Hamburg. Das National Ballet of Canada war bei den Ballett-Tagen in der Staatsoper zu Gast. Eine überaus erfrischende Erfahrung.

Das Hamburg Ballett und The National Ballet of Canada verbindet eine langjährige Freundschaft, die bis Anfang der 1970er-Jahre zurückreicht. Bereits zum dritten Mal hat John Neumeier daher das Ballett unter seiner Direktorin Karen Kain als Gastcompa­gnie zu den Ballett-Tagen eingeladen.

Die Gäste kamen mit drei Choreografien, wie sie unterschiedlicher kaum sein konnten. „The Dreamers Ever ­Leave You“ des jungen Choreografen Robert Binet lebt von der auf- und abwogenden Piano-Musik der Minimal-Komposition, die Lubomyr Melnyk persönlich am Flügel intoniert. Auch auf der Bühne ist es ein Wogen und Strecken, ein Gemälde aus Muskelkraft und Körperbeherrschung. Das sich verändernde Bühnenbild ist mal Höhle, mal Berg. Schöner Wohlfühltanz ohne allzu viele Ecken und Kanten. Das ist auf die Dauer doch etwas eintönig. Zuviel L’art pour l’art.

Savella war herausragend

Schroffer Wechsel in der zweiten Choreografie des Abends, die James Kudelka entwickelt hat. Zu Klassikern von Johnny Cash hält die herausragende erste Solistin des Balletts, Jenna Savella, gleich drei Cowboys in Schach. Man bildet gemeinsam einen Treck, gruppiert sich zu neckischer Folklore und schwingt das Bein wie beim Cancan. „The Man in Black“ könnte eine mit Ironie gesättigte Westernparodie sein, ist aber durch und durch ernst gemeint.

Und das ist das Problem dieser Choreografie. Sie erlaubt sich nicht, mit Klischees zu spielen, sie bildet sie ab. Man schaut sich ganz gut ein in die durchaus famosen Tänzer und ihr Können, das auch durch grobe Westernstiefel nicht verunstaltet wird, aber über die Länge dreht sich die Choreografie wie eine gleichbleibende Nummernrevue zunehmend im Kreis.

Erfrischende Erfahrung

Hohe Erwartungen ruhen dann auf dem letzten Stück des Abends, „Emergence“ von Crystal Pite. Eigenartige schwarze Kreaturen bewegen sich käfergleich am Boden. Die Stimmung ist so düster-kafkaesk wie der Electronica-Soundtrack von Owen Belton. Sie bäumen sich auf, wirken mal bedrohlich, mal verletzlich. Pite hat einen unterirdischen Bienenstock als Metapher für die menschliche Gesellschaft kreiert, in dem sich das Ensemble bewegt. Da gibt es Gruppendynamiken, große nach Geschlechtern getrennte Tableaus, Annäherungen, Konflikte. Das ganze ist ziemlich bildgewaltig, ja monumental. Das Bewegungsrepertoire bleibt dabei relativ begrenzt. Herausragend gelingen allerdings die Soli unter anderem mit der grazilen Heather Ogden.

Bei aller Kritik ist es eine überaus erfrischende Erfahrung, mit The National Ballet Of Canada einmal andere, auch junge Handschriften zu erleben.

44. Hamburger Ballett-Tage bis 8.7., Hamburgische Staatsoper; Infos: www.hamburgballett.de