Hamburg. Das Schauspielerpaar macht im „Doppelfehler“ in der Komödie Winterhude aktuelle Anspielungen – manchmal wird es anzüglich.

Konflikte können krank machen – erst recht in der Ehe. Nicht etwa ein einziger Krach, sondern permanenter Zoff. Das haben Psychologen der US-amerikanischen Universitäten von Nevada und Michigan jüngst herausgefunden, indem sie knapp 400 Ehepaare über einen Zeitraum von 16 Jahren befragt haben.

Das Duo, das fortan auf der Bühne der Komödie Winterhuder Fährhaus im Blickpunkt steht, hat „zehn Jahre Schlammschlacht“ hinter sich. So nennt es jedenfalls Ex-Ehefrau Jennifer. Unverhofft trifft sie ihren Ex-Gatten Michael in einem Restaurant wieder, fünf Jahre nach der Scheidung. „Du weißt meinen Namen noch!?“, ruft er. „Wie könnte ich ihn vergessen?“, entgegnet sie. „Lange her“, sagt er. „Ja, aber nicht lange genug“, empört sie sich.

Kommödien-Klassiker mit rasanten Wortwechseln

Der Auftakt von Barry Creytons „Doppelfehler“ verspricht rasante Wortwechsel. Das in 20 Sprachen übersetzte Stück des australischen Autors gilt längst als Komödien-Klassiker, er hat es bereits vor drei Jahrzehnten geschrieben. Der Hamburger Schauspieler und Drehbuchautor Michael Ehnert hat es für die Komödie Winterhude bearbeitet und bildet mit seiner Kollegin und Ehefrau Jennifer auf der Bühne ein Ex-Paar, das bei allem – teils deftigen – Streit doch nicht voneinander lassen kann.

Der Einfachheit halber tragen ihre Figuren statt George und Alexandra hier ihre realen Vornamen. Das schafft Nähe statt Distanz. Ebenso der Kniff, die Handlung vom fernen Australien in deutsche Gefilde zu verlagern und vom Staub des Postenkarten-Charmes zu befreien und fürs Instagram- und Whats­App-Zeitalter tauglich zu machen.

Beim Ex-Paar geht es gleich wieder ans Eingemachte

In einem (etwas zu langen) mit Musik unterlegten Fotoprolog sehen die Theaterzuschauer Jennifer und Michael in glücklichen Tagen. Kurz darauf, beim Zufallstreffen im Lokal, geht es sogleich wieder ans Eingemachte, nachdem er erfahren hat, dass sie einen etwas Jüngeren geheiratet hat, und sie registriert, dass er mit sehr jungen Frau ausgeht: „Ein Ehemann, der jünger ist, ist eine Sache ... Kinderschändung eine andere“, sagt Jennifer. „Hallo? Sie darf schon Auto fahren. Also noch in Begleitung, aber immerhin“, stellt Michael klar.

Derlei Pingpong zuzuhören und das wandelbare Spiel der Ehnerts zu erleben ist über weite Strecken gute Unterhaltung, der boshaft-groteske, immer wieder auch mal anzügliche Ton für manche Ohren womöglich gewöhnungs­bedürftig. Und beim Gemache ums Gemächt stellt sich die Frage: Gilt hier „Zu viel Sex ist gar nicht gesund“, wie es Ehnerts Hamburger Kollege Jan-Christof Scheibe in seinem gleichnamigen erfolgreichen Soloprogamm mal betitelt hat, oder aber: Sex sells!?

Seitenhiebe für Donald Trump und Brigitte Nielsen

In jedem Fall bedienen die Ehnerts nach der von Michael für seine Frau Jennifer und sich geschriebenen Action-Comedy „Küss langsam“ und dem Kabarett-Schauspiel „Zweikampfhasen“ nun auch den Boulevard. Wenn sich etwa der Gag mit seinem stets offenen Hosenstall so haltbar erweist, wie ein 30 Jahre alter Reißverschluss, spielen beide das gekonnt aus. Und etwaige Verklemmungen lockert „Doppelfehler“-Bearbeiter Ehnert, indem er hier – frech wie auf der Kabarettbühne – Spitzen auf den Vatikan einbaut wie zuvor aktuell auf Donald Trump beim Umgang mit Frauen und deren Kleidern oder beim Thema unerfüllter Kinderwunsch mit der Neu- und Altmutter Brigitte Nielsen (55). Etwas, das sich sonst nur Ex-Kabarettist und Boulevard-Star Jochen Busse in Winterhude erlaubt. Das garantiert Lacher und eine eigene Handschrift.

Die verleiht dem Stück auch Martin Maria Blau, der Stammregisseur der Ehnerts. Er lässt seine beiden Protagonisten in flotter Folge zwischen Restaurant (gemeinsam), Sitzungen bei ihren beiden Therapeuten (getrennt), seiner Wohnung mit Doppelbett (wieder vereint) und dem gemeinsamen Zuhause (in Rückblenden) auftreten.

Abstrakte Kulisse passt zum „Dopelfehler“

Das Getriebensein auf der Suche nach sich selbst, nach ihren Ansprüchen, ja nach Perfektion, kommt bei den Ehnerts im mit Ausstatterin Azizah Hocke entwickelten Bühnenbild zum Tragen. Die abstrakte Kulisse passt zum „Doppelfehler“ 2018, auch wenn sich Ortssprünge und Therapeutenwechsel am Ende etwas abnutzen. Als das Stück Mitte der 90er-Jahre mit Anita Kupsch und Christian Wölffer schon mal auf dem Winterhuder Spielplan stand, diente noch ein gedeckter Tisch als Restaurant-Kuilsse – diesmal reicht zeitweise sogar nur ein Stuhl.

Und die Frage, was nach der Scheidung kommt, sie muss nicht immer zum Happy End führen. Man sieht sich ja immer zweimal im Leben – mindestens.

Männer seien von den Auswirkungen des Ehestreits übrigens stärker betroffen als Frauen, ergab die Studie der US-Wissenschaftler noch.

„Doppelfehler“ bis 2.9. täglich außer Mo, Komödie Winterhuder Fährhaus (U Hudtwalckerstraße), Hudtwalckerstraße 13, Karten zu 16,54 bis 43,74 Abendblatt-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18–32, HA-Ticket-Hotline T. 30 30 98 98; www.komoedie-hamburg.de