Hamburg. Mit Glanz und Können beschließt die Nijinsky-Gala die 44. Hamburger Ballett-Tage in der Staatsoper. Schönster Moment mit Bernstein.

Nach fast sechs Stunden großer, verzaubernder, humorvoller und melancholischer Ballett-Momente ist die Bühne in einen Konfettiregen getaucht. Zwei Wochen lang haben die Tänzerinnen und Tänzer des Hamburg Balletts bei den 44. Hamburger Ballett-Tagen alles gegeben. Jeden Abend eine andere Choreografie aus dem Repertoire getanzt – und nebenbei noch neue Szenen für die abschließende Nijinsky-Gala einstudiert.

Die wie immer lange ausverkaufte Gala ist eine Herausforderung für Sitzfleisch und Aufnahmefähigkeit. Für richtige Ballett-Fans ist der Marathon ein Muss: Er liefert Tanz auf allerhöchstem Niveau. Wenn auch als buntes Festmahl mit unterschiedlichen Gerichten. Das ist Konzept, es ist zugleich auch ein wenig Fluch.

Ballett-Chef Neumeier moderiert charmant

Trotz Häppchen-Alarm lassen sich kraftvolle, unvergessliche Momente kreieren. Hamburg-Ballett-Chef John Neumeier moderiert wie gewohnt charmant, sein Sprach-Duktus ist immer noch vom amerikanischen Akzent und manch grammatikalischer Freiheit geprägt. Zwei Jubiläen stehen im Mittelpunkt. Der Choreograf Marius Petipa wäre in diesem Jahr 200 Jahre alt geworden, ein anderer Meister seines Fachs, der Komponist und Dirigent Leonard Bernstein, 100 Jahre alt.

Ein gut gelaunter Alexandr Trusch tanzt da zum Einstieg in Matrosenmontur mit Schülern der Theaterklassen VII und VIII in Bernsteins „On the Town“ vor New Yorker Kulisse. Nun verfügt das Hamburg Ballett über derart viele Top-Tänzer, dass man auch zwölf Stunden hochkarätig hätte besetzen können, doch bei einer Gala geht es auch um Gastfreundschaft. So sind mehrere Solisten des The National Ballet of Canada dabei. Hinzu kommen weitere Tänzer vom New York City Ballet, vom American Ballet Theatre sowie vom Moskauer Bolschoi und der Waganowa Ballettakademie.

Jung und Urban begeistern als Männerduo

Zwei Versionen des Grand Pas de deux aus Tschaikowskis „Dornröschen“ offenbaren, wie sich ein Thema je nach choreografischer Handschrift in Nuancen unterscheiden kann. Die erste klassische stammt von Petipa und wird hier von den US-Gästen Tiler Peck und Herman Cornejo mit höchster Virtuosität und technischer Perfektion geboten, zulasten allerdings eines stärkeren Ausdrucks.

Die zweite stammt vom westlich beeinflussten Rudolf Nurejew. Sie erlaubt den Kanadiern Jilian Vanstone und Francesco Gabriele Frola emotionalen Freiraum. Die Körperhaltungen von perfekter Eleganz, das sprungstarke, athletische Bewegungsvokabular vor allem des männlichen Parts evoziert bei beiden Paaren heftigen Szenenapplaus.

Wie stark sich die Ballettkunst weiterentwickelt hat, zeigt dann John Neumeiers Choreografie aus „Songfest“ zur Musik von Leonard Bernstein. Vor allem im dritten Teil „To What You Said“ begeistern Carsten Jung und Ivan Urban als Männerduo, das sich zum Gesang ansehnlich streckt und fast turnerisches Geschick zeigt, ohne formelhaft zu wirken.

Schönsten Momente gibt es bei Bernstein

Überhaupt schaffen die Bernstein-Choreografien die schönsten Momente. Vor allem im zweiten Teil, der „Bernstein Serenade“ nach Platons Symposium, einem von einem Liebesburschen angeheizten Reigen dreier Paare in Armani-Kostümen, in der das Partnerspiel fröhlich durcheinandergeht. Die Eleganz von Hélène Bouchet und Christopher Evans steht da der gespreizten Verspieltheit von Emilie Mazon und Jacopo Bellussi gegenüber.

Mit dem Pas de deux aus dem 2. Akt aus Tschaikowskis „Schwanensee“ beweist das Tanzpaar Anna Laudere und Edvin Revazov erneut, dass es Begegnungen von verstörender Innerlichkeit schaffen kann.

Zwischen all den Meistern präsentiert auch die Nachwuchscompanie, das Bundesjugendballett, sein Können, wobei man ihm mehr choreografische Begleitung gewünscht hätte. So dürfen die jungen Tänzerinnen und Tänzer in „John’s Dream – And What We Call Growing Up“ zu Pop-Klassikern einen Bewegungsreigen aufführen, der über das Stadium einer zusammengewürfelten Szenenschau nicht hinauskommt.

An diesem Dienstag ist Neumeier übrigens in Berlin, um mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters über die weitere Förderung des Bundesjugendballetts zu sprechen.