.
Wer einem Tier ein neues Zuhause geben möchte, kann sich an den Hamburger Tierschutzverein von 1841, Süderstraße 399, unter der Rufnummer 040-21 11 06-0 wenden.