Hamburg. Stadt will Berufsgruppen bei Vergabe von Sozialwohnungen begünstigen. Vereinbarung ist vage und rechtlich problematisch.
Der Hamburger Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs feierte die Vereinbarung Anfang Juni als großen persönlichen Erfolg: "Vehement" habe er sich dafür eingesetzt, dass Zöllner in Hamburg ein "Vorzugsrecht" für Wohnraum erhalten, so der SPD-Politiker. Im Klartext: Zollbeamte sollen künftig in Hamburg eher als andere Bürger an Sozialwohnungen kommen. Eine sinnvolle Entscheidung, so Kahrs, denn: "Wir brauchen einen starken Zoll in der Stadt."
Etwa eineinhalb Monate später liegt nun die Kooperationsvereinbarung zwischen sogenannten "Bedarfsgruppen" auf der einen und Wohnungsunternehmen auf der anderen Seite zur Unterschrift vor. Doch von dem einstigen "Vorzugsrecht" für Zöllner ist keine Rede mehr. Nach der massiven Kritik wegen einer möglichen Klientelpolitik ist die Vereinbarung nun so vage, dass sie kaum noch einen konkreten Inhalt hat und zudem voller innerer Widersprüche steckt.
"Soziale Durchmischung" fördern
Offiziell geht es nach Angaben der zuständigen Stadtentwicklungsbehörde darum, eine möglichst sinnvolle "soziale Durchmischung" von ehemaligen Flüchtlingsunterkünften zu erreichen, die in den kommenden Jahren zu Sozialwohnungen umgewandelt werden sollen.
Bei der Vergabe ist nun aber nicht mehr nur von den Zöllnern, sondern von insgesamt acht Gruppen die Rede, die bevorzugt behandelt werden sollen. Dies sind im einzelnen: Krankenhaus- und Pflegepersonal, Polizeianwärter,Studierende, Auszubildende, das Personal der Hochbahn, Anwärter der Steuerverwaltung, der allgemeine Verwaltungsnachwuchs sowie "Nachwuchskräfte" der Zollverwaltung.
Keine festen Kontingente
Daneben verweist die Stadtentwicklungsbehörde ausdrücklich darauf, dass die letzte Entscheidung für einen Bewerber nach wie vor bei den Wohnungsunternehmen liegt. "Feste Kontingente für eine bestimmte Berufsgruppe gibt es nicht", sagt Behördensprecher Julian Boy. Die Kooperationsvereinbarung sehe lediglich ein "Vorschlagsrecht" vor. Die Vermieter hätten die Möglichkeit, den Bedarfsgruppen Wohnraum anzubieten, und auch die jeweiligen Gruppen könnten den Vermietern Interessenten vorschlagen. Daneben bestehe für jede Einzelperson die Möglichkeit, sich um die Wohnungen zu bewerben – vorausgesetzt, sie verfüge über den entsprechenden Berechtigungsschein.
"Verfassungswidrig bedenklich oder belanglos"
Dies aber wirft für Kritiker die Frage auf, wie verbindlich die Kooperation überhaupt ist. "Entweder, es gibt doch konkrete Vereinbarungen für die Bevorzugung bestimmter Berufsgruppen. Dann wäre dies verfassungsrechtlich bedenklich", sagt die Hamburger Geschäftsführerin des Vereins Mieter helfen Mietern, Sylvia Sonnemann. "Gibt es diese Absprachen nicht, dann ist die Kooperationsvereinbarung nicht mehr als eine nette Absichtserklärung." Letztlich lasse sich dies erst nach Durchsicht des kompletten Papiers entscheiden. Dies allerdings will die Stadtentwicklungsbehörde erst nach der Unterzeichnung veröffentlichen.
Unklar ist auch, wie die Bedarfsgruppen eigentlich zusammengestellt wurden. Warum etwa sollen Polizeianwärter bei der Suche nach einer günstigen Wohnung unterstützt werden, angehende Feuerwehrleute aber nicht? Nach Angaben der Behörde haben sich die nun berücksichtigten Gruppen zuerst an die Stadt gewandt. Später habe man sie zusammen mit den Wohnungsunternehmen zu einem gemeinsamen Gespräch gebeten. Warum unter anderem die Feuerwehr nicht berücksichtigt wurde, darauf gab es bei der Behörde keine Antwort. Auch die Feuerwehr selbst konnte die Frage nicht beantworten.
"Halbgare Lösung"
Für den Sozialverband Deutschland (SoVD) bleibt die Bevorzugung bestimmter Berufsgruppen bei der Vergabe von Sozialwohnungen generell ein rotes Tuch. "Die wirklich Bedürftigen werden auf diese Weise verdrängt und bleiben auf der Strecke", sagt der erste Vorsitzende des SoVD in Hamburg, Klaus Wicher. Es gebe derzeit ohnehin schon viel zu wenige Sozialwohnungen in der Hansestadt, da sei es nicht hinnehmbar, dass das Angebot für die tatsächlich Armen noch weiter eingeschränkt werde.
Aus Sicht des SoVD-Vorsitzenden spricht nichts gegen den Bau von Wohnungen für eine bestimmte Berufsgruppe, nur dürften dafür Sozialwohnungen nicht zweckentfremdet werden. "Die ganze Kooperationsvereinbarung ist eine halbgare Lösung", so Wicher.