Hamburg. 4539 Ausbildungsplätze unbesetzt, nur knapp 3000 Jugendliche suchen noch. Viele Ausbildungsplätze im Einzelhandel.

Zum Beginn des neuen Ausbildungsjahres am 1. August gibt es noch eine riesige Auswahl bei unbesetzten Lehrstellen in Hamburg. Die Arbeitsagentur meldet noch 4539 unbesetzte Ausbildungsplätze. Verglichen mit dem Vorjahr ist das ein Zuwachs um knapp 18 Prozent. „Es kann zwar sein, dass einige dieser Stellen bereits in einem Vergabeverfahren sind, aber sie sind uns noch nicht als besetzt gemeldet“, sagt Sönke Fock, Chef der Agentur für Arbeit.

Doch selbst wenn einige der Stellen bereits vergeben sind, ist die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze ungewöhnlich hoch. Noch nie in den vergangenen fünf Jahren wurde in Hamburg ein so hoher Wert erreicht, wie aus Zahlen der Arbeitsagentur hervorgeht. 5634 Schulabgänger sind bereits mit einem Ausbildungsplatz versorgt. Das sind 1,6 Prozent mehr als im Vorjahr.

„Komfortable Situation“

„Wer jetzt noch eine Ausbildung beginnen will, ist aber in jedem Fall in einer sehr komfortablen Situation“, sagt Fock. Noch knapp 3000 Schulabgänger suchen nach einem Ausbildungsplatz. „Auf jeden unversorgten Bewerber kommen damit noch rund 1,5 Ausbildungsplätze“, sagt Fock. Ein Spitzenwert. 2017 hatten sich freie Ausbildungsplätze und unversorgte Bewerber noch fast die Waage gehalten.

In der Regel ist es kein Problem, wenn die Ausbildung einige Wochen nach dem offiziellen Start am 1. August begonnen wird. Nur ein komplett versäumter Unterrichtsblock in der Berufsschule ist schwer nachzuholen. Bei manchen Berufen startet die Ausbildung auch erst am 1. September.

Immer mehr Betriebe bilden aus

Allein die Top Ten der noch freien Ausbildungsplätze summieren sich auf über 900 Angebote. Besonders viele Ausbildungsplätze sind noch im Einzelhandel zu besetzen. Auch das Sanitärhandwerk hat Probleme, Auszubildende zu finden. Für den Anlagenmechaniker gibt es verschiedene Ausbildungsrichtungen wie Sanitärtechnik, Heizungstechnik oder Lüftungs- und Klimatechnik. Dennoch werden heute in diesem Bereich 40 Prozent mehr ausgebildet als noch vor einigen Jahren.

„Wegen der guten Auftragslage in der Branche, bilden immer mehr Betriebe aus“, sagt Bernd Seeger, Geschäftsführer des Berufsbildungswerks der Innung Sanitär, Heizung, Klempner in Hamburg. Viele freie Lehrstellen gibt es auch noch für Elektroniker, Köche, Friseure und den Kaufmann für Groß- und Außenhandel. Auch das war noch vor einigen Jahren ein sehr gefragter Ausbildungsberuf. „Es gibt schlichtweg nicht genügend Bewerber, weil sehr viele Schulabgänger an die Universitäten drängen“, sagt Volker Tschirch, Hauptgeschäftsführer des AGA Unternehmensverbandes, in dem Groß- und Außenhandelsfirmen organisiert sind.

Sinkende Zahl von Schulabgängern

Auch Sönke Fock sieht in der sinkenden Zahl von Schulabgängern, die sich für eine Ausbildungssuche bei der Arbeitsagentur registrieren lassen, die Ursache für die hohe Zahl der noch offenen Lehrstellen. Gleichzeitig habe sich die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen mit insgesamt 10.904 gegenüber dem Vorjahr noch einmal um 1,3 Prozent erhöht. Die Zahl der unversorgten Bewerber liege aber 20,6 Prozent unter dem Vorjahr, sagt Fock. „Aber die Bewerber entscheiden sich immer später für einen Ausbildungsplatz.“ Mehr als 56 Prozent der Hamburger Schüler haben Abitur. „Sie orientieren sich in erster Linie auf ein Studium, und erst wenn sich diese Wünsche nicht verwirklichen lassen, beschäftigen sie sich mit einer dualen Ausbildung“, sagt Fock.

Das Hamburger Handwerk kann zum Ausbildungsbeginn eine positive Bilanz ziehen. Bisher wurden 1718 Ausbildungsverträge registriert. „Das sind 3,4 Prozent mehr als im Vorjahr“, sagt Kammerpräsident Josef Katzer. Damit konnte das Handwerk in der Hansestadt das zweite Jahr in Folge die Zahl der Auszubildenden steigern. Katzer verweist auf die vielen Karrieremöglichkeiten im Handwerk. Nach einer Meisterausbildung können Betriebe übernommen werden.

Trend zum Studium

Abiturienten können eine Handwerksausbildung mit einem Bachelorstudium kombinieren. Dennoch gibt es auch im Hamburger Handwerk noch 756 freie Lehrstellen. „Der demografische Wandel und der Trend zum Studium machen es den Ausbildungsbetrieben nicht leicht, geeignete Bewerber zu finden“, sagt Katzer.

Wie wichtig eine solide Ausbildung ist, zeigen auch die aktuellen Arbeitsmarktzahlen. „Über die Hälfte der aktuell 65.944 Arbeitslosen in Hamburg hat keine Ausbildung“, sagt Fock. Gegenüber dem Vormonat nahm die Zahl der Jobsuchenden um 3,4 Prozent zu. Erstmals seit Februar 2018 gibt es damit im Vormonatsvergleich wieder einen Anstieg der Arbeitslosigkeit. „Die Entwicklung werden wir wahrscheinlich auch noch in den August-Zahlen sehen“, sagt Fock.

22.800 neue Jobs binnen eines Jahres

Der Grund seien vor allem Ausbildungsverhältnisse, die auslaufen, ohne dass es sofort eine Anschlussbeschäftigung gibt. „Es gibt aber keine Anzeichen für eine Trendwende am Arbeitsmarkt“, sagt Fock. Im Jahresvergleich sinkt die Zahl der Jobsuchenden in Hamburg weiter. Gegenüber dem Juli 2017 sank die Zahl der Arbeitslosen um 5,4 Prozent. Mit 6,3 Prozent liegt die Arbeitslosenquote im Juli in Hamburg 0,5 Prozentpunkte unter dem Vorjahreswert.

Auch andere Zahlen sprechen für einen intakten Arbeitsmarkt. „Die Gesamtbeschäftigung in Hamburg hat einen neuen Höchstwert erreicht“, sagt Fock. 975.400 Menschen haben in der Hansestadt eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Allein im Bereich Dienstleistungen wurden binnen eines Jahres 5600 neue Jobs geschaffen. Jeweils 1500 neue Stellen entstanden im Verkehrswesen, im Gastgewerbe und im Bereich Erziehung und Unterricht. Insgesamt entstanden in Hamburg innerhalb eines Jahres 22.800 neue sozialversicherungspflichtige Jobs.

Bundesweit waren im Juli 2,325 Millionen arbeitslos gemeldet. Das sind 49.000 mehr Jobsuchende als im Vormonat. Der Zuwachs habe allein jahreszeitliche Gründe, sagt der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele. „Die Entwicklung am Arbeitsmarkt ist sehr günstig, allerdings nicht mehr so schwungvoll.“ Trotz des leichten Anstiegs verzeichnete die Bundesagentur für Arbeit 193.000 Arbeitslose weniger als vor einem Jahr.