Hamburg. Im Theater Kehrwieder wird ab Oktober Varieté geboten. Ein Gespräch mit dem künstlerischen Leiter Werner Buss.

Im Oktober übernimmt die GOP Entertainment Group das Theater Kehrwieder in der Speicherstadt und wird es als Varieté-Theater mit wechselnden Shows bespielen. Der künstlerische Leiter Werner Buss hat das Unternehmen zum Marktführer in Deutschland entwickelt. Mit dem Hamburger Abendblatt sprach er vorab über sein Erfolgsrezept und seine Pläne für Hamburg.

Herr Buss, Sie leiten bereits sieben erfolgreiche Theater in Hannover, Essen Bad Oeynhausen Münster, Bremen Bonn und München. Warum wollen Sie jetzt noch ein achtes Theater in Hamburg eröffnen?

Werner Buss: 2005 ist die Stage Entertainment GmbH erstmals auf unsere Inhaberfamilie Grote zugekommen. Jetzt wurden die Gespräche erneut aufgenommen, was wir sehr schön finden. Mit dem Theater Kehrwieder haben wir ein Haus, das für unsere Art der Shows ideal ist; diese bilden hier im Theater den Schwerpunkt. In Hamburg wird es keine Gastronomie, sondern eine reine Theaterbestuhlung geben.

Wie sind Sie ausgerechnet auf Hamburg gekommen? Es gibt ja hier schon das Schmidt Theater für Comedy und das Hansa-Theater mit klassischem Varieté?

Buss: Hamburg hat über 60 Theater, eine vergleichbare Situation wie in München. Anders als Hamburg hat München aber keine Varieté-Tradition. In Hamburg hat es in den 20er- bis 40er- Jahren über 40 Varieté-Theater gegeben, darunter mit dem Hansa-Theater auch eines der legendärsten und schönsten. Als ich vor 25 Jahren die Leitung des GOP Varieté-Theater Hannover übernahm, fuhr ich alle zwei bis drei Monate nach Hamburg und habe mir die Shows angeguckt. Ich wollte die Wurzeln ertasten, die Nostalgie schmecken. Ich glaube, dass Hamburg eine Stadt ist, in der unglaublich viel möglich ist. Wir haben hier eine im positiven Sinne bunte Theaterlandschaft. Was es aber spätestens seit dem Ende der Fliegenden Bauten nicht mehr gibt, ist eben modernes, zeitgemäßes Varieté und zeitgemäßer Zirkus. Das ist eine Lücke, die es zu schließen gilt. Unser Theater steht in keiner Weise in Konkurrenz zum Hansa-Theater, zum Schmidt oder zum Palazzo.

Sehen Sie das Theater vor allem als Ausflugsziel für Menschen, die unbeschwert-leichte Unterhaltung suchen? Oder geht es dabei um Kunst?

Buss: Ich glaube, dass Kunst und Kultur ein wesentlicher Bestandteil des zeitgenössischen Varietés ist. Wenn das eine Partylocation werden sollte, wären wir nicht hier. Wir haben den Anspruch, diese Produktionen mit aller Heiterkeit, aber auch aller Professionalität und hoher Qualität auf die Bühne zu bringen. Angefangen haben wir 1992/93 mit klassischem Varieté und einem liebevollen charmanten Moderator. Marktführer sind wir nur geworden, weil wir uns weiterentwickelt haben.

Welches Publikum haben Sie im Blick?

Buss: Bei uns ist jeder herzlich willkommen. Der Hamburger, die Menschen aus dem Großraum, natürlich auch die Anwaltskanzlei mit ihrer Weihnachtsfeier, Touristen und Familien. Am Sonntagnachmittag sitzen da vier Generationen. Das Varieté bietet aufgrund der wechselnden Momente, der poetischen, spektakulären, zarten, wilden, eine unglaublich spannende Wundertüte.

Ihr erstes Haus in Hannover hatte seit 1962 ganze 30 Jahre pausiert. Die Menschen entdeckten das Fernsehen und blieben weg. Wie haben Sie sie wieder gelockt?

Buss: Hamburg hat einen großen Anteil daran. Die Schmidt Mitternachtsshows vor 30 Jahren mit Frau Jaschke haben eine neue Plattform geboten. Ende 1992 haben wir die Renaissance in Gang gebracht. Ich war 29 Jahre alt, wir waren damals 25 Kollegen. Heute hat das Unternehmen 800 Mitarbeiter und ist in seinem Genre das größte in Europa. Wir haben etwas wachgeküsst, das man nur aus Erinnerungen kannte. Varieté hatte eine eigene Geschichte und Tradition. Das ist aber nichts Verstaubtes und Altmodisches. Zur Zeit der Expo 2000 in Hannover haben wir dann mit Cirque-Noveau-Künstlern aus Kanada und Frankreich eine bildgewaltige Show gespielt, die komplett ohne Sprache auskam. Die Sprache wurde ersetzt durch Musik. Von diesem Moment an hat sich eine neue Form entwickelt, bestehend aus den Elementen Musik, Tanz, Physical Comedy und Pantomime. Nach wie vor hat die Sprache natürlich im modernen Varieté ein Zuhause.

Touren die Produktionen durch alle Städte, in denen Sie Häuser haben?

Buss: Ja. Wir produzieren ja selbst. Wir entwickeln eine Idee, dann suche ich weltweit nach geeigneten Künstlern. Zwei bis drei Jahre braucht diese Planung. Die Produktionskosten sind immens gestiegen, deswegen ist es sinnvoll, die Shows in allen GOP Varietés zu spielen.

Die erste Produktion, die Sie ab Oktober in Hamburg zeigen, heißt „Wet“, also „nass“. Was erwartet die Besucher? Geht es feuchtfröhlich zu?

Buss: Als die Show entwickelt wurde, gefiel mir die Idee, Wasser und Artisten zusammenzubringen. Es sind Dinge, die eigentlich nicht zusammenpassen. Wir haben die aktuelle Show um eine ­poetische Darbietung und einen spektakulären Act erweitert. Die Badewannen, die im Zentrum stehen, werden neu inszeniert. Modernes Lichtdesign, aber auch echter Regen auf der Bühne und im Publikum lassen neue Bilder entstehen. Neben einer Opernsängerin gibt es Comedy, moderne Artistik, modernen Tanz und sogar ein Wischmob-Ballett.

Wie lange läuft Ihr Pachtvertrag? Und werden Sie in das Theater, etwa in das Gebäude und die Logistik, investieren?

Buss: Der Vertrag läuft erst mal über sechs Monate mit der Option auf Verlängerung. Das größte Investment liegt in der Show. Wir brauchen zusätzliche Technik und gestalten einiges neu.

Sehen Sie sich selbst eher als Künstler oder als Unternehmer?

Buss: Ich bin sicher Künstler, der auch kaufmännisch denken kann, sonst könnte ich die Arbeit nicht machen. Ich beschäftige mich aber mehr mit dem Erlebnis. Da bin ich sehr perfektionistisch. Ich habe eine klare Vorstellung davon, wie sich etwas anfühlen muss. Auch nach 25 Jahren sind meine Antennen nicht weniger fein als früher.

„Wet – The Show!“, 20.10.2018 bis 30.3.2019, Theater Kehrwieder, Kehrwieder 6, Karten ab 55,10 u. a. in der Abendblatt-
Geschäftsstelle und unter T. 30 30 98 98