Hamburg. Die Zeiten, in denen Politik vom hohen Ross und weitgehend ohne Bürgerkontakt gemacht werden konnte, sind lange vorbei.

Kurz vor dem Ende des durchgetakteten Termins gab es dann doch noch eine ungeplante Begegnung. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hatte sich am Freitag im Hesse-Diederichsen-Heim in Barmbek bereits vom sechsten in den ersten Stock vorgearbeitet, hatte Senioren einer als vorbildlich geltenden Wohngruppe und eine Rentnerin in ihrem Zimmer besucht, hatte Umbauarbeiten in Augenschein genommen, mit der Heimleitung und mit angehenden Pflegekräften gesprochen. Nun drängte die Zeit.

Doch kurz vor dem Treppenhaus Richtung Erdgeschoss stockte der Tross, zu dem auch Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD), etliche Behördenmitarbeiter sowie Medienvertreter gehörten, dann plötzlich. Eine alte Dame stand mit ihrem Rollator in respektvollem Abstand auf dem Gang. Sie würde ihn so gern kennenlernen, raunten Heimmitarbeiter Tschen­tscher zu. Der Bürgermeister ließ sich nicht zweimal bitten und plauderte etwas mit der Dame, die sich als Margret Kleingarn vorstellte und ihm eröffnete, dass sie am heutigen Sonnabend 89 Jahre alt werde.

Kleine, ungeplante Situationen

„89? Das hätte ich nicht gedacht“, antwortete Tschentscher höflich. Dann bekomme sie ja nächstes Jahr einen Brief vom Bürgermeister, sagte dieser und erklärte, das sei in Hamburg bei 90. Geburtstagen so üblich. Frau Kleingarn strahlte, man wünschte sich alles Gute und verabschiedete sich.

Es sind diese kleinen, ungeplanten Situationen, in denen sich zeigt, wie nah Politiker noch am Volk sind, ob sie zumindest bei Bedarf dessen Sprache sprechen und sich auf spontane Begegnungen einlassen können. Denn die Zeiten, in denen Politik vom hohen Ross und weitgehend ohne Bürgerkontakt gemacht werden konnte, sind lange vorbei. Begegnungen mit „normalen Bürgern“ werden nicht nur ermöglicht, sondern oft geradezu gesucht.

Ein etabliertes Format ist dabei die Sommertour, die es in unterschiedlichen Ausprägungen gibt. Der Bürgermeister, der nebenbei ohnehin im Rahmen der Reihe „Peter Tschentscher im Gespräch“ durch alle 17 Wahlkreise tourt, hat dabei einen inhaltlichen Ansatz gewählt. Nachdem er rund um den Amtsantritt Ende März mehrfach betont hatte, dem Thema Leben im Alter mehr Aufmerksamkeit widmen zu wollen, war bislang etwas unscharf geblieben, was das konkret bedeuten solle.

CDU-Fraktionschef André Trepoll sprach mit Geschäftsführerin Friederike
Hagenbeck über die Situation des Tierparks
CDU-Fraktionschef André Trepoll sprach mit Geschäftsführerin Friederike Hagenbeck über die Situation des Tierparks © CDU Bürgerschaftsfraktion

Zwar will der Senat im neuen Haushalt einige Töpfe für Seniorenarbeit und altersgerechtes Wohnen etwas besser ausstatten. Doch nun ging es darum, zu dokumentieren, dass der Bürgermeister sich persönlich für das Thema interessiert und es für wichtig hält. Daher gab es eine Mini-Sommertour durch drei Senioreneinrichtungen, die aus unterschiedlichen Gründen als vorbildlich gelten. Vor allem von dem Projekt „LeNa – Lebendige Nachbarschaft“ der Saga im Runge-Quartier in Barmbek-Nord zeigte sich Tschen­tscher begeistert. „Ich überlege schon, ob ich mich auf die Warteliste setzen lasse“, scherzte der 52-Jährige. Der promovierte Mediziner setzt bei Terminen dieser Art durch viele gezielte Fragen und geduldiges Zuhören auch einen neuen Akzent gegenüber seinem eher technokratischen Vorgänger.

Zuhören ist das Gebot dieses Sommers

Zuhören ist auch für André Trepoll das Gebot dieses Sommers. Nachdem der CDU-Fraktionschef im April/Mai mit der Veranstaltungsreihe „Zurück in die Zukunft“ einen öffentlichkeitswirksamen Aufschlag hatte, setzte er auf seiner Sommertour auf Termine ohne große Medienbegleitung. Die Gespräche seien dann ernsthafter und gehaltvoller, sagte er am Freitag nach einem Besuch in der Haftanstalt Billwerder. So hätten ihm Pflegeheimbetreiber recht offen berichtet, wie schwer es sei, in Hamburg noch Grundstücke zu finden – damit wurde Tschentscher bei seinen Heimbesuchen allerdings auch konfrontiert.

Trepoll besuchte auf seiner Sommertour auch den Tierpark Hagenbeck, einen Bauernhof in Curslack, das Landeskommando der Bundeswehr und den Stadtteil Oberbillwerder, wo 7000 Wohnungen auf der grünen Wiese entstehen. Nachdem er sich vor Ort mit Initiativen und Bürgern getroffen hat, hatte der CDU-Fraktionschef den Eindruck, dass sich die Menschen nicht ausreichend mitgenommen fühlen: „Für SPD und Grüne zählen wieder nur die nackten Genehmigungszahlen. Eine ausreichende Beteiligung der Anwohner findet nicht statt.“ Das werde einem bei einem Besuch vor Ort viel klarer, als wenn man sich das Projekt am Schreibtisch anschaue, so Trepoll.

Kritik unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu äußern ist für den Oppositionsführer naturgemäß eher die Ausnahme. Umgekehrt kommt es auch bei Senatsmitgliedern regelmäßig vor, dass sie Einrichtungen oder Organisationen vertraulich und ohne großen Tross besuchen – nur erfährt dann kaum jemand davon. Manchmal allerdings ist die Herstellung von Öffentlichkeit der Sinn und Zweck einer Sommertour.

Leonhard besucht die Feuerwehr:

Senatorin Leonhard besucht die Feuerwehr

Hamburgs Senatorin Melanie Leonhard bei ihrem Feuerwehrbesuch am Berliner Tor in voller Montur bei gut 30 Grad in der Sonne
Hamburgs Senatorin Melanie Leonhard bei ihrem Feuerwehrbesuch am Berliner Tor in voller Montur bei gut 30 Grad in der Sonne © Klaus Bodig / HA | Klaus Bodig / HA
Bei allem Ernst der Einsatzlage genießt die Senatorin Melanie Leonhard doch die Aussicht auf der Drehleiter
Bei allem Ernst der Einsatzlage genießt die Senatorin Melanie Leonhard doch die Aussicht auf der Drehleiter © Klaus Bodig / HA | Klaus Bodig / HA
Wasser marsch! Senatorin Melanie Leonhard testet das C-Rohr
Wasser marsch! Senatorin Melanie Leonhard testet das C-Rohr © Klaus Bodig / HA
Fofftein mit Berufsfeuerwehrfrau Katharina Scharff. Senatorin Melanie Leonhard bei der Feuerwehr am Berliner Tor
Fofftein mit Berufsfeuerwehrfrau Katharina Scharff. Senatorin Melanie Leonhard bei der Feuerwehr am Berliner Tor © Klaus Bodig / HA | Klaus Bodig / HA
Nein, kein Grund zur Sorge. Die Puppe hat noch reale Überlebenschancen. Senatorin Melanie Leonhard mit Notfall-Sanitäterin und Notarzt im Übungseinsatz bei der Feuerwache 22 am Berliner Tor.
Nein, kein Grund zur Sorge. Die Puppe hat noch reale Überlebenschancen. Senatorin Melanie Leonhard mit Notfall-Sanitäterin und Notarzt im Übungseinsatz bei der Feuerwache 22 am Berliner Tor. © Klaus Bodig / HA | Klaus Bodig / HA
Senatorin Melanie Leonhard mit hartem Hut bei der Feuerwache 22 am Berliner Tor
Senatorin Melanie Leonhard mit hartem Hut bei der Feuerwache 22 am Berliner Tor © Klaus Bodig / HA | Klaus Bodig / HA
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So hat sich Arbeits- und Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) vorgenommen, kräftig auf den Fachkräftemangel in vielen Branchen hinzuweisen und für entsprechende Berufe zu werben – und dafür braucht es Bilder und Medien, die sie transportieren. Obwohl Leonhard eher eine nüchterne Sachpolitikerin ohne Hang zum großen Auftritt ist, erfüllt sie für den guten Zweck (fast) jeden Wunsch: Erst spielte sie am Flughafen mit Ohrenschützern und Warnweste den „Ramp Agent“, um zu demonstrieren, dass dieser Vorfeld-Beruf auch für Frauen geeignet ist.

Dann ließ sie sich bei der Berufsfeuerwehr komplett in Schutzkleidung stecken, hantierte mit Spreizern und C-Rohr und kletterte sogar auf einer Drehleiter bis in den zweiten Stock, um festzustellen: Auch das schaffen Frauen, nur sie selbst sei dafür „nicht sportlich genug“. Im August geht es dann noch zur Stadtreinigung und in die Tunnel der Stadtentwässerung – schöne Bilder garantiert.

Zuvor treten Tschentscher, Trepoll und Leonhard aber noch ihre ganz persönlichen Sommertouren an: Ab der kommenden Woche haben alle drei Urlaub.